Deutsche Klimafinanzierung / 100 Milliarden / Bundeshaushalt / Zusagen
Klimafinanzierung 2023 und 2024: Wieder sinkende Mittel?
Für 2023 und 2024 deuten sich nach der Prognose der Bundesregierung sinkende Mittel für die Klimafinanzierung an. Trotzdem ist die Bundesregierung zuversichtlich, dass sie ihre 6-Milliarden-Zusage erfüllen wird. Das passt nicht zusammen.
Bis spätestens 2025 sollen die Haushaltsmittel für die finanzielle Unterstützung einkommensschwacher Länder bei Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen auf jährlich mindestens sechs Milliarden Euro anwachsen – so hat es die Bundesregierung versprochen. (Die Zusage bezieht sich nicht auf die Klimafinanzierung insgesamt, sondern nur auf die bereitgestellten Mittel aus dem Bundeshaushalt und die Zuschussäquivalente zinsvergünstigter Entwicklungskredite. Die Kredite selbst werden in der Berichterstattung zusätzlich ausgewiesen, sind aber nicht Bestandteil der 6-Milliarden-Zusage.)
Immerhin: Seit 2021, dem Jahr der Zusage, sind die Mittel gewachsen – und dies ist insofern etwas überraschend, weil seither die Budgets der Entwicklungszusammenarbeit im Bundeshaushalt nicht angehoben wurden. Zunächst hatte die Bundesregierung für jedes der Jahre 2021-2023 ein Niveau von jeweils rund 4,3 Mrd. Euro prognostiziert (vgl. hier, Tabelle 1).
Demgegenüber wurden 2021 rund 5,3 Mrd. Euro erreicht, 2022 sogar rund 6,4 Mrd. Euro. Das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), über dessen Etat der Großteil der Klimafinanzierung fließt, erklärt diese Übererfüllung mit wachsender Nachfrage nach Klima-Programmen in den Empfängerländern; 2022 könnten unter anderem auch Einmaleffekte eine Rolle gespielt haben, etwa in Zusammenhang mit Sondermitteln für Programme zur Ernährungssicherheit als Antwort auf geringere Getreideexporte aus der Ukraine infolge des Krieges.
Abb. 1: Prognosen Klimafinanzierung 2023 und 2024 |
Sinkende Klimafinanzierung 2023 und 2024
Für das Jahr 2023 hat die Bundesregierung nun ihre ursprüngliche Prognose von bisher 4,3 Mrd. Euro (Juli 2022) mittlerweile auf rund 5,1 Mrd. Euro (September 2023) angehoben, wie sich aus der Antwort auf eine Schriftliche Frage von MdB Cornelia Möhring ablesen lässt. Offenbar wurde das Prognosetool der Bundesregierung angepasst, um zum Beispiel die von der Bundesregierung angeführte erhöhte Nachfrage aus den Empfängerländern besser abzubilden, denn die relevanten Budgets im Bundeshaushalt, insbesondere die Titel der bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, sind 2023 nicht besser ausgestattet als bisher.
Für 2024 werden rund 5,3 Mrd. Euro prognostiziert – das wirft Fragen auf. Die Ausstattung der relevanten Titel im Bundeshaushalt soll gegenüber 2023 sinken, und doch rechnet die Bundesregierung mit mehr Mitteln für die Klimafinanzierung. Das ließe sich nur damit erklären, dass die Bundesregierung entweder auf weiter deutlich wachsende Nachfrage in den Empfängerländern setzt, die die Kürzungen im Bundeshaushalt nicht nur ausgleicht, sondern überkompensiert. Oder die Bundesregierung plant für 2024 größere zusätzliche Maßnahmen, die über die routinemäßige Programmierung der Budgettitel hinausgehen.
Mit Blick auf die Ausstattung der relevanten Titel im Bundeshaushalt wäre eigentlich ein Absinken 2024 gegenüber 2023 zu erwarten, als Folge geplanter Einsparungen im Etat des BMZ 2024 gegenüber 2023. Tabelle 1 vergleicht die offiziellen Prognosen der Bundesregierung mit einer Prognose auf Basis einer Extrapolation, die die in der Vergangengeit bereitgestellten Klima-Mittel mit der Ausstattung der relevanten Titel in den Etats des Bundeshaushalts (v.a. im BMZ-Etat) in Relation setzt und daraus eine Abschätzung für 2023 und 2024 anhand der geplanten Ausstattung der entsprechenden Titel im Entwurf für den Bundeshaushalt 2024 macht. Eine daraus abgeleitete Prognose ergäbe für 2023 in etwa dasselbe Niveau wie die Prognose der Bundesregierung; für 2024 aber ergeben sich abnehmende Mittel.
Tabelle 1: Prognosen für die Klimafinanzierung 2023 und 2024 |
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2023 |
2024 |
Prognose der Bundesregierung |
5,1 Mrd. € |
5,3 Mrd. € |
Prognose durch Extrapolation |
5,2 Mrd. € |
4,9 Mrd. € |
Die Prognose der Bundesregierung findet sich in der Antwort auf eine Schriftliche Frage von MdB Cornelia Möhring vom September 2023 (hier). Für die Prognose durch Extrapolation wurden die über die relevanten Haushaltstitel der bilateralen und multilateralen Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellten Mittel der Klimafinanzierung mit den über diese Titel in den Haushaltsjahren 2019-2022 tatsächlich verausgabten Barmitteln bzw. in Anspruch genommenen Verpflichtungsermächtigungen in Relation gesetzt. Mit diesen Relationen wurde dann anhand der für 2023 und 2024 vorgesehenen Ausstattung der relevanten Haushaltstitel im Bundeshaushalt 2023 und im (Entwurf für den) Bundeshaushalt 2024 die möglichen Mittel für die Klimafinanzierung extrapoliert.
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Gerät die 6-Milliarden-Zusage außer Reichweite?
Selbst die Prognosen der Bundesregierung für 2023 (5,1 Mrd. €) und 2024 (5,3 Mrd. €) liegen erheblich unter dem erreichten Niveau von 2022 (6,4 Mrd. €). Außerdem möchte die Bundesregierung auch 2025 den BMZ-Etat weiter zusammenstreichen, wie aus der mittelfristigen Finanzplanung des Bundes hervorgeht. Das dürfte mittelbar auch Auswirkungen auf die Klimafinanzierung haben und könnte die 6-Milliarden-Zusage der Bundesregierung außer Reichweite bringen.
Dennoch gibt sich die Bundesregierung zuversichtlich, dass das Niveau von mindestens sechs Milliarden Euro jährlich in den kommenden Jahren gehalten werden könne. Die eigene Prognosen für 2023 und 2024 hält die Bundesregierung für zu konservativ. Die Bundesregierung begründet ihren Optimismus auch hier mit der Erwartung weiterhin wachsender Nachfrage nach Klima-Projekten trotz insgesamt sinkender Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Das ist natürlich vorstellbar, aber die Details zu den Prognosen sind nicht öffentlich zugänglich. Allerdings wirft das ein neues Problem auf: Gleichbleibende Klima-Mittel bei sinkendem BMZ-Gesamtetat dürfte zu mehr Konkurrenz zwischen Klima- und anderen Entwicklungsprioritäten in den Empfängerländern führen, trotz möglicher Synergieeffekte.
Ohnehin gilt: Auf die Unzulänglichkeit der eigenen Prognosen zu hoffen ist keine solide Grundlage für die Erfüllung der 6-Milliarden-Zusage und auch kein ermutigendes Signal an den Globalen Süden im Vorfeld der kommenden UN-Weltklimakonferenz COP28 in Dubai Ende des Jahres. Vielmehr sollte die Bundesregierung hier mehr Klarheit zu den Gründen für ihren Optimismus schaffen – wenn er berechtigt ist. Wenn nicht und wenn also die eigenen Prognosen vielleicht doch brauchbarer sind, als es die Bundesregierung darstellt, wäre es dringend geboten, den weiteren Kürzungen im BMZ-Etat einen Riegel vorzuschieben und stattdessen in den kommenden Jahren wieder eine bessere Ausstattung des Ministeriums anzustreben – für die Unterstützung nicht nur von Klimaschutz und Anpassung in den einkommensschwachen Ländern sondern ganz allgemein für Entwicklung und Armutsbekämpfung im Globalen Süden ohnehin mehr als wünschenswert.
Jan Kowalzig, Oxfam