Bundeshaushalt / Deutsche Klimafinanzierung / Zusagen
Regierungsbericht Klimafinanzierung 2022: Zusage erreicht, Zukunft unklar
Fristgerecht hat die Bundesregierung Ende September ihre Zahlen zur Klimafinanzierung des Jahres 2022 in Brüssel eingereicht. Demnach hat Deutschland seine 6-Milliarden-Zusage drei Jahre früher als versprochen erfüllt. Es lohnt sich eine kurze Analyse.
Schon vor einigen Wochen hatte das Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung über die Presse die Nachricht verbreiten lassen, dass Deutschland seine Zusage, die Mittel für die Klimafinanzierung bis spätestens 2025 auf jährlich mindestens sechs Milliarden Euro zu steigern, schon 2022 und damit drei Jahre früher erreicht habe. Nun folgte der formale Bericht nach Brüssel: Demnach beliefen sich die Haushaltsmittel zur finanziellen Unterstützung einkommensschwacher Länder beim Klimaschutz und für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen auf rund 6,4 Mrd. Euro (Haushaltsmittel und Zuschussäquivalente von zinsvergünstigten Krediten).
Abb. 1: Aufschlüsselung Klimafinanzierung 2022 |
Weitere rund 3,1 Mrd. € kamen als von der KfW auf dem Kapitalmarkt mobilisierte Mittel vor allem für öffentliche Kredite zusammen. Die öffentliche Klimafinanzierung aus Deutschland erreichte 2022 damit rund 9,5 Mrd. €. Rechnet man zudem die privaten Mittel hinzu, die die Bundesregierung zusätzlich mobilisiert zu haben für sich beansprucht, ergibt sich ein Gesamtniveau von fast 10 Mrd. € als Deutschlands Beitrag für 2022 zum allerdings nach wie vor unerfüllten 100-Milliarden-Versprechen der Industrieländer.
Prognosen für 2022 übererfüllt
Das erreichte Niveau war offenbar auch für die Bundesregierung insofern überraschend, als dass die ursprüngliche Prognose über die Haushaltsmittel für die Klimafinanzierung für das Jahr 2022 bei rund 4,3 Mrd. € gelegen hatte. Nun sind es gute zwei Milliarden mehr geworden. Eine detaillierte Analyse, woran das gelegen haben mag, gibt es nicht – die Bundesregierung verweist auf unerwartet deutlich gewachsene Nachfrage nach Klimaprojekten bei den Empfängerländern und einige im Vorfeld nicht absehbare größere Einzelposten wie beispielsweise die Mittel für die Just Energy Transition Partnership mit Südafrika. Hinzu kamen ungeplante Sondermittel für Ernährungssicherung in einkommensschwachen Ländern als Antwort auf die verringerten Getreideexporte aus der Ukraine als direkte Folge des Krieges. Von diesen Sondermitteln wurden auch zusätzliche Anpassungsprogramme in der Landwirtschaft finanziert.
Für sich betrachtet ist es begrüßenswert, wenn die Klimafinanzierung aus Deutschland so deutlich angestiegen ist. Es ist allerdings auch kein Geheimnis, dass die ex-post-Berichtssysteme recht lax angelegt sind – oftmals wird die Klimarelevanz finanzierter Projekte und Programme sehr großzügig bewertet, zumal die Industrieländer unter Druck stehen, ihre Zusagen zur Klimafinanzierung zu erfüllen. Möglich ist auch, dass das Wachstum bei den Klima-Hilfen zumindest teilweise auf Kosten anderer entwicklungspolitischer Prioritäten stattgefunden hat. Zwar lassen sich oft verschiedene Ziele miteinander koppeln – beispielsweise dann, wenn der Ausbau der Energieversorgung von vorneherein auf Basis der erneuerbaren Energien stattfindet. Immer aber gelingt das nicht: Sollen zum Beispiel in der Landwirtschaft die gegenwärtigen Erträge durch Anpassungsmaßnahmen gesichert werden, wird unter Umständen mit dem eingesetzten Geld lediglich der Status quo trotz Klimakrise erhalten, ohne dass eine zusätzliche Entwicklungsdividende zustande kommt.
Abb. 2: Klimafinanzierung 2017-2025 |
Mehr Mittel für die Anpassung an den Klimawandel
Passend zum Wachstum insgesamt stand 2022 auch mehr Geld für die Anpassung an den Klimawandel zur Verfügung. Die Bundesregierung weist hier für das Jahr 2022 rund 2,8 Mrd. € bzw. rund 44 Prozent der Klimafinanzierung aus. Hier muss man allerdings genau hinsehen, denn diese Angaben beziehen sich nur auf die Haushaltsmittel, nicht auf die öffentliche Klimafinanzierung insgesamt, und addiert zudem die Hälfte der Mittel hinzu, die als übergreifend sowohl dem Klimaschutz als auch der Anpassung dienend klassifiziert wurden. Das ist insofern teilweise eine fragwürdige Annahme, als dass in dieser Kategorie auch zahlreiche Programme zu finden sind, deren Klimarelevanz oftmals nur vage erkennbar ist und die sich zum Beispiel eher dem allgemeinen Umweltschutz zurechnen lassen.
Abb. 3 schafft hier Klarheit. Demnach hatte der Bereich Anpassung an der gesamten Klimafinanzierung einen Anteil von knapp über einem Fünftel. Von einer echten Balance zwischen Anpassung und Minderung, wie es international vereinbart wurde, ist die Bundesregierung also weit entfernt.
Abb. 3: Aufteilung nach Minderung und Anpassung |
Die Entwicklung der Mittel für den Bereich Anpassung ist auch insofern interessant, als dass sich 2021 die Industrieländer dem Ziel verpflichtet hatten, die gemeinsamen jährlichen Klima-Hilfen für den Bereich Anpassung bis 2025 gegenüber 2019 zu verdoppeln. Um zu diesem Ziel beizutragen müsste Deutschland nun die eigenen Anpassungsgelder ebenfalls mindestens verdoppeln, so dass die Haushaltsmittel zur Unterstützung von Anpassung bis 2025 ein Niveau von jährlich mindestens 3,5 Mrd. Euro erreichen (vgl. Abb. 4). Über die letzten Jahre sind hier die Gelder auch angestiegen. Bleibt es beim Trend seit 2019, wäre dies im Bereich des Möglichen, setzt aber voraus, dass die Klimafinanzierung insgesamt weiter wächst, was niciht gesichert ist.
Abb. 4: Öffentliche Klimafinanzierung für Anpassung 2019-2025 |
Weiterhin viele Kredite in der Klimafinanzierung
Nicht einmal die Hälfte der bilateralen Klimafinanzierung kamen in Form von Zuschüssen bei den Empfängerländern an. Das ist keine Verbesserung gegenüber 2021 unr nur eine leichte Verbesserung gegenbüber den Vorjahren 2020 (43 Prozent) und 2019 (41 Prozent). Mehr als die Hälfte der Klimafinanzierung stellt die Bundesregierung über Klima-Kredite und in Form ähnlicher Instrumente bereit (vgl. Abb. 5).
Abb. 5: Klimafinanzierung 2022 nach Instrumenten |
Klima-Kredite können ein passables Instrument sein, wenn die darüber finanzierten Projekte finanziell so erfolgreich sind, dass aus späteren Erträgen die Kredite zurückgezahlt werden können; allerdings ist das nicht immer und insbesondere bei der Anpassung an den Klimawandel generell eher nicht der Fall. Empfängerländer, von denen viele kaum oder gar nicht zur Klimakrise beigetragen haben, bezahlen die finanzierten Programme und Projekte letztlich zum erheblichen Teil also selbst, nämlich wenn sie die Kredite zurückzahlen. Das steht eklatant im Widerspruch zu den Prinzipien der Klimagerechtigkeit und kann die Schuldenlast für Länder weiter erhöhen, zumal ihr finanzieller Spielraum auch wegen anderer Krisen (darunter die Nachwirkungen der Corona-Pandemie oder der sich verschlimmernde Klimawandel) stark beeinträchtigt sein kann.
Prognostiziertes Absinken 2023 und 2024
Zeitgleich zur Berichterstattung für das Jahr 2022 hat die Bundesregierung auch aktualisierte Prognosen für die Haushaltsmittel für die Klimafinanzierung für 2023 und 2024 erstellt. Sie weisen zumindest auf den ersten Blick mit rund 5,1 Mrd. € für 2023 bzw. rund 5,3 Mrd. € für 2024 auf sinkende Mittel in diesem und im nächsten Jahr hin (vgl. Abb. 2). Hinzu kommt, dass ein Teil des hohen Gesmtergebnisses für 2022 auf Einmaleffekte zurückzuführen sind – etwa die oben erwähnten Sondermittel für Ernährungssicherung. Das BMZ ist aber trotzdem zuversichtlich, die nun erreichten (über) sechs Milliarden Euro auch in den kommenden Jahren halten zu können. Denn: Die Prognosen seien konservativ und auch in der Vergangenheit schon häufiger übertroffen worden. Letzteres ist zwar richtig. Ob aber auf die Unzulänglichkeit der eigenen Prognosewerkzeuge zu hoffen eine solide Grundlage für die Erfüllung internationaler Zusagen darstellt, darf man wohl als fraglich bezeichnen.
Nächste Schritte für die Bundesregierung
Auf dem Erreichten sollte sich die Bundesregierung jetzt keinesfalls ausruhen. Einige Schlussfolgerungen lassen sich aus den nun veröffentlichten Zahlen ableiten:
Die Bundesregierung sollte im laufenden Verfahren für die Aufstellung des Bundeshaushalts 2024 die jährlichen Mittel für die Klimafinanzierung spürbar anheben, um sich auch in den eigenen Prognosen verlässlich auf jährlich mindestens sechs Milliarden Euro anzunähern. Das erfordert, dass der Etat des Entwicklungsministeriums insgesamt anwachsen müsste, anstatt in den kommenden Jahren zu schrumpfen, wie es die Bundesregierung derzeit vorsieht.
Darüber hinaus sollte sie die Zusage selbst aufstocken – auf jährlich mindestens acht Milliarden Euro an Haushaltsmitteln für die Klimafinanzierung. Das wäre angesichts der zunehmenden Belastungen durch die Klimakrise in den ärmeren Ländern und auch hinsichtlich der Wirtschaftskraft Deutschlands ein angemesseneres Ziel.
Die Bundesregierung sollte unbedingt den Anteil der Mittel für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen erhöhen. Echte Ausgewogenheit (die international immerhin als Prinzip vereinbart ist) ist erst mit einer hälftigen Aufteilung der gesamten Mittel (d.h. nicht nur der Haushaltsmittel) zwischen Emissionsminderung und Anpassung erreicht.
Künftige Steigerungen der Klimafinanzierung aus Deutschland sollten sich vor allem auf die Bereitstellung von Zuschüssen konzentrieren, um die Schuldenlast in den ärmeren Ländern nicht weiter zu verschärfen. Das erfordert entsprechend mehr Haushaltsmittel in den kommenden Jahren und weniger Verlass auf Marktmittel über die KfW.
Jan Kowalzig, Oxfam
Die diesem Artikel zugrundeliegenden Daten für 2022 finden sich in der regelmäßigen Berichterstattung der Bundesregierung nach Brüssel. Die Daten sind hier öffentlich zugänglich.