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Klimafinanzierung im Bundeshaushalt 2023: Unfall oder absichtsvolle Missachtung?

Wie auch schon 2022 möchte die Bundesregierung auch 2023 die finanziellen Klima-Hilfen für ärmere Länder nicht anheben – und entfernt sich damit weiter von der Zusage von 2021. Wie will sie das auf der kommenden UN-Weltklimakonferenz COP27 den Vertreter:innen aus dem Globalen Süden erklären?

Bis spätestens 2025 würden die Mittel für die finanzielle Unterstützung bei Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen in den ärmeren Ländern vom gegenwärtigen Niveau von rund vier auf dann jährlich mindestens sechs Milliarden Euro anwachsen – so hatte es die damalige Bundesregierung auf dem G7-Gipfel 2021 verkündet.

Die Zusage kam zusammen mit Zusagen anderer Industrieländer für die Zeit nach 2020 vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Blamage, dass die reichen Länder ihr Versprechen von 2009 nicht haben halten können, die Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern. Tatsächlich kamen die Geberländer im Jahr 2020 auf nur knapp 83 Milliarden US-Dollar – und das auch nur mit einer beschönigenden Zählweise, die sich die Geberländer selbst verordnet hatten und die es beispielsweise erlaubt, auch wenig klimawirksame Projekte großzügig anzurechnen.

Mit den neuen Zusagen im Vorfeld der letzten UN-Weltklimakonferenz COP26 gaben sich die Industrieländer in ihrem Climate Finance Delivery Plan zuversichtlich, das Versprechen doch noch zu erfüllen – wenn auch erst 2023, mit drei Jahren Verspätung. Das sorgte zwar für viel Verstimmung auf der COP26, wurde aber letztlich auch von den ärmeren Ländern hingenommen – der Spatz grüßt die Taube.

Dass das Versprechen erst drei Jahre später erfüllt wird, ist schlimm genug, denn wegen der Untererfüllung des Versprechens bis 2023 fehlen bis dahin zig Milliarden Dollar für wichtige Projekte und Programme etwa zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen in den ärmeren Ländern fehlen – 2020 waren das immerhin 17 Milliarden US-Dollar.

Abb. 1: Klimafinanzierung im Bundeshaushalt 2019-2025 (in Mrd. Euro)

Abb. 1: Klimafinanzierung im Bundeshaushalt 2019-2023 (in Mrd. Euro)

Absichtsvolle Missachtung? Trotz der Zusage von 2021 sollen die Mittel nicht steigen. Gezeigt sind die Mittel (in Mrd. Euro) der Klimafinanzierung für bilaterale Maßnahmenzusagen und multilaterale Beiträge. Die grünen bzw. grünschraffierten Balken zeigen die geplanten Haushaltsmittel sowie der Zuschussäquivalente von Entwicklungskrediten, gemäß der von der Bundesregierung üblicherweise praktizierten Zählweise hinsichtlich gemachter Zusagen. Die auf dem Kapitalmarkt mobilisierte Mittel für klimarelevante Kredite durch die Entwicklungsbank KfW und ihre Tochter DEG sind in orange abgebildet (Planzahlen für 2021 und Folgejahre liegen nicht vor), sind aber für die Erfüllung der 6-Milliarden-Zusage nicht relevant. Zur Orientierung sind für 2025 auch die 8 Milliarden Euro für 2025 angegeben, die aus unserer Sicht statt der zugesagten 6 Milliarden Euro eher einem fairen Beitrag Deutschlands zur internationalen Klimafinanzierung entsprächen. Quelle: Daten der Bundesregierung

Umso schlimmer ist es aber, dass die Bundesregierung offenbar ein merkwürdiges Verhältnis zu der Zusage von 2021 hat. Dass der Bundeshaushalt 2022 kein Wachstum für die Klimafinanzierung vorsieht, kann man vielleicht noch als Unfall durchgehen lassen. Zumindest hat sich kurz nach Verabschiedung des Haushalts die Bundesregierung am Rande des G7-Gipfels in Elmau noch einmal zu der Zusage bekannt. Und dennoch möchte Finanzminister Christian Lindner mit seinem Entwurf für den nächsten Bundeshaushalt erreichen, dass auch 2023 die Mittel nicht steigen. In einer Antwort auf eine Schriftliche Frage von MdB Ralph Lenkert hat die Bundesregierung festgehalten, dass die Mittel für 2023 mit rund 4,3 Milliarden Euro auf dem Niveau von 2021 und 2022 verharren sollen (vgl. Tabelle 1).

Tabelle 1: Geplante Mittel für die Klimafinanzierung 2021-2023 (in Mio. Euro)

Tabelle 1: Geplante Mittel für die Klimafinanzierung 2021-2023 (in Mio. Euro)

* Einschließlich Sonderinitiativen, Mitteln für private Träger etc. sowie den Zuschussäquivalenten konzessionärer Darlehen.
** Die IKI war bis 2021 im BMU beheimatet und ist seit 2022 in das BMWK verlagert worden.
Angaben in Mio. Euro. Trotz der 6-Milliarden-Zusage sollen die Mittel für die Klimafinanzierung auch 2023 auf dem Niveau von 2021 (Planzahlen 2021) stagnieren – dies hat nun die Antwort der Bundesregierung auf eine Schriftliche Frage von MdB Ralph Lenkert bestätigt. Quelle: Daten der Bundesregierung.

Das ist schwer zu verstehen, ohne zumindest dem Finanzminister eine absichtsvolle Missachtung der Zusage Deutschlands zu unterstellen. Womöglich möchten sich auch die übrigen Mitglieder der Bundesregierung hinsichtlich der Zusage nicht weiter engagieren (entgegen der Äußerungen ihrer Parteien noch vor der Bundestagswahl), weil sie fürchten, in der Öffentlichkeit hierzulande mit internationaler Solidarität und Klimagerechtigkeit gegenwärtig wenig Blumentöpfe gewinnen zu können – trotz des wichtigen Beitrags, den die Klima-Hilfen etwa zur Sicherung der Lebensgrundlagen der Menschen angesichts der sich stetig verschlimmernden Klimakrise für die langfristige Stabilität in der Welt und damit letztlich auch für Deutschland leisten können.

Ironisch ist es schon fast, dass ausgerechnet Deutschland derzeit zusammen mit Kanada im Namen der Geberländer an einem Update zum schon erwähnten Climate Finance Delivery Plan arbeitet. Dieses Update müsste jetzt nämlich ehrlich anerkennen, dass der Optimismus von 2021 vielleicht nicht mehr so gerechtgertigt ist. Die Ansage, dass das 100-Milliarden-Ziel immerhin 2023 erreicht würde, basiert (neben den Zusagen der übrigen Industrieländer) auch auf der Annahme, dass Deutschland sich im Zeitraum 2021-2025 schrittweise auf das deutsche 6-Milliarden-Ziel zubewegt. (Ob 2023 zu halten sein wird, liegt mithin nicht nur an Deutschland. Auch die USA hinken ihrer Zusage erheblich hinterher.)

Für ein gleichmäßiges Wachstum der Mittel zur Umsetzung der deutschen 6-Milliarden-Zusage müssten die Mittel 2023 um rund 820 Millionen Euro höher ausfallen, als es derzeit im Entwurf für den Bundeshaushalt 2023 vorgesehen ist. Dieses Wachstum müsste über erhöhte Beiträge und neue Zusagen für die diversen multilateralen Klimafonds, aber vor allem über eine dauerhafte Erhöhung der Verpflichtungsermächtigungen in den relevanten Haushaltstiteln etwa der bilateralen Finanziellen und Technischen Zusammenarbeit passieren, denn sie sind es, über die mehrjährige, bilaterale Maßnahmenzusagen abgedeckt werden.

Tabelle 2: Untererfüllung gegenüber gleichmäßigem Wachstum (in Mrd. Euro)

Tabelle 2: Untererfüllung gegenüber gleichmäßigem Wachstum (in Mrd. Euro)

Im Szenario eines gleichmäßigen Wachstums wird von einem linearem Auwuchs im Zeitraum 2021-2025 von den Planzahlen 2021 zur Zusage für das Jahr 2025 ausgegangen. Quelle: Daten der Bundesregierung und eigene Berechnungen

Gegenüber einem Szenario eines gleichmäßigen Aufwuchses zur Erfüllung der 6-Milliarden-Zusage summiert sich die resultierende Untererfüllung mittlerweile auf rund 1,2 Milliarden Euro. Geld, das in den ärmeren Ländern dringend gebraucht würde – kein sonderlich rühmliches Zeugnis von Solidarität und Führungsstärke Deutschlands in der internationalen Klimakrise. Sicher ist, dass die Weigerung der Bundesregierung, ihre eigene Zusage angemessen umzusetzen, wohl kaum förderlich sein dürfte für das mühsam geschaffene Vertrauensverhältnis zwischen den Industrieländern und den Ländern des Globalen Südens im Vorlauf zur kommenden UN-Weltklimakonferenz COP27 im November.

Der Bundestag könnte es richten – und in den kommenden Wochen die entsprechenden Erhöhungen beschließen. Wie wahrscheinlich das ist, ist aber fraglich. Schon 2022 ließen sich nur geringfügige Verbesserungen bei der Klimafinanzierung im Haushalt gegenüber dem Regierungsentwurf erreichen – weil sich in den Regierungsfraktionen im Bundestag keine Mehrheit finden ließ, die international viel beachtete Zusage Deutschlands auch engagiert zu erfüllen. Es wäre mehr als wünschenswert, dass sich das für den Bundeshaushalt 2023 ändert.

Jan Kowalzig, Oxfam