Internationale Klimafinanzierung / Loss & Damage / UNFCCC
Den Fonds für Schäden und Verluste handlungsfähig machen und angemessen ausstatten – Zentrale Aufgaben für COP28
Auf der Zielgeraden zur COP28 ist es gelungen, einen Kompromiss zur Ausgestaltung des neuen Fonds zur Bewältigung von Schäden und Verlusten auszuhandeln. Ihn muss die COP28 aber noch formal beschließen. Werden Deutschland und andere Länder erste Zusagen mit nach Dubai bringen?
Der historische Durchbruch der UN-Weltklimakonferenz COP27 Ende 2022 zur Einrichtung eines neuen multilateralen Fonds zur Unterstützung bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten infolge der Klimakrise in den Entwicklungsländern war mehr als überfällig. Diesem Entschluss vorangegangen sind mehr als 30 Jahren der Forderungen der Länder des Globalen Südens nach finanzieller Unterstützung beim Umgang mit Schäden und Verlusten – und einer ebenso langen Blockade vieler Länder des Globalen Nordens auf der anderen Seite.
2023 war nun das eigens eingerichtete Transitional Committee (TC) mit der Ausgestaltung des Fonds (und weiterer Arrangements zur finanziellen Unterstützung) beauftragt. Nachdem dies in vier geplanten Arbeitssitzungen des TC wegen fundamentaler Differenzen bei zentralen Themen nicht gelungen war, haben sich die Unterhändler:innen in einer kurzfristig einberufenen fünften Arbeitssitzung (TC5) nun auf die Kernbereiche des Fonds festgelegt und sich auf gemeinsame Empfehlungen geeinigt. Vor allem den Entwicklungsländern wurden dabei große Zugeständnisse abverlangt.
Auf der kommenden UN-Weltklimakonferenz COP28 muss nun über die auf TC5 erzielte Einigung entschieden und auch die Kapitalisierung des Fonds gestartet werden. Für die nötige angemessene Kapitalisierung des Fonds sind strategische Allianzen zwischen progressiven Industrie-, Entwicklungs- und Schwellenländern nötig, um die Einteilung in Lager zu überkommen und im Gegenteil mit jenen voran zu gehen, die wirklich Lösungen voranbringen und die Verwundbarsten unterstützen wollen. Beides ist entscheidend dafür, dass auch in anderen Verhandlungsbereichen Fortschritte erzielt werden – und damit für den Erfolg der ganzen Konferenz.
Bei der Weltbank angesiedelt
Sehr kontrovers wurde bis zuletzt die institutionelle Verortung des Fonds diskutiert mit nahezu gegensätzlichen Positionen zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern. Letztere forderten einen eigenständigen Fonds als Teil der Finanzarchitektur der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC). Den Gegenvorschlag der Industrieländer, den Fonds bei der Weltbank zu installieren, lehnten sie dabei wegen der hohen Gebühren und den in vielerlei Hinsicht nicht passenden Rahmenbedingungen ab, darunter der Fokus der Weltbank auf Krediten statt Zuschüssen. Die nun erzielte Einigung sieht eine 4-jährige Interimslösung vor, die sowohl die Weltbank zur Treuhänderin macht, als auch ein Übergangssekretariat unter der Weltbank einrichtet. Der Kompromiss ist aber an eine Reihe von Bedingungen geknüpft, u.a. die Gewährleistung eines direkten Zugangs für Empfängerländer und vulnerable Gemeinschaften sowie Zugang auch für jene UNFCCC-Vertragsstaaten, die keine Mitglieder der Weltbank sind. Außerdem wird klargestellt, dass die Vorkehrungen des Governing Instruments (das grundlegende Regelwerk des Fonds) im Zweifelsfall Vorrang über bestehende Regelungen der Weltbank haben soll, wenn diese davon abweichen Das soll unter anderem sicherstellen, dass der Fonds nach den Grundsätzen der UNFCCC und des Pariser Abkommens arbeiten kann.
Nach vier Jahren soll die Interimslösung evaluiert werden. Erfüllt die Weltbank alle Bedingungen, bleibt das Arrangement bestehen. Kritisch zu sehen ist allerdings, dass eine konkrete Strategie zum Finden einer alternativen Heimat fehlt, sollte die Auswertung nach der Interimszeit negativ für die Weltbank ausfallen. Gut ist, dass der Fonds trotz seiner Beheimatung bei der Weltbank als ein Teil des Finanzierungsmechanismus (“an entity entrusted with the operation of the financial mechanism entity”) unter der UNFCCC und dem Pariser Abkommen eingerichtet wird. Somit gelten auch für den Fonds die zentralen Gerechtigkeitsprinzipien der UNFCCC und des Pariser Abkommens, darunter insbesondere das der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten (“common but differentiated responsibilities and respective capabilities”) und das Verursacherprinzip.
Wer zahlt ein?
Politisch aufgeladen war und ist die Diskussion um die Frage, wer nun als Beitragszahler den Fonds ausstatten wird. Sie hat auch Implikationen für Bereiche, die weit über den Fonds hinausgehen, wie z.B. die Verhandlungen um das neue Globalziel für die Klimafinanzierung (New Collective Quantified Goal, NCQG). Auch hier ist wichtig, dass die oben schon erwähnten Prinzipien der UNFCCC Anwendung finden müssen. Klar ist, dass die Industrieländer aufgrund ihrer historisch größten Verantwortung deutlich vorangehen müssen. Eine verbindliche Verpflichtung zur Einzahlung in den Fonds fehlt allerdings. Die Industrieländer sind lediglich zu Beiträgen „aufgefordert“. Andere Länder werden „ermutigt”, dies, “auf freiwilliger Basis” ebenso zu tun. Der Fonds gibt somit den verwundbarsten Menschen und Gemeinschaften keinerlei Absicherung, dass sie durch den Fonds tatsächlich angemessen bei der Bewältigung von Schäden und Verlusten unterstützt werden. Künftige Beiträge an den Fonds bleiben ein freiwilliger Akt der Solidarität. Klimagerechtigkeit wird auf diese Weise nicht gefördert. Denn unter Schäden und Verlusten leiden vor allem die Menschen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben.
Das bedeutet, dass insbesondere die Industrieländer in der Hauptverantwortung stehen. Allerdings gilt auch, dass wirtschaftsstarke Schwellenländer – darunter auch die reichen Öl- und Gasförderländer – allgemein zur Unterstützung im Umgang mit Verlusten und Schäden und speziell auch zum neuen Fonds beitragen sollten. Darunter fallen zumindest jene, die mit Industrieländern vergleichbare Verantwortung für die Klimakrise und vergleichbare wirtschaftliche Leistungsfähigkeit aufweisen.
Insofern ist es ein Versäumnis, dass im erzielten Kompromiss eine klare Referenz zu den Gerechtigkeitsprinzipien von UNFCCC und Pariser Abkommen fehlt. Es wird lediglich betont, dass die Industrieländer die Führung für die finanziellen Beiträge übernehmen sollen – zunächst aber nur für die Operationalisierung und nicht die Kapitalisierung des Fonds. Auch für innovative Quellen ist der Fonds offen – hier könnten Instrumente ins Spiel kommen, wie etwa Abgaben für die großen fossilen Unternehmen (die “Carbon Majors”) auf die Förderung von Kohle, Erdöl, und Erdgas oder den internationalen Schiffs- und Flugverkehr.
Zur Unterstützung berechtigt: besonders verwundbare Entwicklungsländer
Die Diskussionen rund um die Frage, welche Länder aus dem Fonds Unterstützung erhalten sollen, ging am Ende auf die schon im Beschluss der COP27 in Sharm-el Sheik verwendete Formulierung zurück und verweist auf alle “besonders verwundbaren Entwicklungsländer”. Auch wenn hier einkommensschwache Inselstaaten (Small Island Developing States, SIDS) und die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDCs) eine besondere Rolle spielen (für sie soll der Fonds Mindestbeträge reservieren), haben so auch andere stark betroffene Länder Zugang. Ein durch das Board des Fonds zu entwickelndes System der Mittelzuweisung und -priorisierung muss dies sicherstellen.
Breites Spektrum, aber unklare Ausstattung
Begrüßenswert ist, dass der Fonds nun ein breites Spektrum von Verlusten und Schäden abdecken soll, darunter ökonomische und nicht-ökonomische Schäden und Verluste – sowohl ausgelöst durch Extremwetterereignisse als auch schleichende Prozesse. Das ist insofern sehr erfreulich, als für all diese Schadensarten bislang zu wenig Mittel zur Verfügung stehen.
Allerdings bleibt die Frage des Umfangs des neuen Fonds eine komplette Leerstelle. Hier fehlt jegliche Referenz auf Abschätzungen der zukünftigen Bedarfe, trotz entsprechender Forderungen der Entwicklungsländer. Nach aktuellen Schätzungen betrugen im Jahr 2022 Schäden in den Entwicklungsländern bereits 109 Milliarden US-Dollar. Für 2030 schätzen WissenschaftlerInnen die jährlichen Schäden allein für Entwicklungsländer auf 400-580 Milliarden US-Dollar. Darin nicht enthalten sind nicht-ökonomische Schäden und Verluste durch langsam voranschreitende Klimaveränderungen. UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) schlug kürzlich vor, den neuen Fonds mit anfänglich 150 Milliarden US-Dollar zu füllen und ihn bis 2030 auf 300 Milliarden anwachsen zu lassen.
Und noch eine Enttäuschung: Im Governing Instrument des Fonds findet sich keine Referenz zu Menschenrechten. Das ist nicht akzeptabel. Menschenrechtsprinzipien und -standards sollten allen Aktivitäten des Fonds (und ganz allgemein im Bereich Schäden und Verluste) zugrunde liegen. Der Fonds zielt auf die Unterstützung der verwundbarsten und marginalisierten Bevölkerungsgruppen an vorderster Front der Klimakrise ab. Hier sind Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Menschenrechte unerlässlich.
Was das Direktorium angeht, wird die Zusammensetzung des Steuerungsgremiums des Fonds den Entwicklungsländern bei insgesamt 26 Sitzen eine knappe Mehrheit zugestehen. Forderungen nach weiteren Sitzen im Direktorium, etwa für Vertreter:innen marginalisierter Gruppen, indigener Völker oder Migrant:innen, sowie für die Zivilgesellschaft wurden nicht erfüllt. Ihre Partizipation im Rahmen der Boardsitzungen soll aber gewährleistet werden. Das Board spielt auch nun in den kommenden Monaten eine zentrale Rolle, da es die weitere Ausgestaltung des Fonds übernimmt – wie beispielsweise den sehr kritischen Punkt eines Systems der Mittelzuweisung.
COP28 muss die Ausstattung des Fonds starten
Für die COP28 ist die Entscheidung über die Operationalisierung nun zentral – gleichzeitig muss aber auch die Kapitalisierung konkret vorbereitet werden. UN-Generalsekretär Antonio Guterres hat bereits seine Erwartung verlautbart, dass die Staats- und Regierungschefs mit Beiträgen, Verpflichtungen und Zusagen zur Unterstützung des Fonds zur COP28 kommen sollen.
In einer Situation, in der einerseits die Industrieländer ihrem Versprechen, jährlich 100 Mrd. US Dollar an Klimafinanzierung bereitzustellen, noch immer nicht nachgekommen sind und gleichzeitig Debatten um eine Erweiterung der beitragenden Länder geführt werden, braucht es ein deutliches Zeichen und starke Vorreiter, um die Kapitalisierung des Fonds nicht aufzuschieben und die verletzlichsten Menschen nicht im Stich zu lassen.
Deutschland und weitere Industrieländer, aber auch beispielsweise die Vereinigten Arabischen Emirate als Gastgeber der COP28 sollten hier vorangehen und in ihren jeweiligen Ländergruppen dafür Akzeptanz erzeugen, eine wirkungsvolle Gruppe der Willigen zu etablieren. Die Europäische Kommission hat bereits verlauten lassen, dass sie eine nennenswerte Summe ankündigen wird. Deutschland sollte mindestens 300 Mio. EUR auf der COP28 ankündigen und bis nächstes Jahr einen Plan entwickeln, um den deutschen Beitrag für eine Anschubfinanzierung des Fonds auf zunächst eine Milliarde Euro aufzustocken.
Vera Künzel & Laura Schäfer, Germanwatch
Sabine Minninger, Brot für die Welt
Jan Kowalzig, Oxfam