In der Klimafinanzierung kommt es nicht nur auf den Umfang der zur Verfügung gestellten Mittel und auf ihre regionale und sektorale Verteilung an. Klimafinanzierung muss auch qualitativen Kriterien genügen – darunter insbesondere natürlich Kriterien zur „Klimawirksamkeit“ und effektiven und effizienten Mittelverwendung. Klimafinanzierung muss aber ebenso zur nachhaltigen und gerechten Entwicklung beitragen. Die Qualität von Klimaprojekten hängt damit auch davon ab, inwieweit soziale und menschenrechtsbasierte Kriterien integraler Bestandteil von Projektplanung und -umsetzung sind. Daher haben Brot für die Welt, Heinrich-Böll-Stiftung, Oxfam und Germanwatch eine Analyse durchgeführt, welche die im Rahmen der deutschen Klimafinanzierung geförderten Projekte auf ihre entwicklungspolitische Ausgestaltung hin untersucht.
Entwicklungspolitische Analyse
Für die Analyse haben wir einige relevante Aspekte ausgewählt und auf Basis von öffentlich verfügbaren Projektbeschreibungen und -homepages ermittelt, ob sie in Zielen und Maßnahmen der Projekte explizit verankert sind.
- Partizipation: Werden die von den Maßnahmen betroffene Bevölkerung oder lokale/nationale zivilgesellschaftliche Organisationen an Planung, Umsetzung oder Evaluierung nachweisbar beteiligt?
- Gender: Hat das Projekt ein Gender Mainstreaming oder eine Gender Responsiveness Strategie? Differenziert das Projekt seine Zielgruppe nachweisbar nach Frauen und Männern aus? Werden Maßnahmen zur Stärkung von Frauen durchgeführt?
- Menschenrechte: Sind Schutz und Förderung der Menschenrechte ein explizites Anliegen des Projektes? Befolgen REDD+-Projekte das Prinzip der vorab freiwillig und in Kenntnis der Sachlage gegebenen Zustimmung (FPIC)?
- Fokus auf schutzbedürftige Gruppen: Richten sich Anpassungsmaßnahmen explizit an besonders schutzbedürftige Gruppen (v.a. kleinbäuerliche Familien, Bewohner von informellen Siedlungen, benachteiligte Minderheiten, Frauen, Kinder und Menschen mit Behinderung)?
Die Auswahl beruht auf dem normativen Rahmen für die öffentliche Klimafinanzierung, der von der Heinrich-Böll-Stiftung erarbeitet wurde (Eine Frage von Prinzipien). Die gewählten Aspekte reflektieren außerdem Risikofelder und Ansätze im Leitfaden des BMZ zur Berücksichtigung menschenrechtlicher Standards und Prinzipien.
Die Analyse war dabei mit dem erheblichen Problem konfrontiert, dass die öffentlich zugänglichen Informationen zu den geförderten Maßnahmen oft sehr begrenzt sind. Zwar hat die Bundesregierung die Transparenz der Klimafinanzierung in den letzten Jahren verbessert. Für eine unabhängige und umfassende qualitative Bewertung der Klimafinanzierung reicht diese Transparenz aber bei weitem nicht aus, sie gibt aber durchaus wertvolle Hinweise auf den Stellenwert dieser Aspekte. Auch bewertet die Analyse nicht die Durchführung der Projekte, da dies den Rahmen der Analyse sprengt und nur mit Erhebungen vor Ort zu realisieren ist.
Untersucht wurden die Projekte der allgemeinen finanziellen und technischen Zusammenarbeit (FZ/TZ) inklusive der Initiative für Klima- und Umweltschutz (IKLU) des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) aus den Jahren 2010 bis 2012. Die in der Datenbank enthaltenen Projekte aus den Jahren 2008 und 2009 sowie aus anderen Finanzierungskanälen (u.a. über CIM, InWent oder nichtstaatliche Akteure) wurden in die Analyse nicht einbezogen. Insgesamt wurden 797 Projekte in die Analyse einbezogen (125 Projekte der IKI, 672 Projekte der allgemeinen FZ/TZ).
Öffentlich verfügbare Informationen sind begrenzt
Bei der Veröffentlichung von Projektbeschreibungen gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen den Finanzierungsinstrumenten. Während die IKI für ihre Projekte eine Projektbeschreibung auf ihrer Website führt, finden sich nur für etwa die Hälfte der vom BMZ geförderten Projekte öffentliche Informationen (siehe Abbildung 1). Diese werden von den Durchführungsorganisationen, vor allem GIZ und KfW, veröffentlicht, nicht aber vom Ministerium selber.
Abbildung 1: Anteil der Projekte mit öffentlich verfügbaren Projektbeschreibungen
Aus der Analyse wird auch deutlich, dass die öffentlich zur Verfügung gestellten Informationen in ihrer Zielsetzung und Informationsgehalt stark variieren. Während die IKI ihre Projektbeschreibungen in erster Linie für eine breite Öffentlichkeit veröffentlicht, liegt der Fokus bei der KfW auf Informationen zu Finanzierungsmodalitäten. Die GIZ-Projektbeschreibungen folgen einem klar strukturierten Rahmen und erlauben einen breiteren Überblick über Ziele und Maßnahmen der Projekte. Die ausführlichsten Informationen finden sich auf Projektwebsites, die z.T. auch Projektskizzen und -planungen selber online stellen.
Die Ergebnisse der Analyse für die einzelnen Projekte sowie die jeweiligen Quellen sind in der Datenbank angegeben, mit dem Ziel, durch Transparenz und Dialog auch die Qualität der Datenbank zu verbessern. Da sich die öffentlich zugänglichen Informationen immer wieder ändern und Quellen nicht in der Bewertung enthalten sein können, können Rückmeldungen und zusätzliche Informationen an datenbank@deutscheklimafinanzierung.de gesendet werden.
Ergebnisse der entwicklungspolitischen Analyse
Partizipation
Genau die Hälfte aller Projekte haben laut verfügbaren Projektbeschreibungen die Beteiligung der lokalen Bevölkerung und/oder zivilgesellschaftlicher Organisationen an Planung, Umsetzung oder Monitoring explizit vorgesehen (IKI 41%, allgemeiner FZ/TZ 53%). Der Schwerpunkt liegt auf der Beteiligung an der Umsetzung, eine Beteiligung an der Planung findet sich selten, eine Beteiligung am Monitoring nur in Ausnahmefällen. Die Beteiligung der Bevölkerung soll dabei überwiegend durch lokale Zusammenschlüsse (z.B. Wassernutzergruppen, Interessensvertretungen), Beteiligung an den Maßnahmen zum Management natürlicher Ressourcen (REDD+- oder Biodiversitätsprojekte) oder Stärkung der politischen Teilhabe erfolgen. Zivilgesellschaftliche Organisationen können Projektpartner, Stakeholder, Mittler zur Bevölkerung sein oder eine beratende Funktion haben. Es gibt allerdings auch Projekte, für die zwar Partizipation in der Planung als Stichwort aufgeführt ist, aber keine konkreten Details, etwa welche gesellschaftlichen Gruppen daran beteiligt sind und wie. Dies reicht nicht für eine positive Wertung.
In Emissionsminderungsprojekten ist zivilgesellschaftliche Partizipation mit 33 Prozent weniger stark vertreten bei als in den Anpassungs- und Waldschutzprojekten (jeweils 63 Prozent). Dies sind in vielen Fällen Energieprojekte, die auf Technologiekooperation, Forschung oder politische Rahmenbedingungen ausgelegt sind. Diese finden sich bei der IKI, aber auch beim BMZ und fokussieren auf Regierungsberatung und die Kooperation mit der Privatwirtschaft. Auch ist die zivilgesellschaftliche Partizipation deutlich schwächer in fragilen Kontexten oder autokratischen Ländern, in denen es kaum zivilgesellschaftliche Organisationen gibt oder ihre Handlungsmöglichkeiten stark eingeschränkt sind, als in Ländern mit starker Zivilgesellschaft.
Gender
Gender findet sich in 26% der Projekte explizit in Zielen oder Maßnahmen. Hier gibt es einen deutlichen Unterschied zwischen der IKI mit 8% und der allgemeinen FZ/TZ mit 33%. Informationen zum Gender Mainstreaming finden sich meist auf den Projektwebsites selber, wenn ausführliche Dokumente zum Projekt selber zur Verfügung. Die Projektbeschreibungen geben Hinweise zu konkreten Maßnahmen für Frauen, Kooperation mit Frauenorganisationen oder aber der Geschlechterdifferenzierung der Zielgruppen in den Maßnahmen. In Projekten mit einem stärkeren Umwelt- bzw. Klimafokus (Energie-, Biodiversitäts- und Waldschutzprojekte) ist Gender weniger stark verankert als in ländlichen Entwicklungs- oder Wasserprojekten, die im Bereich Anpassung zu finden sind.
Schutz und Förderung der Menschenrechte
Bei nur 7% der Projekte ist der Schutz und die Förderung von Menschenrechten ein explizites Projekt- oder entwicklungspolitisches Ziel oder in den geplanten Maßnahmen verankert (9% BMZ, 2% IKI). Allerdings werden andere menschenrechtliche Ansätze wie politische Beteiligungsrechte, Gender und der Fokus auf schutzbedürftige Gruppen in den anderen Kriterien betrachtet. Das Vorliegen möglicher Menschenrechtsverletzungen durch Projekte wurde in der Analyse nicht einbezogen.
Vor allem bei Energieprojekten finden sich kaum Hinweise darauf, dass diese Projekte einen Beitrag zu Schutz und Förderung von Menschenrechten in ihre Ziele integriert haben. Bei den Projekten mit einem breiteren Klima-, Anpassungs- und Biodiversitätsfokus findet sich in der Regel eher internationale Umweltabkommen als Referenzrahmen, nicht aber die internationalen Menschenrechtsabkommen. Nur sehr wenige Waldschutz- bzw. REDD+-Projekte nennen die freiwillig vorab und in Kenntnis der Sachlage gegebene Zustimmung (free prior and informed consent, FPIC) als internationalen Menschenrechtsstandard explizit als vom Projekt verfolgten Ansatz. Die meisten Projekte nutzen weniger klar definierte Begriffe wie die Sicherung von Land- und Zugangsrechten und sehen als Maßnahmen Dialoge mit der Bevölkerung für deren Zustimmung oder Beteiligung an der Umsetzung der Projekte vor. Vereinzelt finden sich in den Projekte Maßnahmen wie Trainings zu menschenrechtlichen Fragen.
Fokus auf schutzbedürftige Gruppen
Insgesamt lässt sich bei 63% der Anpassungsprojekte ein Fokus auf besonders schutzbedürftige Gruppen erkennen. Dies trifft auch bei der IKI bei 50% der Projekte zu. In den anderen Projekten liegt der Fokus auf der Politikberatung oder dem Schutz besonders anfälliger Sektoren. Auch legen Projekte v.a. im Biodiversitätsbereich eher den Fokus auf den Schutz besonders vulnerabler Ökosysteme.
Schlussfolgerungen
Die hier ausgewählten Aspekte erlauben keine umfassende Aussage über die Qualität der über die Klimafinanzierung geförderten Projekte. Im Rahmen einer Erweiterung dieser qualitativen Analyse arbeiten wir an weiteren Kriterien, etwa zur Klimarelevanz der geförderten Maßnahmen bzw. ihrem Beitrag zur Armutsbekämpfung. Sie zeigen aber, dass menschenrechtsbasierte Aspekte noch stärker in den Fokus genommen werden sollten, vor allem von Projekten mit Klima-, Energie- und Biodiversitätsfokus.
Die konsequente Verankerung menschenrechtsbasierter Kriterien ist ein zentraler Baustein für die Verbesserung der Qualität der deutschen Klimafinanzierung. Dies muss sich in der Klimastrategie, den Finanzierungskriterien, den finanzierten Projekten der beteiligten Ministerien widerspiegeln und anhand öffentlich zugänglicher Projektinformationen nachvollziehbar gemacht werden. Die vorliegende Analyse unterstreicht daher ebenfalls noch einmal die Notwendigkeit nach mehr Transparenz in der Klimafinanzierung und leistet damit auch indirekt ein Beitrag zum politischen Dialog über die strategische Ausrichtung der deutschen Klimafinanzierung. Durch eine konsequente Verankerung menschenrechtsbasierter Kriterien für die Klimafinanzierung und die damit geförderten Projekte kann die Bundesregierung einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Qualität der deutschen und internationalen Klimafinanzierung leisten.
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