UNFCCC / 100 Milliarden / Internationale Klimafinanzierung

COP28: Welche Fortschritte sind für die Klimafinanzierung drin?

Wenn demnächst die UN-Weltklimakonferenz COP28 in Dubai ihre Tore öffnet, kann die Klimafinanzierung einer der Schlüssel zum Erfolg werden. Welche konkreten Themen stehen hier an und welche Ergebnisse sind möglich? Ein Überblick.

Die diesjährige UN-Weltklimakonferenz COP28 in Dubai (30. November bis 12. Dezember) findet wie schon die COP27 in Scharm El-Scheich in einer Zeit großer Krisen statt. Der Krieg in der Ukraine oder im Gaza-Streifen haben den geopolitischen Kontext erheblich verändert, aber auch die wachsende Schuldenkrise und sinkende finanzielle Spielräume in vielen der einkommensschwachen Länder verändern die Voraussetzungen für Fortschritte in der weltweiten Klimapolitik, die nach wie vor in gefährlichem Ausmaß völlig unzulänglich bleibt. Kurz vor der COP28 hat das UN-Klimasekretariat analysiert, dass mit den gegenwärtigen Klimaschutzbemühungen der Länder die weltweiten Emissionen bis 2030 noch um rund 9 Prozent (gegenüber 2010) zunehmen werden, obwohl sie eigentlich um rund 45% sinken müssten, um die 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens noch zu halten. Zwar sind Fortschritte denkbar, etwa hinsichtlich der Beschlüsse zur ersten formalen Überprüfung der Umsetzung des Pariser Abkommens (Global Stocktake). Womöglich gelingt es sogar, eine einigermaßen robuste Sprache zu finden für den Ausstieg aus den fossilen Energien. Insgesamt aber gilt: Die Lücke zwischen den Zielen des Pariser Abkommens und der politischen Realität in vielen Ländern bleibt groß – auch in Deutschland.

Die Klimafinanzierung kann hier eine Schlüsselrolle spielen – die Unterstützung der reichen Industrieländer ist integral für die Möglichkeiten der ärmeren Länder, sich an die Veränderungen anzupassen, sich gegen künftige Klimarisiken zu schützen, die klima-kompatible Entwicklung voranzubringen und mit unvermeidlichen Verlusten und Schäden umzugehen. Insofern wären starke Impulse zur Klimafinanzierung von der COP28 wünschenswert.

100 Milliarden und Verdoppelung der Mittel für Anpassung

Dennoch hakt es auch hier. Die OECD hat gerade berichtet, dass die Industrieländer 2021 insgesamt fast 90 Milliarden US-Dollar an Klimafinanzierung bereitgestellt bzw. mobilisiert haben – das ist zwar eine Steigerung gegenüber 2020, erreicht aber nach wie vor nicht das Niveau von jährlich 100 Milliarden US-Dollar, das die reichen Industrieländer ab 2020 für den Zeitraum bis 2025 versprochen hatten. Die Geberländer sind zuversichtlich, dass sie das Niveau von 100 Milliarden US-Dollar spätestens 2023 erreichen werden oder sogar schon 2022 erreicht haben – müssten dafür nun aber eigentlich auf der COP28 belastbare Zahlen vorlegen. Zudem weigern sie sich beharrlich, einen weiteren Anstieg der Mittel zuzusagen, um die Unterfüllung in früheren Jahren in späteren Jahren wieder in Aussicht zu stellen, so dass über den Zeitraum 2020-2025 jährlich 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, insgesamt also 600 Milliarden US-Dollar, zur Verfügung stehen – wie es die Zusage eigentlich suggeriert.

Zudem kommen die Gelder zu mehr als zwei Dritteln in Form von Krediten (viele davon nicht einmal zinsvergünstigt) bei den Empfängerländern an, die sich also weiter verschulden müssen für die Bewältigung einer Krise, die sie oft kaum oder gar nicht mitverursacht haben. Bedenklich ist auch, dass die Mittel für den Bereich Anpassung 2021 gegenüber 2020 zurückgegangen sind – ein weiteres Indiz neben anderen, dass die Geberländer sich dem Ziel, die Mittel für Anpassung bis 2025 zu verdoppeln, derzeit nicht annähern. Dieses Ziel hatte schon die COP26 beschlossen. Die Erfahrung mit dem 100-Milliarden-Ziel zeigt aber, dass es auch verlässliche Umsetzungspläne geben müsste, um ausreichend Sicherheit zu erzeugen, dass Ziele und Zusagen auch erreicht bzw. eingehalten werden. Zur COP28 wären die Industrieländer gut beraten, belastbare Informationen vorzulegen, ob und wie die versprochene Verdoppelung gelingen wird. Interessant: Deutschland könnte die Verdoppelung der deutschen Mittel für Anpassung schaffen – wenn die Klimafinanzierung wie zuletzt weiter ansteigen würde.

Überprüfung des Pariser Abkommens

Für die COP28 ist auch der Abschluss der ersten formalen Überprüfung der Umsetzung des Pariser Abkommens geplant. Dieses Global Stocktake soll alle wesentlichen Bereiche berühren, darunter auch die Klimafinanzierung. In den Arbeitstreffen zur technischen Vorbereitung der Überprüfung wurde die Kritik hinsichtlich des 100-Milliarden-Versprechens (bzw. seiner Nichterfüllung) mehrfach thematisiert. Interessant wird nun, ob im Rahmen dieses Global Stocktake auch konstruktive Vorschläge in die Schlussfolgerungen übernommen werden, wie es hinsichtlich der Klimafinanzierung weitergehen kann. Neben einer Anerkennung künftiger Bedarfe könnte dies auch Themen wie die Mobilisierung bzw. Umlenkung privater Investitionen oder die Senkung der Kapitalkosten für den Ausbau der erneuerbaren Energien in einkommensschwachen Ländern oder den Abbau bestehender Barrieren beim Zugang zu vorhandenen Finanzierungskanälen umfassen. Nicht vermeiden lassen wird sich die Betonung der Bedeutung fortgesetzter finanzieller Unterstützung der reichen Industrieländer für die einkommensschwachen Länder bei der Umsetzung des Pariser Abkommens, wie es auch sein Artikel 4.5 klar formuliert.

Neues Globalziel Klimafinanzierung

Die UN-Klimakonferenz COP29 im Jahr 2024 soll ein neues Globalziel für die Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 festlegen, dass auf dem 100-Milliarden-Ziel aufbauen soll, aber stärker die tatsächlichen Bedarfe der ärmeren Länder berücksichtigen soll. Noch bis zur COP29 werden sich die Regierungen in eigens eingerichteten Technical Expert Dialogues über die verschiedenen Aspekte rund um dieses neue Ziel austauschen, etwa hinsichtlich der Struktur des Zieles oder der kommenden Bedarfe der einkommensschwachen Länder. Die achte dieser Dialogveranstaltungen findet kurz vor der COP28 statt und soll auch eine Art Bestandsaufnahme des bisher Erreichten werden – was dann in einer Minister:innen-Runde politisch diskutiert werden soll. Ob auf der COP28 aber konkret verhandelt wird, um etwa einige prinzipielle Aspekte des Ziels schon beschließen zu können, ist fraglich. Wichtig für das neue Ziel wird insbesondere die Unterscheidung zwischen einer Komponente für die direkte Unterstützung für die ärmeren Länder durch die Industrieländer und einer Komponente zur Mobilisierung bzw. Umschichtung weltweiter Investitionsflüsse. Zudem wäre es vermutlich sinnvoll, ein eigenes Unterziel für den Bereich Anpassung und eines für den Bereich Klimafolgeschäden einzurichten. Schließlich muss geregelt werden, in welchen zyklischen Abständen das Ziel nachjustiert wird, um künftigen Entwicklungen und Veränderungen bei den Bedarfen der ärmeren Ländern Rechnung zu tragen.

Immerhin: Entschädigungsfonds wird wohl eingerichtet

Ein möglicher Erfolg zeichnet sich ab: Die COP28 wird voraussichtlich die Empfehlungen zur Einrichtung eines neuen multilateralen Fonds zur Bewältigung unvermeidlicher Verluste und Schäden infolge des Klimawandels beschließen, die über das vergangene Jahr ein eigens eingerichtetes Transitional Committee ausgearbeitet hat. Dieser Fonds soll nun unter dem Dach der Weltbank entstehen und könnte später Programme in vulnerablen Ländern z.B. zum Wiederaufbau nach Katastrophen oder beim Ausgleich für schleichende Einkommensverluste der Menschen etwa in der Landwirtschaft unterstützen. Interessant wird, welche Länder erste Zusagen oder zumindest doch Absichtserklärungen an den Fonds geben werden. Offenbar bereiten einige Länder der EU eine solche Zusage vor. Auch Deutschland steht hier in der Pflicht.

Außerhalb der formalen Agenda

Neben den formalen Punkten der Verhandlungsagenda dürfte es auch anderswo um die Klimafinanzierung gehen. Zum Beispiel ist mit einer Reihe von Zusagen einzelner Industrieländer für die diversen multilateralen Klimafonds zu rechnen – etwa an den Adaptation Fund oder an den Least Developed Countries Fund. Außerdem sind noch Zusagen einiger Länder für den Green Climate Fund zu erwarten, denn bei weitem nicht alle Länder hatten auf der Wiederauffüllungskonferenz im Oktober Zusagen gemacht.

Auch der Prozess zur Reform der multilateralen Entwicklungsbanken dürfte zumindest am Rande der COP28 wieder Thema werden. Zwar wird hierzu nicht offiziell verhandelt, aber die COP27 hatte die multilateralen Entwicklungsbanken zu stärkerem Engagement aufgefordert. Die zentrale Herausforderung wird hier sein, wie die Entwicklungsbanken in erheblichem Umfang mehr Gelder bereitstellen können, ohne aber die Verschuldung der Empfängerländer weiter zu verschärfen, wie es etwa die Bridgetown-Agenda fordert. Gleichsam müssen die Banken auch ihr eigenes Geschäftsmodell umstellen. Nach wie vor stellt etwa die Weltbank Milliarden für fossile Energien bereit – und konterkariert damit das Pariser Abkommen.

Für die COP28 auch interessant ist die Frage, wie die Bundesregierung weiter mit ihrer Zusage umgeht, die Mittel für die Klimafinanzierung bis 2025 auf mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben. 2022 wurde die Zusage auf dem Papier schon erreicht, aber für 2023 und 2024 sehen Prognosen nun geringere Mittel vor, und auch 2025 soll der Etat des BMZ weiter sinken – aus ihm stammt die Mehrheit der Gelder. Die deutsche Zusage ist damit weiterhin nicht sicher.

Jan Kowalzig, Oxfam
Sabine Minninger, Brot für die Welt
Sven Harmelng, CARE
David Eckstein, Germanwatch