100 Milliarden / UNFCCC

Das 100-Mrd.-Dollar-Ziel bleibt unerreicht: Auswirkungen der kürzlich gemachten Zusagen zur Klimafinanzierung bis 2025

Nachdem das langjährige Versprechen der reichen Länder, die Klimahilfen für ärmere Länder ab 2020 auf 100 Mrd. USD pro Jahr aufzustocken, nicht eingehalten wurde, schätzt Oxfam, dass die kürzlich gemachten Zusagen der Industrieländer nicht einmal ausreichen werden, um das Ziel fünf Jahre später zu erreichen, weshalb sich in den Jahren 2020 bis 2025 ein erheblicher Fehlbetrag anhäufen wird.

Abb. 1: Was kürzlich gemachte Zusagen für die Klimafinanzierung bis 2025 bedeuten

Klimafinanzierung 2020-2025

Die reichen Länder haben nicht nur ihr Versprechen gebrochen, die Finanzhilfen bis 2020 auf 100 Mrd. USD jährlich aufzustocken, um ärmere Länder bei der Bewältigung der Klimakrise zu unterstützen, sondern werden dieses Ziel vielleicht nicht einmal bis 2025 erreichen. Auf Grundlage der kürzlich gemachten Zusagen reicher Länder schätzt Oxfam, dass sich die Klimafinanzierung im Jahr 2025 auf 93-95 Mrd. USD belaufen könnte, wobei der Großteil der öffentlichen Mittel in Form von schuldenstanderhöhenden Krediten bereitgestellt wird. Zudem werden voraussichtlich weiterhin die Finanzhilfen zur Unterstützung der Anpassung an den Klimawandel vernachlässigt: Im Jahr 2025 werden vermutlich nur 26-27 Mrd. USD für Anpassungsmaßnahmen bewilligt. Jedes Jahr, in dem das 100-Mrd.-Dollar-Ziel nicht erreicht wird, erhöht sich der Gesamtfehlbetrag an zugesagter Klimafinanzierung, der von Oxfam für die Jahre 2020-2025 auf 68-75 Mrd. USD geschätzt wird.

Vor einigen Tagen meldete die OECD, dass die Klimafinanzierung der Industrieländer zur Unterstützung der Klimaschutzmaßnahmen von Entwicklungsländern auf 79,6 Mrd. USD angestiegen sei – was gerade mal einer 2%igen Erhöhung gegenüber 2018 entspricht. Davon wurden 20,1 Mrd. USD für Anpassung ausgegeben, was bedeutet, dass die Bedürfnisse der am meisten gefährdeten Länder weiterhin vernachlässigt wurden. Rund 70 Prozent der öffentlichen Finanzierung erfolgte in Form von schuldenstanderhöhenden Krediten.

Auch wenn die offiziellen Daten zur Klimafinanzierung 2020 erst nächstes Jahr vorliegen, ist mit großer Sicherheit davon auszugehen, dass die Industrieländer die Frist für die Aufstockung der Klimafinanzierung auf 100 Mrd. USD jährlich ab 2020 nicht eingehalten haben. Diese Frist war 2009 versprochen und seither auf nahezu jeder großen UN-Klimakonferenz erneut bestätigt worden. Auf dem UN-Klimagipfel 2015 in Paris war entschieden worden, dass dieses Ziel bis 2025 gelten sollte, um dann für die Zeit danach neue Ziele festzulegen.

Mittlerweile ist das 100-Mrd.-Dollar-Versprechen zu einem wesentlichen Element im behutsam geschaffenen Vertrauensverhältnis zwischen den reichen und armen Ländern im internationalen Klimaregime geworden – was vermutlich eine Erklärung dafür ist, dass die Industrieländer trotz der schon seit einiger Zeit aus den Daten abzulesenden Trends unbeirrt an ihrem Mantra festhalten, auf dem besten Weg zu sein, ihr Versprechen zu halten.

Jüngste Zusagen zur Klimafinanzierung nach 2020: ein sehr durchwachsenes Bild

Erfreulicherweise haben wenigstens einige inzwischen verstanden, dass sie dieses Narrativ nicht länger aufrechterhalten können und für die Zeit nach 2020 neue Zusagen bezüglich ihrer Klimafinanzierung gemacht. Beispielsweise kündigte Großbritannien an, seine Klimafinanzierung bis 2025 im Vergleich zu den letzten fünf Jahren zu verdoppeln (bevor zu große Freude ausbricht, muss gesagt werden, dass dies mit massiven Kürzungen der Entwicklungshilfe einhergeht). Deutschland hat zugesagt, die Klimafinanzierung spätestens 2025 „von 4 auf 6 Milliarden“ pro Jahr zu erhöhen (wobei unklar ist, worauf sich diese sechs Milliarden Euro beziehen). Die USA sagten zu, ihre jährlichen Hilfen bis 2024 im Vergleich zum jährlichen Durchschnitt in den Jahren 2013 bis 2016 zu verdoppeln (begrüßenswert, aber angesichts der US-Wirtschaftskraft und der hohen Verantwortung des Landes bei der Verursachung der Klimakrise von vielen als unzureichend erachtet). Australiens Zusage, in den nächsten fünf Jahren 1,5 Mrd. AUD bereitzustellen, ist keine Erhöhung gegenüber den gegenwärtigen Zahlungen. Dasselbe gilt für die 6 Mrd. Euro pro Jahr von Frankreich und die jährlichen 1,3 Bill. Yen von Japan. Viele Länder haben bisher noch keine neuen Zusagen gemacht, darunter das G7-Land Italien sowie Neuseeland, Spanien, Norwegen und Schweden. Einige Länder (z.B. Dänemark oder die Schweiz) haben Pläne zu ihrer Klimafinanzierung gemacht, diese aber noch nicht auf hochrangigen Veranstaltungen bekanntgegeben. Sie könnten aber zu einem (leichten) Anstieg beitragen.

Klimafinanzierung bis 2025

Oxfam hat jetzt überschlagen, worauf sich all diese Zusagen und Pläne bis 2025 belaufen könnten, indem die Erhöhungen bei der Klimafinanzierung der einzelnen Länder und der multilateralen Entwicklungsbanken bis 2025 gegenüber den Hilfen von 2019 geschätzt wurden. Bei den Ländern, die noch keine Pläne oder höhere Zusagen verlauten ließen, wurde angenommen, dass sie ihre gegenwärtigen Hilfszahlungen in unveränderter Höhe weiterhin leisten. Zudem ging Oxfam davon aus, dass die jährlichen Leistungen der multilateralen Klimafonds oder die Mobilisierung von Privatkapital auf dem gegenwärtigen Stand verbleibt – da die Industrieländer sich nicht bemüht haben, diese beiden Bestandteile in der 100-Mrd.-Dollar-Bilanz zu stärken. Eine Erläuterung der Methodik findet sich hier und das Datenblatt mit den Ergebnisse ist hier zu finden.

Oxfam schätzt, dass 2025 insgesamt vielleicht 14-16 Mrd. USD mehr bereitgestellt werden als 2019, womit sich die Klimafinanzierung bis 2025 auf eine jährliche Gesamtsumme von 93-95 Mrd. USD beläuft – vorausgesetzt, dass die Länder sich an ihre Pläne und Zusagen halten und die Länder, die sich bisher noch nicht geäußert haben, ihre derzeitigen Zahlungen tatsächlich aufrechterhalten. Das bedeutet, dass die Industrieländer nicht nur 2020 die zugesagte Höhe an Klimafinanzierung verfehlen, sondern ihr Ziel nicht einmal fünf Jahre später am Ende des Zeitraums von 2020 bis 2025 erreichen.

Des Weiteren schätzt Oxfam, dass die Anpassungsfinanzierung bis 2025 jährlich 26-27 Mrd. USD (von der Gesamtsumme) betragen könnte, was deutlich macht, dass Anpassungsmaßnahmen weiterhin erheblich unterfinanziert sind, was die am meisten gefährdeten Länder in eine immer schwierigere Lage bringt. Ein weitere Hauptsorge bereitet die Tatsache, dass ein Großteil der öffentlichen Finanzierung in Form von Krediten geleistet wird – und das wird sich bis 2025 fortsetzen, wodurch sich ärmere Länder, von denen viele wenig oder gar nichts zur Klimakrise beigetragen haben, noch weiter verschulden müssen.

Zwischen 2020 und 2025 auflaufender Fehlbetrag

Wenn das 100-Mrd.-Dollar-Ziel auch über die Jahre 2020 bis 2025 unerfüllt bleibt, werden die Entwicklungsländer in jedem einzelnen dieser Jahre weniger Unterstützung erhalten, als die Industrieländer bereitstellen und mobilisieren wollten. In einer dritten Schätzung errechnete Oxfam den Fehlbetrag in der Klimafinanzierung, der über die Jahre 2020 bis 2025 aufläuft, wenn das 100-Mrd.-Dollar-Ziel weiterhin nicht erreicht wird.

Von einem linearen Anstieg der Klimafinanzierung vom Stand im Jahr 2019 auf die geschätzte Höhe im Jahr 2025 ausgehend, könnte von 2020 bis 2025 ein Fehlbetrag von 68-75 Mrd. USD zusammenkommen. Statt sechs Mal 100 Mrd. USD würden die Industrieländer in dem Zeitraum von sechs Jahren nur 525-532 Mrd. USD bereitstellen. Natürlich könnte das Erreichen des 100-Mrd.-Dollar-Ziels in irgendeinem Jahr zwischen heute und 2025 in Abhängigkeit davon, wann es passiert, den auflaufenden Fehlbetrag erheblich reduzieren.

Die Industrieländer können das korrigieren – wenn sie nur wollen

Dass die Industrieländer ihr 100-Mrd.-Dollar-Versprechen bisher nicht eingehalten haben, ist zum größten Teil auf fehlenden politischen Willen zurückzuführen. Wie die Vergangenheit gezeigt hat, sind fortgesetzte Lippenbekenntnisse, die Ziele erfüllen zu wollen, und eine Umsetzung der Ziele durch klare Verpflichtungen in den nationalen Haushaltsplänen zwei verschiedene Paar Schuhe.

Jetzt wurden der deutsche Staatssekretär Jochen Flasbarth und der kanadische Umweltminister Jonathan Wilkinson von der britischen COP26-Präsidentschaft gebeten, unter den Industrieländern einen Prozess in die Wege zu leiten, um einen „Erfüllungsplan“ zum 100-Mrd.-Dollar-Versprechen zu erarbeiten und diesen noch vor dem anstehenden UN-Klimagipfel in Glasgow vorzustellen.

Solch ein Erfüllungsplan wird nur von Erfolg gekrönt sein, wenn die Industrieländer, die Zusagen (weit) unter ihrem gerechten Anteil gemacht haben (z.B. die USA oder Australien), ihre Zusagen noch erhöhen, und Länder, die bisher noch keine Zusagen gemacht haben (z.B. Italien und Spanien), jetzt welche machen. Entscheidend dabei ist auch, dass mit diesen Zusagen der Anteil der Zuschüsse zunehmen muss – werden die Gesamtmittel einfach nur durch weitere Kredite erhöht, werden Entwicklungsländer nur in eine immer größere Verschuldung getrieben; zudem werden Kredite wahrscheinlich wenig zur Unterstützung dringend erforderlicher Anpassungsmaßnahmen beitragen.

Ein Schlüsselelement des Plans wäre eine Verpflichtung der Industrieländer, den Anteil der Klimafinanzierung zu erhöhen, der für die Unterstützung von Anpassungsmaßnahmen bewilligt wird. Idealerweise sollten sich die Industrieländer im Rahmen dieses Erfüllungsplans verpflichten, diesen Anteil bis 2025 so weit zu erhöhen, dass dann 50 Prozent der gesamten Klimafinanzierung in die Anpassung fließt. Da das mobilisierte Privatkapital und die als Kredit bewilligten Hilfen wahrscheinlich in die Bemühungen um eine Eindämmung des Klimawandels fließen werden, müssten die in den Haushalten der Industrieländer für Klimafinanzierung eingeplanten Gelder einen entsprechend höheren Anteil für Anpassungsmaßnahmen vorsehen.

Im Erfüllungsplan sollte auch der oben beschriebene Fehlbetrag anerkannt werden und es sollte ein weiterer Plan erstellt werden, wie die fehlenden Mittel für die Jahre, in denen das 100-Mrd.-Dollar-Ziel nicht erreicht wurde, kompensiert werden können.

Und schließlich könnten die Industrieländer den Erfüllungsplan dazu nutzen, um einige der wesentlichen Punkte für die Aushandlung des neuen Klimafinanzierungsziels aufzustellen, das auf dem 100-Mrd.-Dollar-Ziel aufbaut und für die Jahre ab 2025 gelten soll. Beispielsweise sollten die Industrieländer schon jetzt anerkennen, dass die öffentliche Finanzierung weiter erhöht werden muss, dass das neue Ziel eine Reihe wichtiger Unterziele beinhalten sollte, wie beispielsweise das spezifische Ziel, Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Zudem sollte der Plan Vorgaben zum zunehmenden Finanzbedarf für Maßnahmen gegen die unvermeidlichen klimawandelbedingten Schäden und Verluste (und deren Behebung) enthalten.

Der „Erfüllungsplan“ wird demnächst aus den Beratungen hervorgehen, die derzeit von Deutschland und Kanada geführt werden. Wenn er weit im Vorfeld der COP26 vorliegt und aufzeigt, wie und bis wann das 100-Mrd.-Dollar-Ziel endlich erreicht wird, könnte er wesentlich zu einer erfolgreichen COP in Glasgow beitragen. Sollte sich andererseits herausstellen, dass die reichen Länder nicht bereit sind, mehr Geld zu geben, könnte das Vertrauen in die internationale Klimapolitik jedes Jahr, in dem das 100-Mrd.-Dollar-Ziel verfehlt wird, schwerer beschädigt werden.

Jan Kowalzig, Oxfam