Deutsche Klimafinanzierung
Klimafinanzierung: Was bieten die Parteien zur Bundestagswahl?
In der kommenden Legislaturperiode wird sich entscheiden, ob die Welt die schlimmsten Szenarien der Klimakrise noch in den Griff bekommt. Für die notwendigen Weichenstellungen, um die globale Erwärmung (wie im Pariser Abkommen vorgesehen) auf unter 1,5°C zu begrenzen, bleiben nur wenige Jahre.
Eine der wichtigen Stellschrauben für die Bewältigung der globalen Klimakrise ist auch die Bereitschaft der reichen Länder, ihren völkerrechtlichen Verpflichtungen zur finanziellen Unterstützung der ärmeren Länder bei Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen nachzukommen. Aber: das Ziel der Industrieländer, die Klimafinanzierung auf zusammen 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu steigern, ist bislang unerreicht.
Es lohnt sich also ein Blick in die Wahlprogramme. Welche Parteien stehen für eine Steigerung der Klimafinanzierung, um das 100-Milliarden-Ziel zu erreichen? Wie sieht es mit dem übergeordneten Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für die Entwicklungszusammenarbeit bereitzustellen und davon 0,2% des BNEs für die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries)? Welche Parteien erkennen den wachsenden Finanzbedarf für die Bewältigung von Verlusten und Schäden infolge der Klimakrise an? Also: Was haben die Parteien zur Klimafinanzierung anzubieten?
Zwischen Steigern, Weiter-So, Ablenken und Ausfall
Immerhin: Entwicklungszusammenarbeit und der internationale Klimaschutz werden bei CDU/CSU im Wahlprogramm bereits im Eingangskapitel aufgerufen. Auch am 0,7%-Ziel hält die Union fest, welches sie allerdings in den unionsgeführten Regierungen der letzten acht Jahre nur 2017 erreicht hat. Seither sinkt die ODA-Quote kontinuierlich, und auch die aktuelle Finanzplanung der Bundesregierung für die kommenden Jahre spiegelt das Bekenntnis zum 0,7%-Ziel nicht wieder.
Für die Klimafinanzierung hat die Union offenbar nur ein Weiter-So in Planung. Zwar taucht das Stichwort auf, aber nur als Allgemeinplatz, der die gegenwärtige Situation beschreibt. Eine Bereitschaft zu einer Steigerung der Klimafinanzierung ist nicht zu erkennen – zumindest nicht über die auf dem diesjährigen G7-Gipfel zugesagten Gelder hinaus.
Hinsichtlich geographischer Schwerpunkte für die Entwicklungszusammenarbeit allgemein richtet das Programm von CDU/CSU zwar den Blick auf die “am wenigsten entwickelten Länder” (Least Developed Countries), bei der Klimafinanzierung soll der Fokus aber auf asiatische, arabische und lateinamerikanische Länder gesetzt werden. Afrika bleibt hier offenbar außen vor – und ein Fokus auf besonders von der Klimakrise betroffene Länder fehlt völlig.
Etwas Sorge macht die Forderung nach Berücksichtigung „internationaler Erfolge beim Klimaschutz auch in nationalen Klimabilanzen“. Das verweist nicht nur auf die Hoffnung, in Deutschland die Transformation verzögern und sich stattdessen Klimaschutz, zu dem Deutschland in anderen Ländern beiträgt, auf die eigenen Ziele anrechnen lassen zu können. Möchte die Union hier auch geleistete Klimafinanzierung im Bereich Emissionsminderung auf deutsche Klimaziele anrechnen?
Es verwundert nicht, dass Bündnis 90 / Die Grünen sich in ihrer Klimapolitik deutlich von der Union absetzen wollen. Dies spiegelt sich auch bei der Klimafinanzierung im Wahlprogramm der Grünen wider. Insgesamt soll die Entwicklungszusammenarbeit entlang der UN-Nachhaltigkeitsziele und des Pariser Abkommens ausgerichtet werden. Als einzige Partei bekennen sich die Grünen nicht nur zum 0,7%-Ziel, sondern legen mit 2025 auch das Jahr fest, bis zu dem es erreicht werden soll. Zudem erwähnen die Grünen auch die Zusage zur Förderung von Biodiversität und Artenschutz in den ärmeren Ländern (vermutlich meinen sie damit die Zusage Deutschlands von 2008 über jährlich 500 Mio. Euro ab 2012). Für die Klimafinanzierung nennen die Grünen als einzige Partei ein konkretes Zielniveau: 10 Milliarden Euro, zusätzlich zu den Ausgaben zur Erreichung des 0,7%-Ziels.
Erfrischend: Die Grünen wollen zudem nicht nur die multilateralen Klimafonds stärken, sondern auch einen neuen Fonds einrichten zum Ausgleich für unvermeidbare Verluste und Schäden infolge des Klimawandels in den ärmeren Ländern. Schließlich soll die Förderung fossiler Energieträger nicht nur in der Entwicklungsfinanzierung, sondern auch in der Außenwirtschaftsförderung beendet werden.
Auch die SPD bekennt sich in ihrem Wahlprogramm zum 0,7%-Ziel, das sie allerdings während ihrer Regierungsverantwortung gemeinsam mit der Union in den vergangenen beiden Legislaturperioden nur 2017 erreicht hat. Seither ist die ODA-Quote kontinuierlich gesunken und die Haushaltseckpunkte für die nächsten Jahren versprechen kaum Besserung – unter einem SPD-geführten Finanzministerium. Auch das 0,2%-Ziel für die ärmsten Länder kommt vor, wurde unter der Großen Koalition der vergangenen acht Jahre aber nie erreicht.
Zur Klimafinanzierung findet sich kaum Brauchbares im SPD-Wahlprogramm, das lediglich feststellt, dass die Länder des Globalen Südens bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützt werden sollen – eine eher leere Aussage, denn die Klimafinanzierung ist schon seit Jahren ein wichtiger Bestandteil der deutschen Entwicklungsfinanzierung und Deutschland zu dieser Unterstützung auch völkerrechtlich seit 1992 verpflichtet. Ein Bekenntnis zur notwendigen Steigerung der Unterstützung für Klimaschutz und Anpassung in den ärmeren Ländern (über die kürzliche Zusage auf dem G7-Gipfel hinaus) fehlt; ein entsprechender Änderungsantrag wurde auf dem SPD-Parteitag bei der Verabschiedung des Wahlprogramms abgelehnt.
In ihrem Wahlprogramm spricht sich DIE LINKE für die Erhöhung der Klimafinanzierung aus, damit der Globale Süden “seine Entwicklung klimaneutral und gerecht gestalten kann.” Quantifiziert oder anderweitig unterfüttert wird diese Forderung allerdings nicht weiter. Auch die Gelder für die allgemeine Entwicklungszusammenarbeit sollen “auf die zugesagten Summen” steigen – das dürfte sich auf das 0,7%-Ziel beziehen, auch wenn das Ziel selber nicht genannt wird.
Interessant ist der Vorschlag, auf UN-Ebene einen “Kompensationsfonds für die Folgen von Klimawandel und Kolonialismus ein[zu]richten, der von den Industriestaaten finanziert wird.” In diesen Fonds sollen “ehemalige Kolonialmächte mehr einzahlen als andere Staaten”, und entsprechende Finanztransfers sollen jährlich erhöht werden. Inhaltlich knüpft diese Forderung an die Debatte über die Bewältigung von Verlusten und Schäden an und unterstützt damit eine wichtige Forderung vieler Akteure aus besonders betroffenen ärmeren Ländern.
Als einzige Partei (außer der AfD) erwähnt die FDP die Klimafinanzierung in ihrem Wahlprogramm überhaupt nicht, was angesichts der zentralen Rolle dieses Themas in der internationalen Klimapolitik ein echtes Versäumnis ist. Immerhin bekennt sich die FDP zu den UN-Nachhaltigkeitszielen und zum Pariser Klima-Abkommen – und damit indirekt auch zu den darin verankerten Verpflichtungen zur Klimafinanzierung. Statt sich zur Notwendigkeit einer Steigerung der Klimafinanzierung oder auch nur zum nach wie vor unerreichten 0,7%-Ziel der Entwicklungsfinanzierung zu bekennen, möchte die FDP “Qualität statt Quantität” und öffentliche Gelder zur Hebelung von Privatinvestitionen nutzen. Explizit erwähnt wird hingegen das 0,2%-Ziel für die am wenigsten entwickelten Länder, wenn auch mit dem wenig ehrgeizigen Zeithorizont bis 2030 – dabei brauchen gerade die ärmsten Länder die zugesagte Unterstützung, um durch Anpassung an die klimatischen Veränderungen ihre Resilienz zu erhöhen und künftige Schäden und Verluste zu begrenzen.
Die AfD nimmt insofern eine Sonderrolle ein, als dass sie den wissenschaftlich längst robust belegten Einfluss des Menschen auf den Klimawandel auch in ihrem Wahlprogramm leugnet und das Pariser Abkommen aufkündigen möchte. Kein Wunder also, dass zur Klimafinanzierung nichts zu finden ist. In der allgemeinen Entwicklungszusammenarbeit sollen zudem die Partnerländer zu einer Eigenbeteiligung von mindestens 51 Prozent verpflichtet und die Entwicklungspolitik insgesamt mehr an deutschen Interessen ausgerichtet und auf ausgewählte Länder konzentriert werden – eine deutliche Abkehr von der Idee eines Deutschlands in globaler Verantwortung.
Und nun?
Nach den derzeitigen Umfragen wird die Bundestagswahl in jedem Fall zu einer neuen Koalition führen – mindestens einer der beiden derzeitigen Regierungsparteien wird wieder in der Regierung sein, was für die Klimafinanzierung zumindest ein gewisses Maß eine Kontinuität mit allerdings nur mäßigem Ehrgeiz bedeuten könnte. Sollte es zu einer Rot-Grün-Rot-Koalition kommen, dürfte das der Klimafinanzierung spürbaren Aufwind bringen. Dies legen zumindest die Aussagen in den Wahlprogrammen nahe. Sollte die FDP mit am Verhandlungstisch für die kommenden Koalitionsgespräche sitzen und sich in der Sache einschalten, dürfte die Partei zum Blockierer wäre mit einem Wachstum über die kürzliche G7-Zusage hinaus wohl nur dann zu rechnen, wenn die Grünen mit dabei sind und das Thema sehr stark forcieren.
Sven Harmeling, CARE
Jan Kowalzig, Oxfam