Internationale Klimafinanzierung / Transparenz / Zusagen

Vor G7-Gipfel: Den Prognosen zur Klimafinanzierung der Industrieländer fehlt es an Klarheit und Vorhersagbarkeit

Bei der 21. Vertragsstaatenkonferenz (COP21) im Jahr 2015 in Paris haben sich die Industrieländer verpflichtet, Klimamaßnahmen in den Entwicklungsländern zu unterstützen, indem sie ab 2020 jährlich mindestens 100 Milliarden US-Dollar bereitstellen und mobilisieren. Diese Finanzierung war ein integraler Bestandteil des globalen Klimaabkommens, und die Nichteinhaltung dieses Versprechens wird sowohl die Umsetzung des Pariser Abkommens untergraben als auch zukünftige globale Klimaverhandlungen erschweren.

Artikel 9.5 des Pariser Abkommens verpflichtet zur Berichterstattung über zukünftige Finanzen

Gemäß Artikel 9.5 des Pariser Abkommens sind Industrieländer verpflichtet, der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) Informationen über ihre geplante zukünftige Klimafinanzierung zu übermitteln. Die erste Einreichung war bis Ende 2020 fällig. 23 Industrieländer sowie die Europäische Union haben sie bisher vorgelegt. Da sich die Industrieländer dagegen sträubten, ihre Klimafinanzierungspläne durch die Nationally Determined Contributions (NDCs) zu kommunizieren, müssen diese Berichte zu Artikel 9.5 als Hauptkanal für Entwicklungsländer angesehen werden, um zu erfahren, welche Klimafinanzierung in den kommenden Jahren zu erwarten ist.

Zentrale Ergebnisse der Überprüfung der Ländereinreichungen zu Artikel 9.5

CARE hat diese Berichte in seiner neuen Veröffentlichung „Hollow Commitments“ analysiert und das Gesamtbild ist sehr klar: Reiche Länder liefern keine verlässlichen Belege dafür, dass sie das versprochene 100-Milliarden-Dollar-Ziel ab 2020 erreichen werden. Man könnte erwarten, dass angesichts der von der OECD attestierten Lücke von mindestens 20 Milliarden Dollar diese Berichte erst recht mehr Klarheit für die Zukunft zeigen würden. Angemessen wäre sicherzustellen, dass ihre kürzlich vorgelegten Berichte genau zeigen, um wie viel jedes Land seine eigene Klimafinanzierung erhöhen würde, um sein gemeinsames Ziel zu erreichen. Doch nur drei Länder, nämlich Luxemburg, Neuseeland und Großbrittannien, haben Zahlen vorgelegt, die eine geplante Erhöhung ihrer Klimafinanzierung über mehrere Jahre belegen. Infolgedessen deuten die von den reichen Ländern bereitgestellten Informationen darauf hin, dass die internationale Klimafinanzierung 2021 und 2022 nur um 1,6 Milliarden US-Dollar steigen wird, verglichen mit dem Betrag im Jahr 2019. Die meisten Länder machten fast keine quantitativen Angaben zu indikativen künftigen Unterstützungsniveaus, obwohl dies der Hauptzweck der Berichterstattung war. Darüber hinaus gab kein Land Auskunft darüber, was seiner Meinung nach der angemessene Anteil an den 100 Milliarden US-Dollar wäre, wie eine solche Zahl festgelegt wurde und wie und wann sie sie erfüllen würden. Indikative Zahlen und Pläne, die die zukünftige Klimafinanzierung aufzeigen, sind nicht nur wichtig, um sicherzustellen, dass reiche Länder ihren kollektiven Verpflichtungen nachkommen. Diese Informationen sind auch für Entwicklungsländer von entscheidender Bedeutung, da sie es ihnen ermöglichen, Maßnahmen zur Anpassung, Eindämmung und zum Aufbau von Resilienz zu planen und durchzuführen. Man kann Entwicklungsländer nicht dazu auffordern, erhebliche und oft knappe eigene Ressourcen für die Planung von Maßnahmen aufzuwenden, wenn die Aussicht auf finanzielle Verpflichtungen zu ihrer Unterstützung ungewiss bleibt.

Die Pariser Erklärung zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit von 2005, zu der sich alle Industrieländer verpflichtet haben, hat eine Reihe grundlegender Leitlinien für eine erfolgreiche Entwicklungszusammenarbeit geschaffen. In der Erklärung wird unterstrichen, dass Vorhersehbarkeit und Verpflichtungen über mehrere Jahre hinweg entscheidende Faktoren für eine wirksame Unterstützung sind. Die Notwendigkeit der Vorhersehbarkeit der Klimafinanzierung wurde auch in den Beschlüssen der COP24 im Jahr 2018 betont, mit denen klargestellt werden sollte, welche Informationen reiche Länder in ihren zukünftigen Klimafinanzierungsplänen bereitstellen sollten.

Was steckt in Deutschlands Bericht zu Artikel 9.5?

CARE’s Auswertung zu Deutschlands Bericht zu Artikel 9.5 (enthalten im EU-Gesamtbericht) sieht das Land nicht in der Spitzengruppe. Es erreichte nur 4 von 10 möglichen Punkten, womit Deutschland in einer Gruppe von mehreren Ländern auf Rang 7 liegt. Deutschlands zweijährliche Mitteilung unternimmt wenig Anstrengungen, um die Berechenbarkeit seiner zukünftigen Klimafinanzierung für Entwicklungsländer sicherzustellen. Die Vorlage enthält keine erweiterten quantitativen Informationen, um zukünftige Bestimmungen klimarelevanter Finanzmittel zu skizzieren, sondern bezieht sich nur auf bestehende mehrjährige Verpflichtungen gegenüber multilateralen Institutionen. Deutschland hat daher keine Angaben gemacht, die darauf hindeuten, dass seine künftige Bereitstellung der Klimafinanzierung einen Fortschritt über die bisherigen Bemühungen hinaus darstellen wird. Die Mitteilung bietet keine Klarheit darüber, was als ausgewogene Mittelzuweisung für Anpassungs- und Minderungsziele angesehen wird. Was die zu finanzierenden Projekte, Programme und Empfängerländer angeht, fehlen ausreichende Details, um die Vorhersehbarkeit zu erhöhen. In der Einreichung heißt es, dass die Unterstützung der am wenigsten entwickelten Ländern (Least Developed Countries, LDC) und den kleinen Inselstaaten (Small Island Developing States, SIDS) weiterhin eine hohe Priorität für die deutsche Regierung haben werden, ohne jedoch mehr Informationen über deren Unterstützung anzubieten. Schließlich definiert der Bericht die Zusätzlichkeit im Einklang mit Inhalt und Sinn der im Rahmen der UNFCCC eingegangenen Verpflichtungen nicht weiter. Da Deutschland sowohl in der ODA- als auch in der Klimafinanzierung weltweit zu den größten Beitragenden gehört, könnte ein Mangel an Klarheit hinsichtlich der Zusätzlichkeit die Berechenbarkeit der Klimaförderung in Entwicklungsländern stark einschränken.

Tabelle: Detaillierte Bewertung des deutschen Berichts gemäß Artikel 9.5

Quelle: CARE (2021): Hollow Commitments: An analysis of developed countries’ climate finance plans.

 

Empfehlungen

Aus den Erkenntnissen leitet der Bericht folgende Empfehlungen ab:

  1. Vor der COP26 im November 2021 sollten die Industrieländer einen klaren Fahrplan und eine Vereinbarung zur Lastenteilung ausarbeiten, die den gerechten Anteil jedes Landes an der Finanzzusage in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar festlegt und sicherstellt, dass sie gemeinsam ihren Verpflichtungen zur Klimafinanzierung nachkommen. Dies sollte beinhalten, wie ein Gleichgewicht zwischen Unterstützung für Anpassung und Minderung erreicht werden kann, wobei bis spätestens 2023 mindestens 50 % der Finanzmittel in Anpassung fließen sollten.
  2. Alle Länder, insbesondere große Geber wie die G7-Staaten, sollten ihre öffentliche Klimafinanzierung bis 2025 mindestens verdoppeln.
  3. Jedes Industrieland sollte seine Anstrengungen zur Planung seiner zukünftigen Klimahilfe verdoppeln, um sowohl die Vorhersehbarkeit zu gewährleisten als auch den am stärksten gefährdeten Ländern und Menschen Priorität einzuräumen.
  4. Die von den Industrieländern bereitgestellte Klimafinanzierung sollte neu und zusätzlich zu ihren Verpflichtungen der öffentlichen Entwicklungshilfe (ODA) sein.
  5. Bei der Einreichung ihrer nächsten zweijährlichen Mitteilungen zu den voraussichtlichen Klimafinanzierungen bis Ende 2022 sollten die Industrieländer sicherstellen, dass sie ihr Möglichstes tun, um die Beschlüsse der COP24 zu respektieren und die angeforderten Informationen vollständig bereitzustellen.

Speziell für Deutschland ist der bevorstehende G7-Gipfel vom 11.-13. Juni 2021 eine Gelegenheit, der internationalen Gemeinschaft anzukündigen, die Klimafinanzierung in den nächsten Jahren insbesondere für die Anpassung deutlich zu erhöhen, um eine Lücke zu schließen, die der offizielle Bericht nicht gefüllt hat. Es besteht breiter Konsens in der deutschen Zivilgesellschaft, dass eine weitere Verdoppelung der deutschen Klimafinanzierung – auf jährlich 8 Mrd. Euro Haushaltsfinanzierung bis 2025 – ein angemessenes Signal wäre, zur dringend notwendigen Ausweitung von Klimamaßnahmen in Entwicklungsländern beizutragen.

Sven Harmeling, CARE

Ganzen Bericht lesen (in englischer Sprache): Hollow Commitments von CARE