Deutsche Klimafinanzierung / 100 Milliarden / Zusagen

Klimafinanzierung beim Petersberger Klimadialog: Prüfstein für Deutschlands Solidarität mit dem Globalen Süden

Bereits zweimal – zuletzt auf dem Leaders Summit on Climate – hat Kanzlerin Merkel vage bestätigt, dass Deutschland in den nächsten Jahren einen gerechten Beitrag zur Klimafinanzierung leisten wird. Um sich nicht ein drittes Mal zu wiederholen, sollte sie den Petersberger Klimadialog dazu nutzen, die allgemeine Bestätigung durch eine konkrete Zusage zu ergänzen

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel diese Woche Minister*innen aus rund 40 Ländern zum Petersberger Klimadialog 2021 begrüßt, wird das Publikum aufmerksam zuhören, ob sie eine signifikante Erhöhung der dringend benötigten Finanzhilfen für Entwicklungsländer zur Bewältigung der Klimakrise zusagt.

Diese Woche steht, was Klimafinanzierung angeht, die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung auf dem Prüfstand. Vor mehr als zehn Jahren versprachen die reichen Länder, die Finanzhilfen für Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen in ärmeren Ländern bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr aufzustocken. Die offiziellen Angaben aus den von den Industrieländern selbst erstellten Berichten zu ihrer Klimafinanzierung für das Jahr 2020 werden erst nächstes Jahr veröffentlicht. Extrapoliert man die Entwicklungen der Vergangenheit und fügt die vorliegenden länderspezifischen Daten zur geplanten Höhe der Finanzhilfen für 2020 hinzu, scheint es unwahrscheinlich, dass das Ziel erreicht wurde. Zu diesem Ergebnis kam auch die Independent Expert Group on Climate Finance in ihrem Bericht an die Vereinten Nationen.

Ist das 100-Mrd.-USD-Ziel unerreichbar?

Das sind alles andere als gute Nachrichten. Das 100-Milliarden-Ziel war seit 2009 eine zentrale Säule der internationalen Klimapolitik. Das Ziel nicht zu erreichen dürfte das sorgfältig austarierte Vertrauensverhältnis zwischen den Industrie- und Entwicklungsländern im Pariser Abkommen ernsthaft stören. Gleichzeitig steigt der Finanzbedarf in den Entwicklungsländern. Die Folgen des Klimawandels werden heute als weit schwerwiegender erachtet als 2009 bei der Festlegung der 100-Milliarden-Ziels. Damit steigen auch die Kosten für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel, um Menschen und ihre Existenzgrundlagen zu schützen. Nach Schätzungen des UN-Umweltprogramms könnten die Anpassungskosten bis 2030 auf bis zu 300 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen. Bangladesch, eines der besonders betroffenen Länder, berichtet heute schon von jährlichen Ausgaben in Höhe von fünf Milliarden US-Dollar für Anpassungsprogramme. Zudem war das 100-Milliarden-Ziel festgelegt worden, als für die Begrenzung der Erderwärmung noch ein 2-Grad-Ziel diskutiert wurde. Im Pariser Klimaabkommen, das auf einem besseren Verständnis für die Schwere der Risiken basiert, wurde aber festgelegt, die Erderwärmung auf maximal 1,5°C zu begrenzen. Das wirkt sich auf Geschwindigkeit und Umfang aus, mit denen die Welt die Emissionen auf Null bringen muss, und damit auch auf die von den Entwicklungsländern zusätzlich benötigten Finanzhilfen.

Erfreulicherweise haben einige Länder die Dringlichkeit erkannt – zuletzt auch die Vereinigten Staaten, die auf ihrem Leaders Summit on Climate nicht nur mehr Ehrgeiz im Klimaschutz unter dem Pariser Abkommen zusagten, sondern auch , ihre öffentliche Klimafinanzierung bis 2024 zu verdoppeln (gegenüber den Zahlen von 2013 bis 2016). Schon zuvor hatte Großbritannien, das die Präsidentschaft für den nächsten UN-Klimagipfel COP29 innehat, die Zusage gemacht, in den nächsten fünf Jahren seinen Beitrag zur Klimafinanzierung zu verdoppeln. Im Bemühen um eine erfolgreiche COP26 hat Großbritannien zudem alle Industrieländer aufgefordert, eine Aufstockung ihrer Klimafinanzierung zuzusagen, um das 100-Milliarden-Ziel nicht nur zu erreichen, sondern idealerweise auch zu übertreffen. Auch UN-Generalsekretär António Guterres hatte kürzlich die G7-Länder zu neuen Zusagen gedrängt.

Jetzt ist Deutschland an der Reihe

Mit dem im von Deutschland (gemeinsam mit Großbritannien) ausgerichteten Petersberger Klimadialog ist jetzt Deutschland an der Reihe. Die Bundesrepublik gehört zu den großen Gebern bei der internationalen Klimafinanzierung, was nicht nur in Anbetracht des hohen Wohlstandsniveaus und der wirtschaftlichen Stärke des Landes, sondern auch aufgrund seiner erheblichen Verantwortung für die Ursachen der Klimakrise durch vergangenen und gegenwärtigen Treibhausgasausstoß absolut gerechtfertigt ist. Immerhin spielte Deutschland in der Vergangenheit eine Vorreiterrolle bei der Klimafinanzierung, indem es die ersten Zusagen zum Green Climate Fund (GCF) machte und 2015 im Vorfeld des Pariser Abkommens versprach, die Klimafinanzierung aus dem Bundeshaushalt zu verdoppeln, um bis 2020 auf etwa vier Milliarden Euro pro Jahr zu kommen. Damit trug Deutschland nicht nur maßgeblich zum Vertrauensaufbau zwischen Industrie- und Entwicklungsländern bei, sondern setzte auch andere Geberländer unter Druck.

Aus Deutschlands Berichten an die UNFCCC geht jedoch hervor, dass seine staatliche Klimafinanzierung in den vergangenen Jahren stagnierte. Zwar gab Deutschland für 2019 die Bereitstellung von 4,3 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt bekannt (womit die Zusage von 2015 schon ein Jahr früher erfüllt wurde), aber zusammen mit den rund 2,5 Mrd. Euro an mobilisiertem Kapital für Kredite und andere Finanzinstrumente wurde ein Gesamtvolumen von 6,8 Mrd. Euro erreicht, was keine Erhöhung gegenüber den Jahren 2017 und 2018 darstellt. Im Jahr 2020 hat sich daran kaum etwas geändert und auch für 2021 sind keine weiteren Erhöhungen geplant. Damit bleiben die bereitgestellten Mittel erheblich hinter den Höchstzahlen von 2015 und 2016 zurück.

Abb. 1: Klimafinanzierung aus Deutschland 2014-2021
Klimafinanzierung aus Deutschland 2014-2021

Die grünen Balkenflächen zeigen die eingesetzten Haushaltsmittel, etwa für bilaterale Zuschüsse oder Einzahlungen in multilaterale Fonds. Die orangenen Balkenflächen geben von KfW/DEG auf dem Kapitalmarkt aufgenommene („mobilisierte“) Mittel wieder, aus denen der Großteil der Darlehen im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit bereitgestellt wird. Für 2020 und 2021 liegen bisher nur Planzahlen bzw. Schätzwerte für die ‚Klimaleistung‘ (Haushaltsmittel plus Zuschussäquivalente) vor, d.h. ohne die mobilisierten Mittel (orangene Flächen) und ohne gesondert ausgewiesene Zinssubventionen bzw. mögliche Darlehen direkt aus Haushaltsmitteln. Für 2021 hat der Bundestag die Titel der bilateralen Zusammenarbeit teilweise zunächst gesperrt. Werden diese Sperren nicht aufgehoben, könnte die Klimafinanzierung 2021 wieder absinken (dazu mehr hier).  Quelle: Eigene Darstellung nach Daten der Bundesregierung.

Faire Zusage aus Deutschland: Verdoppelung der jährlichen Klimafinanzierung bis 2025

Vor diesem Hintergrund ist es erfreulich, dass Kanzlerin Angela Merkel bereits zweimal – auf dem Climate Ambition Summit im Dezember 2020 und auf dem Leaders Summit on Climate vor zwei Wochen klargestellt hat, dass Deutschland auch über 2020 hinaus seinen gerechten Anteil an der internationalen Klimafinanzierung tragen werde. Der anstehende Petersberger Klimadialog bietet jetzt eine hervorragende Gelegenheit, aus dieser wichtigen, aber vagen Bestätigung eine konkrete Zusage zu machen. Ein wirklich fairer Beitrag Deutschlands zum steigenden Finanzbedarf der Entwicklungsländer wäre es, wenn die Bundesregierung ihre jährliche öffentliche Klimafinanzierung bis 2025 noch einmal verdoppelt – wie es letzte Woche der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon in einem Gastkommentar im Handelsblatt forderte – und mindestens die Hälfte der Mittel für Anpassungsmaßnahmen bereitstellen würde.

Angela Merkel wird in diesen Tagen ihre Entscheidung für oder gegen eine Zusage treffen. Ob oder ob nicht es nun zur Zusage beim Petersberger Klimadialog 2021 kommt, ist ein Prüfstein für Deutschlands fortgesetzte Solidarität mit dem Globalen Süden in der sich verschlimmernden Klimakrise – und dürfte zu einem wichtigen Teil dessen werden, womit Angela Merkel klimapolitisch in Erinnerung bleiben wird.

Jan Kowalzig, Oxfam