Anpassung / Transparenz
Klimafinanzierung für Anpassung braucht mehr Ehrlichkeit und Ambition
Das Pariser Abkommen verpflichtet die Industrieländer, größere finanzielle Ressourcen bereitzustellen, die ausgewogen zwischen Schadensbegrenzung und Schutz vor den Folgen des Klimawandels sind. Im Jahr 2009 haben sich die Industrieländer verpflichtet, bis 2020 eine jährliche Klimafinanzierung in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar (USD) für Anpassung an den Klimawandel zu mobilisieren. Offizielle Zahlen der OECD deuten darauf hin, dass die Geber bis 2017 nur 16,8 Milliarden USD gebunden hatten.
Verschiedene Studien haben bereits die Akkuratheit der Klimafinanzberichterstattung der Geberländer untersucht, meist auf Basis quantitativer Analysen der OECD-Datenbanken (z.B. Adaptation Watch oder Oxfam). Ein neuer Bericht von CARE („Climate Adaptation Finance – Fact or Fiction?”). ergänzt diese Studien um eine Analyse mit konkreten, länderspezifischen Betrachtungen. Zusammen mit Organisationen der Zivilgesellschaft in Ghana, Uganda, Äthiopien, Nepal, Vietnam und den Philippinen bewertete CARE, ob die Berichterstattung über die Anpassungsfinanzierung durch die Industrieländer korrekt war und ob diese Projekte zwischen 2013 und 2017 wirklich auf Anpassung abzielten. Zu jedem der Länder liegen auch Einzelberichte vor. Die CARE-Analyse von 112 Projekten in sechs Ländern macht etwa 10% der Anpassungsfinanzierungsprojekte zwischen 2013 und 17 aus und umfasst die größten Projekte in diesem Zeitraum.
Viele Geberländer rechnen zu großzügig
Die Ergebnisse zeigen insgesamt eine deutliche Überbewertung der als Anpassung gerechneten Mittel. Wenn das in dieser Analyse festgestellte Maß an Überberichterstattung auf alle Entwicklungsländer angewendet würde, die 2018 Anpassungsfinanzierungen erhalten, würden die Schätzungen der OECD zur geleisteten Anpassungsfinanzierung von 16,8 Mrd. USD auf nur 9,7 Mrd. USD sinken.
Die Ergebnisse zeigen zudem, dass große Beträge an Klimafinanzierung aus Projekten angerechnet werden, die keinen Bezug zur Anpassung haben, und dass die Geber die Anpassungskomponente ihrer Projekte und damit den Betrag, den sie tatsächlich für die Klimaanpassung ausgeben, übertreiben. Beispielhafte Ergebnisse sind u.a., dass:
- Japan seine Finanzierung für Klimaanpassung um mehr als 1,3 Milliarden US-Dollar überbewertet hat. Darin enthalten sind 432 Millionen US-Dollar für Projekte, die nicht auf Klimaanpassung abzielten, wie die „Nhat-Tan Friendship Bridge“ und das „North-South Expressway Construction Project“ in Vietnam.
- die Weltbank insgesamt 832 Millionen US-Dollar zu viel gemeldet hat, darunter 328 Millionen US-Dollar für ein Wiederaufbauprojekt für Erdbebenhäuser in Nepal. Obwohl das Projekt in erster Linie eine Reaktion auf ein mit dem Klimawandel nicht verbundenes Geohazard ist, werden 86% seines Budgets als Finanzierung für die Anpassung an den Klimawandel ausgewiesen.
- Frankreich insgesamt 104 Millionen US-Dollar zu viel gemeldet hat. Darin enthalten sind 93 Mio. USD für das Unterprogramm 2 zur Finanzierung und steuerlichen Dezentralisierung der Kommunalverwaltung auf den Philippinen zur Stärkung der lokalen Regierungsführung, obwohl nur 5% des Programmbudgets für Klimaanpassungsziele vorgesehen sind.
Die Berichtspraxis Japans birgt dabei einige besondere Schwachstellen. Dazu gehören die Meldung nicht-konzessionärer Kredite zum Nennwert, und die fehlende Unterscheidung zwischen Projekten mit Anpassung als Hauptziel und Projekten mit Anpassung als Nebenziel in der Finanzberichterstattung. Dies bedeutet, dass unabhängig davon, inwieweit jedes Projekt tatsächlich die Klimaanpassung betrifft, 100% des Budgets als Anpassungsfinanzierung gemeldet werden. Die Ergebnisse der Studie legen nahe, dass allein aufgrund der Berichtspraktiken Japans die jährliche Summe für Anpassungsfinanzierungen tatsächlich 10% unter den OECD-Zahlen liegt. Das größte Volumen an Überberichten tritt in Ländern auf, die die volumenmäßig größten Kredite erhalten. Ein Beispiel dafür ist das Post-Disaster-Standby-Darlehen, das Japan den Philippinen zur Verfügung gestellt hat. 220 Mio. USD des Darlehens in Höhe von 470 Mio. USD könnten ein Zuviel an berichteter Anpassungsfinanzierung darstellen. Im Gegensatz dazu weisen Projekte, bei denen Zuschüsse gewährt wurden, wie beispielsweise in Ghana, eine viel geringere Überberichterstattung auf.
Synergiepotentiale von Anpassung, Geschlechtergerechtigkeit und Armutsbekämpfung nicht ausreichend genutzt
Der CARE-Bericht zeigt auch auf, dass Anpassung inhärent mit umfassenderen Entwicklungszielen und Armutsbekämpfung verbunden ist und synergetisch angegangen werden kann. In den sechs Länderstudien wurde auch untersucht, ob in Projekten die Gleichstellung der Geschlechter und die Verringerung der Armut angemessen berücksichtigt wurden. Das Pariser Abkommen verlangt, dass Anpassungsmaßnahmen „einem länderspezifischen, geschlechtsspezifischen, partizipativen und vollständig transparenten Ansatz folgen und schutzbedürftige Gruppen, Gemeinschaften und Ökosysteme berücksichtigen“. 47% der Anpassungsprojekte in allen sechs Ländern berücksichtigen aber nicht die Gleichstellung der Geschlechter. Weiter besorgniserregend ist, dass die größten Projektfinanzierungen die Ärmsten in der Gesellschaft häufig nicht angemessen berücksichtigen. Dies gilt insbesondere für Infrastruktur- und marktbasierte Projekte, die häufig in Form von Darlehen finanziert werden. Für Projekte, die in Ghana und Äthiopien bewertet wurden – beide mit hohem Risiko einer Schuldenkrise für die Länder – wurden 28% bzw. 50% der gesamten Finanzierungsbeiträge als Darlehen bereitgestellt.
Wie steht Deutschland da?
Aus den insgesamt 112 untersuchten Projekten sind nur 6 durch Deutschland finanziert, also eine relativ geringe Zahl im Vergleich z.B. zu Japan (13 Projekte) oder der Weltbank (16 Projekte).
Übersicht über die Bewertung der von Deutschland finanzierten Projekte
Durch die geringe Anzahl an Prjekten sind die spezifischen Ergebnisse deutlich weniger repräsentativ als die anderer Berichte. Diese Projekte ergeben in der Summe etwa 56 Mio. USD an berichteter Anpassungsfinanzierung. Die Analysen kommen zu dem Ergebnis, dass hierin etwa 5 Mio. USD überbewertet sind, aber etwa 6 Mio. USD sogar unterbewertet, so dass netto etwa 1 Mio USD unterbewertet sind. Damit reiht sich Deutschland zumindest bei den in diesen 6 Entwicklungsländern untersuchten Projekten in die Gruppe der Geber ein, die eher unterbewerten. Dies sind die EU, Niederlande, Dänemark, Schweden, Australien sowie die Global Environment Facility (GEF).
Umfangreichere Analysen der deutschen Klimafinanzierung, die zum Teil auch von den an dieser Website beteiligten Organisationen durchgeführt wurden und eine deutlich größere Projektanzahl untersuchten, kommen zu deutlich kritischeren Ergebnissen. Die Aufgabe der verbesserten und akkurateren Berichterstattung bleibt für Deutschland also weiterhin bestehen, auch wenn andere Geber eine deutlich schlechtere Praxis aufweisen.
Sven Harmeling / CARE
Weiterlesen: Der vollständige Bericht kann hier abgerufen werden.