Internationale Klimafinanzierung / Gender

Klima- und Entwicklungsfinanzierung während des Aufschwungs nach der Corona-Krise

Klima- und Entwicklungsfinanzierung müssen die Lebensgrundlagen während der COVID 19 Krise erhalten. Photo: CARE Bericht.

Die Corona-Krise hat erhebliche Auswirkungen auf die im öffentlichen Sektor zur Verfügung stehenden Ressourcen. Gleichzeitig hat die Reaktion auf die Krise einschneidende finanzielle Dimensionen, sowohl im Hinblick auf die Investitionsentscheidungen der Regierungen als auch auf die Finanzrahmen, die sich auf die Entscheidungen von Menschen und Konzernen auswirken. Auch wenn die Finanzaspekte des Aufschwungs nach der Corona-Krise ein breiteres Spektrum abdecken, sollte in der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit (official development assistance, ODA), in der Klimafinanzierung und bei den humanitären Hilfen vor allem Projekte mit dem Schwerpunkt auf Förderung der Geschlechtergerechtigkeit berücksichtigt werden.

Auswirkungen der Corona-Krise

Die Corona-Krise stellt eine massive Bedrohung für den Erhalt von Qualität und Quantität der Entwicklungsfinanzierung dar. Die Geldflüsse in Entwicklungsländer haben seit Beginn der Pandemie deutlich abgenommen. Die aktuelle weltweite Wirtschaftsflaute, die sinkenden öffentlichen Einnahmen und der steigende Finanzbedarf in Reaktion auf die Corona-Krise werden vermutlich den Druck auf Hilfszahlungen wie die ODA erhöhen. Großbritannien stellt ein Negativbeispiel dar: In der britischen Gesetzgebung ist das Ziel festgeschrieben, 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) für ODA auszugeben, weshalb die Absolutbeträge in Abhängigkeit vom Nationaleinkommen schwanken: Aufgrund des coronabedingten wirtschaftlichen Rückgangs hat Großbritannien seine ODA-Ausgaben um 3 Mrd. Pfund gekürzt, was aber immer noch dem 0,7-Ziel entspricht. Andere Geberländer wie Deutschland haben dagegen höhere Finanzhilfen bereitgestellt, um dabei zu helfen, den überproportional heftigen Auswirkungen von COVID-19 auf die ärmsten Länder entgegenzuwirken: Die deutsche Regierung bewilligte ein spezifisches Corona-Sofortprogramm, bei dem 1 Mrd. Euro aus dem aktuellen Haushalt des BMZ kommen und 3 Mrd. Euro als zusätzliche Hilfen für Entwicklungsländer gezahlt werden. Andere Mitglieder des Entwicklungsausschusses der OECD haben gemeinsam ihr Ziel erklärt, die ODA-Etats auch in der Corona-Krise zu verteidigen. Das ist eine dringend notwendige Zusage, die unbedingt einzuhalten ist und für die die Geberländer rechenschaftspflichtig gemacht werden müssen.

Die gendersensible Klima- und Entwicklungsfinanzierung ist immer noch zu niedrig

Die Klimafinanzierung – die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern – basiert auf rechtlich verbindlichen Verpflichtungen, die in der UN-Klimakonvention und im Pariser Klimaabkommen festgeschrieben sind. Ein Kernbestandteil des Abkommen ist die Verpflichtung der Industrieländer, bis 2020 Hilfen in Höhe von 100 Mrd. USD zu mobilisieren. Eine Kürzung der Klimafinanzierung käme einem Einschnitt in das zentrale Element des Pariser Klimaabkommens gleich. Die Industrieländer haben die Klimafinanzierung bisher nicht entsprechend aufgestockt, aber die Corona-Krise darf auf keinen Fall dafür herhalten, sich weiter von den Verpflichtungen zu entfernen. Das gilt vor allem, weil es Maßnahmen gibt, mit denen die Auswirkungen der gegenwärtigen Pandemie bekämpft und gleichzeitig der Aufbau der Widerstandskraft gegen die Folgen des Klimawandels und/oder die Reduzierung von CO2-Emissionen gefördert werden können. Die Geberländer müssen sich nach 2020 sogar auf eine höhere Klimafinanzierung als 100 Mrd. USD verpflichten, da die Auswirkungen des Klimawandels stärker und früher eintreten als erwartet.

Finanzhilfen für die wirtschaftliche Befähigung von Frauen haben zwar zugenommen, wurden aber nicht immer zweckentsprechend eingesetzt und werden wohl mit den knapper werdenden öffentlichen Haushaltsmitteln zunehmend unter Druck geraten. In den Jahren 2016 und 2017 sagten die 30 Mitglieder des Entwicklungsausschusses der OECD im Durchschnitt 44,8 Mrd. USD für Programme zur Geschlechtergerechtigkeit und Frauenförderung zu. Von den zwischen 2010 und 2016 insgesamt 1,4 Mrd. USD an Finanzhilfen, die für Initiativen zur Geschlechtergerechtigkeit ausgeben wurden, zielten lediglich 20% ausdrücklich auf junge Frauen und Mädchen ab.

Bei den humanitären Hilfen zahlten die Geberländer lediglich 54% der 2019 benötigten 29,7 Mrd. USD, was erhebliche Deckungslücken zur Folge hat. Trotz der nach wie vor weiten Verbreitung geschlechtsspezifischer Gewalt ging nur 1% der gesamten humanitären Hilfen in diesen Bereich. Darin spiegelt sich ein beunruhigender Trend wider – die Kluft zwischen den benötigten und tatsächlich erhaltenen humanitären Hilfen wird immer größer. Ein Fonds jedoch, der Zentrale Nothilfefonds der Vereinten Nationen (CERF), konnte 2019 einen Anstieg an Mittelzuweisungen durch die Geberländer verbuchen und 542 Mio. USD für dringend notwendige Hilfen bereitstellen, die über 29 Mio. Menschen in 49 von humanitären Krisen betroffenen Ländern und Territorien zugutekamen. Dem Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) zufolge „trug [der Nothilfefonds] dazu bei, Innovationen, einschließlich vorbeugender Maßnahmen, voranzutreiben, und förderte die Priorisierung von Frauen und Mädchen, Menschen mit Behinderungen, Bildung in Notsituationen und andere Schutzaspekte“.

Diese verschiedenen Ströme internationaler Hilfen stehen vor denselben Problemen. Insgesamt muss der Anteil an ODA und Klimafinanzierung zunehmen, die auf Geschlechtergerechtigkeit abzielt. Eine kürzlich von CARE durchgeführte Studie ergab beispielsweise, dass alle G7-Länder weniger als 10% ihrer Hilfsgelder für Anpassungsprogramme vergeben, die die Geschlechtergerechtigkeit als vorrangiges Ziel nennen. Auch aus einer neueren Bewertung der Entwicklungsfinanzierung durch die Europäische Kommission geht hervor, dass der Anteil der ODA-Gelder, die der Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit gewidmet werden, immer noch sehr niedrig ist – rund 3% im Zeitraum 2010 bis 2014.

Neue und innovative Finanzquellen

Im Rahmen der Klimadiskussionen, und zu einem gewissen Umfang auch in den allgemeineren Debatten über eine nachhaltige Entwicklungsfinanzierung, wird vorgeschlagen, dass durch spezifische Abgaben – unter anderem auf den Luft- und Schiffsverkehr sowie auf die Förderung fossiler Brennstoffe – mit der Zeit zig Milliarden US-Dollar zur Finanzierung von Maßnahmen in Entwicklungsländern zusammenkommen könnten.

Die nach wie vor massiven Subventionen für fossile Brennstoffe sind eine hervorragende Möglichkeit, finanzielle Unterstützung umzuwidmen. Laut IWF betrugen die jährlichen Subventionen für fossile Brennstoffe im Jahr 2017 schätzungsweise 5,2 Billionen USD, was 6,5% der Weltwirtschaft entspricht und damit das Ausmaß des Problems veranschaulicht. Dieser Betrag ist etwa 30 Mal so hoch wie die geschätzten Mindestkosten für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel in den Entwicklungsländern (bis 2030). Erwähnenswert ist auch, dass eher die reicheren Kreise der Gesellschaft von den Subventionen für fossile Brennstoffe profitieren. Die Erfahrung zeigt, dass es in der Tat Wege gibt, die Subventionsstruktur zu ändern, damit am Ende nicht die Ärmsten den Preis dafür zahlen müssen.

Jeder einzelne Dollar, der in die Subvention von fossilen Brennstoffen fließt, ist nicht nur abträglich für die Verpflichtungen und Ziele der Länder unter dem Pariser Klimaabkommen, sondern heizt die Klimakrise weiter an und untergräbt die Chancen junger Menschen und zukünftiger Generationen, in einer Welt zu leben, in der größere Klimastörungen eingedämmt werden können. Deshalb muss die Forderung nach „einem Ende der Subventionen für fossile Brennstoffe und einem Neustart der Wirtschaft für eine bessere Welt“ zentrales Element der Reaktion auf die Corona-Krise sein. Mit einer Umwidmung dieser Subventionen könnten beispielsweise Gutscheine für energieeffiziente Waren, eine grüne Infrastrukturentwicklung und Bemühungen um einen gerechten Übergang finanziert werden.

Subventionen in Höhe von 5,2 Billionen USD (jährlich) entsprechen

  • etwa dem 8-Fachen dessen, was gebraucht würde, um die (geschätzte) coronabedingte Minderung der externer privater Finanzquellen für die Entwicklungsländer auszugleichen (700 Mrd. USD),
  • etwa dem 11-Fachen der geschätzten jährlichen Kosten für eine Energiewende: die weltweite Stromerzeugung hauptsächlich (zu etwa 86% bis 2050) aus erneuerbaren Energien zu realisieren (die Vorteile aus den verhinderten Klimaschäden sind dabei nicht eingerechnet),
  • etwa dem 20-30-Fachen der für 2030 geschätzten Kosten für die Anpassung an die Folgen des Klimawandels (140-300 Mrd. USD) in den Entwicklungsländern,
  • etwa dem 170-Fachen der geschätzten jährlich benötigen Gelder für humanitäre Hilfen (30 Mrd. USD).

„Schutz der am meisten gefährdeten Gemeinschaften“

Die Folgen der Corona-Krise auf die Finanzhilfen für Entwicklungsländer gehen weit über die ODA hinaus. Aufgrund der Pandemie werden über die externen privaten Finanzquellen (wie beispielsweise Geldsendungen) schätzungsweise 700 Mrd. USD weniger in die Entwicklungsländer fließen, was die Auswirkung der Finanzkrise von 2008 um 60% übersteigen könnte. Inzwischen droht eine mögliche Wirtschaftskrise in den Entwicklungsländern, die Möglichkeit der eigenen Ressourcenmobilisierung für die Armutsbekämpfung und für Bemühungen um eine nachhaltige Entwicklung weiter einzuschränken. Das ist aber die Hauptquelle zur Finanzierung von wichtigen öffentlichen Dienstleistungen im Gesundheits-, Fürsorge- und Bildungswesen.

Zum Schutz armer und gefährdeter Gemeinwesen vor den kombinierten Auswirkungen des Klimawandels, der Ausgrenzung und der Corona-Pandemie sind starke Anreize für den öffentlichen Sektor und die Finanzierung eines gerechten Aufschwungs erforderlich.

Die Geberländer und nationalen Regierungen sollten:

  • ehrgeizige inländische Konjunkturprogramme auflegen, die mit internationaler Solidarität und Unterstützung für die weltweite Reaktion auf Corona einhergehen. Die Geberländer sollten den von ihnen bereitgestellten absoluten Betrag an ODA nicht kürzen, sondern möglichst erhöhen, in jedem Fall aber anpeilen, mehr als die zugesagten 0,7% des BNE für die ODA bereitzustellen.
  • die ODA vorrangig für die Beseitigung von Armut und Ungleichheiten sowie das Vorantreiben einer nachhaltigen Entwicklung einsetzen – zum Vorteil der Entwicklungsländer, wie in der OECD-Definition festgelegt. Alle Versuche, die ODA-Definition so weit auszulegen, dass auch Corona-Maßnahmen in den Geberländern eingerechnet werden, die den Entwicklungsländern nicht direkt zugutekommen, sollten abgelehnt werden. In Übereinstimmung mit diesem Kriterium sollte die Finanzierung der Verteilung von Impfstoffen in den am wenigsten entwickelten Ländern als ODA gelten, die wissenschaftliche Forschung an sich jedoch nicht.
  • die Klimafinanzierung erhöhen und die Geschlechtergerechtigkeit im Rahmen der externen öffentlichen Finanzierung zur Priorität erklären. Die Industrieländer sollten bis Ende 2020 ihrer Verpflichtung nachkommen, jährlich 100 Mrd. USD zur Förderung von Klimaschutzmaßnahmen in Entwicklungsländern bereitzustellen. Darüber hinaus sollten sie die Klimafinanzierung für neue und zusätzliche Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen sowie für die Bewältigung von Schäden und Verlusten (um mindestens 50%) erhöhen. Sie dürfen keinesfalls die Klimafinanzierung umleiten oder von ihren Zusagen für zukünftige Zahlungen (wie in den Grünen Klimafonds oder für die Aufstockung der Klimafinanzierung nach 2020) abrücken, weil diese Unterstützung für viele Entwicklungsländer lebenswichtig ist. Hoch verschuldete und die am wenigsten entwickelten Länder sollten die Gelder in Form von Zuschüssen erhalten. Für sämtliche finanzielle Unterstützung müssen die strengsten Sozial-, Umwelt-, Klima- und Menschenrechtsstandards gelten.
  • neue und innovative Finanzquellen erschließen, um die Maßnahmen in Reaktion auf die Corona-Krise zu finanzieren, mit denen auch die Anpassung an den Klimawandel und die Nachhaltigen Entwicklungsziele zu erreichen sind. Diese Quellen sollten das Potential haben, wirklich zusätzlich Ressourcen zu generieren (wie Abgaben auf Luft- und Schiffsverkehr sowie auf die Förderung fossiler Brennstoffe) und könnten mit Ausgleichsmaßnahmen kombiniert werden. Relativ kleine Beträge pro Einheit können je nach Finanzquelle Milliarden an Dollar generieren.

Sven Harmeling, CARE

Dieser Artikel ist eine Bearbeitung des entsprechenden Kapitels aus dem CARE-Bericht: „Building forward: Creating a more equitable, gender-just, inclusive and sustainable world“.