100 Milliarden / Bundeshaushalt / Deutsche Klimafinanzierung
Schlechte Aussichten für die 100 Milliarden, neue Finanzzusagen von Deutschland notwendig
Aktuelle Analysen weisen auf mehrere dringende Baustellen in der internationalen Klimafinanzierung hin. Die Industrieländer werden das 100 Milliarden-Ziel für die Klimafinanzierung vermutlich verfehlen. Und Deutschland ist zwar auf einem Weg dazu, sein Verdoppelungsversprechen zu erfüllen, neue Finanzzusagen für Post-2020 fehlen aber noch.
OECD: Klimafinanzierung steigt an, aber 100 Milliarden-Ziel wird nicht ehrlich erreicht
Am 6.11. hat die OECD ihre jüngste Erhebung bezüglich der von Industrieländern geleisteten Klimafinanzierung an Entwicklungsländer veröffentlicht. Diese bezieht die letzten verlässlich verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2018 ein. Die Studie zeigt einen weiteren Anstieg der geleisteten Mittel auf dem Weg zu den 100 Milliarden (Mrd.) an, der sich allerdings deutlich verlangsamt hat gegenüber dem Wachstum von 2016 bis 2017. Würde man das Wachstum 2018 gegenüber 2017 fortschreiben, dann würden im Jahr 2020 etwa 94 Mrd. USD erreicht, das 100 Mrd.-Ziel also verfehlt.
Der vor dem OECD-Bericht von Oxfam veröffentlichte 2020 Climate Finance Shadow Report schätzt die tatsächliche Klimafinanzierung als deutlich geringer ein – etwa 37% der „offiziellen“ Zahlen -, unter anderem, da die Kredite überwiegend mit ihrem Gesamtumfang gezählt werden anstatt mit ihrem Zuschussäquivalent an die Entwicklungsländer. Auch gibt es immer wieder kritisierte Schwachpunkte dabei, was als Klimakomponenten in Projekten angerechnet werden sollte. Würde man diese 37% auf die 78,9 Mrd. anwenden, wäre der Betrag nur etwa 30 Mrd. USD. Angesichts des großen Bedarfs an Klimamaßnahmen wäre es notwendig, dass sich die 100 Mrd. weit überwiegend aus öffentlichen Mitteln zusammensetzen und Kredite und anderweitig mobilisierte Finanzen als zusätzlich betrachtet würden.
Finanzierung für Klimaanpassung deutlich zu gering
Laut den Zahlen der OECD werden von den 78,9 Mrd. USD in 2018 nur etwa 21% für Anpassung an die Folgen des Klimawandels eingesetzt, die gerade die ärmsten und besonders vulnerablen Entwicklungsländer besonders betreffen. Angesichts der Tatsache, dass im UNFCCC-Prozess mehrmals vereinbart wurde, dass sich Minderung (derzeit etwa 70% der Klimafinanzierung) und Anpassung die Waage halten sollen, ist dies bei weitem nicht ausreichend. Zudem erhalten die besonders verletzlichen Ländergruppen, die Least Developed Countries und die Small Island Developing States (SIDS), nur etwa 16% der Klimafinanzierung. Auch Oxfam kritisiert den viel zu geringen Anteil der Anpassungsfinanzierung und kommt noch auf deutlich geringere Zahlen.
Kein Zweifel, Minderung, also konkreter Klimaschutz, muss auch massiv gefördert werden, um das 1,5°C-Ziel des Paris-Abkommens einhalten zu können. Aber dies kann nicht auf Kosten der Klimaanpassung gehen, die viele Millionen Menschen bereits heute eine gewissen Absicherung gegenüber den Klimafolgen bringt.
Deutschland muss Klimafinanzierung Post-2020 ansagen und Haushaltsmittel aufstocken
Der Klimawandel stellt das Überleben der Menschheit infrage. Wie dringlich die Lage ist, kann kaum überschätzt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach 2015, die öffentlichen Mittel für Klimafinanzierung von rund zwei Milliarden Euro, die 2014 eingeplant waren, bis 2020 auf jährlich rund vier Milliarden Euro zu verdoppeln. Eine aktuelle Abschätzung ist derzeit nicht öffentlich verfügbar. Das Oxfam Deutschland Briefing weist allerdings auf Rechentricks hin, die die Bundesregierung nutzt, so dass trotz eines tatsächlichen Aufwuchses in den letzten Jahren die Erreichung dieses Ziels fraglich ist. Gleichzeitig fehlt bisher aber jede internationale Aussage, wie es mit der deutschen Klimafinanzierung nach 2020 weiter geht. Das Paris-Abkommen hat die 100 Milliarden als Mindestbetrag für die Zeit 2021-2025 festgezurrt. Die nächsten Jahre werden für den Kampf gegen den Klimawandel und die Einhaltung der Ziele des Paris-Abkommens entscheidend sein.
Deutschland sollte sein hohes Ansehen in der internationalen Klimapolitik – die Unzulänglichkeiten der nationalen Klimapolitik sind hier nicht Thema – durch neue Ankündigungen für Klimafinanzierung untermauern und den Verdopplungspfad der deutschen Klimafinanzierung zwischen 2014 und 2020 fortschreiben. Dies bedeutet eine weitere Verdopplung der Klimafinanzierung aus Haushaltsmitteln auf 8 Mrd. € im Jahr 2025.
Hierzu muss der Haushalt 2021 erste Schritte in Richtung Aufwuchs anzeigen. Dies ist leider bisher keineswegs der Fall und muss korrigiert werden. Ab 2022 sieht die mittelfristige Finanzplanung sogar einen Rückgang entsprechender Mittel vor. In einer Stellungnahme zum Bundeshaushalt fordert VENRO daher unter anderem folgende Änderungen:
Zwei anstehende Klimagipfel als Gelegenheit für neue internationale ZusagenDas Vereinigte Königreich hat bereits beim Klimagipfel des UN-Generalsekretärs 2019 eine Verdopplung der Klimafinanzierung bis 2025 verkündet. Der im September. von UN-Generalsekretär und der britischen COP-Präsidentschaft angekündigte UN-Sondergipfel zum Jubiläum des Paris-Abkommens am 12.12.20 – Climate Ambition Summit – wäre ein gebotener Anlass für die Bundesregierung, eine entsprechende Aufwuchszusage anzukündigen. Denn neben stärkerer Klimaschutzambition (u.a. durch verbesserte nationale Klimapläne, NDCs) ist Klimafinanzierung als ein Kernthema gesetzt.Zudem findet am 25./26.1.2021 der Climate Adaptation Summit auf Initiative insbesondere der niederländischen Regierung statt, für den die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre Teilnahme zugesagt hat. Hier könnte als Teil einer Gesamtverdoppelung bis 2025 ein entsprechend notwendiger Aufwuchs für Anpassungsfinanzierung zugesagt werden. Dies könnte zum Beispiel um sehr konkrete, hochqualitative Initiativen für Klimaanpassung in Entwicklungsländern ergänzt werden, insbesondere zur Unterstützung von besonders dem Klimawandel ausgesetzten Frauen- und Gendergruppen zur Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit in der Klimafinanzierung. Eine solche Zusage würde auch das Vertrauen dieser Länder in die Unterstützung für ambitioniertere nationale Klimapläne (NDCs) weiter erhöhen und eine dringend notwendige klimapolitische Dynamik unterstützen, insbesondere wenn, wie absehbar, die Gesamtheit der Industrieländer das 100-Milliarden-Ziel verfehlen wird.Die Tatsache, dass nächsten Herbst ein neuer Bundestag gewählt wird, sollte nicht als Ausrede genommen werden, neue Zusagen bis dahin aufzuschieben. Immerhin hat die Verdoppelungszusage von 2015 auch über mehr als eine Legislaturperiode hinweg eine wichtige Rolle gespielt. Auch der nächste Bundestag wird an das Paris-Abkommen gebunden sein und es ist schwer vorzustellen, dass Deutschland sich aus seiner Rolle als Key Global Player in der internationalen Klimadebatte zurückziehen würde. Insbesondere dann nicht, wenn die USA unter einem neuen Präsidenten Biden sich als aktiver Player in der internationalen Klimapolitik zurückmelden sollten.Sven Harmeling / CARE