Umsetzung der Klimafinanzierung / Transparenz

Wie Klimaprojekte zu Menschenrechtsverletzungen führen können: das Beispiel des Barro Blanco-Staudamms

Barro Blanco

Umliegende Dörfer werden vom Barro Blanco Staudamm überflutet. Photo: M10

Mit der Klimafinanzierung sollen Projekte in Entwicklungsländern finanziert werden, die dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5°C zu beschränken – ein Ziel, das auch im Pariser Klimaabkommen vom Dezember 2015 bestätigt wird. Hierfür braucht es einen Paradigmenwechsel hin zu einer emissionsarmen und klimaresilienten Entwicklung, wie es das Statut des Green Climate Fund (GCF) formuliert. Gleichzeitig dürfen die im Rahmen der Klimafinanzierung geförderten Projekte weder die Entwicklung behindern noch gegen Menschenrechte verstoßen. Daher darf sich die Klimafinanzierung nicht nur auf ökologische Aspekte konzentrieren, sondern muss in den weitergefassten Zusammenhang der Entwicklung eingebettet sein. Dies wird auch von den Nachhaltigkeitszielen der UN (Sustainable Development Goals, SDG) reflektiert.

Das gilt nicht nur für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit von Regierungen wie Deutschland, sondern auch für Akteure wie die deutsche Entwicklungsbank DEG. Deren Kredite für Klimaschutzprojekte werden ebenfalls auf die deutschen Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung angerechnet. Bisher ist kaum etwas drüber bekannt, welche der von der DEG geförderten Projekte zur Klimafinanzierung zählen und somit im Einklang mit den internationalen Verpflichtungen Deutschlands stehen sollten. Um jedoch erfassen zu können, ob die Klimafinanzierung vor Ort die Menschenrechte stärkt oder schwächt, braucht es Transparenz– auch in Bezug auf die Beiträge der Entwicklungsbanken.

Dass Klimaschutzprojekte der lokalen Bevölkerung Schaden zufügen können, veranschaulicht das Projekt Barro Blanco. Der riesige Staudamm am Río Tabasará in der Provinz Chiriqui in West-Panama steht zum Teil auf Land, das der indigenen Bevölkerung gehört. Das von deutschen und niederländischen Entwicklungsbanken (DEG und FMO) sowie der Zentralamerikanischen Bank für wirtschaftliche Integration (CABEI) finanzierte Projekt war eine unter dem Clean Development Mechanism (CDM) der Vereinten Nationen registrierte Maßnahme, bis Panama seine Zustimmung dafür zurückzog.

Menschenrechtsverletzungen

Die Ngäbe-Gemeinschaften vor Ort wehren sich schon seit Projektbeginn im Jahr 2008 gegen den Staudamm, weil der Stausee wahrscheinlich mindestens sechs Hektar ihres Landes überfluten würde, darunter Häuser, landwirtschaftlich genutzte Felder, eine Schule und heilige Felszeichnungen. Wie aus zwei im Jahr 2011 an das CDM-Gremium versandten Briefen hervorgeht und auch vom damaligen UN-Sonderberichterstatter für die Rechte indigener Völker, James Anaya, bestätigt wird, wurde die betroffene Bevölkerung vor dem Projekt weder ausreichend informiert noch konsultiert und hat auch nie ihre Zustimmung erteilt.

Das stellt einen Bruch der Menschenrechtsstandards dar, die für indigene Bevölkerungsgruppen mehrere Recht festschreiben: auf Konsultationen, auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (free, prior and informed consent, FPIC), auf angemessene Wohnverhältnisse sowie darauf, aus ihren angestammten Gebieten und Territorien nicht vertrieben zu werden, sondern sie besitzen, nutzen und sich uneingeschränkt an ihnen erfreuen zu können.

Der Bau des Staudamms wurde trotz breiten Widerstands fortgesetzt – mit kontinuierlicher Unterstützung durch die finanzierenden Banken und die Regierung von Panama.

Einräumung von Fehlern beim Barro Blanco Projekt

Mit der Begründung, das Projekt erfülle die Umweltverträglichkeitsvorgaben nicht, verkündete die neugewählte panamaische Regierung im Februar 2015 einen vorläufigen Baustopp am schon fast fertiggestellten Staudamm.

Die internationalen Geldgeber protestierten daraufhin in einem Brief an die Regierung gegen diese Entscheidung, brachten ihre „große Sorge und Bestürzung“ zum Ausdruck und warnten davor, dass „Maßnahmen wie diese gegen [das für den Bau zuständige Unternehmen] Genisa zukünftige Investitionsentscheidungen beeinflussen und sich langfristig nachteilig auf den Zufluss an Investitionen nach Panama auswirken könnten“.

Obwohl Barro Blanco eindeutig gegen internationale Rechte verstößt, haben die europäischen Banken der niederländischen Nichtregierungsorganisation Both ENDS zufolge „auf die Fortführung der Bauarbeiten bestanden, weil ein Abbruch des Projekts […] zu erheblichen finanziellen Verlusten führen würde“.

Die Haltung der Banken wurde auch durch die von den beiden Banken in den Niederlanden und Deutschland eingerichteten unabhängigen Beschwerdestelle (Independent Complaints Mechanism, ICM) kritisiert. Diese stellt in ihrem Bericht Bericht fest, dass „wichtige Fragen im Zusammenhang mit sozialen und ökologischen Auswirkungen, vor allem aber auch Fragen bezüglich der Rechte indigener Bevölkerungsgruppen vor der [Kredit-]Vereinbarung nicht ausreichend überprüft wurden“. In ihrer Antwort auf diese Vorwürfe verpflichteten die Banken sich jedoch lediglich dazu „aus dem ICM-Bericht Lehren zu ziehen“.

Aufgrund der anhaltenden Widerstandskampagne und Unterstützerarbeit widerrief die panamaische Regierung als Gastgeberland ihre schriftliche Zustimmung, Barro Blanco als CDM-Projekt gelten zu lassen, wodurch das Projekt 2016 von der CDM-Liste gestrichen wurde. Damit schuf die Regierung von Panama einen Präzedenzfall, denn es ist das erste Mal in der Geschichte des UN-Klimaschutzmechanismus, dass ein Gastgeberland so reagierte. Die De-Registrierung als CDM-Maßnahme bedeutet, dass dieses Projekt keine Gutschriften mehr liefern wird, die zum Ausgleich für in Industrieländern produzierten Emissionen genutzt werden können. Außerdem sendet sie die starke Botschaft, dass Menschenrechtsverletzungen in Aktivitäten, die als „klimafreundlich“ ausgewiesen werden, nicht hingenommen werden.

Leider hat diese Regierungsentscheidung nicht zum Abbruch des Projekts geführt. Und auch die Banken haben ihre Förderung nicht eingestellt.

Flutung nach Wiederaufnahme des Projekts

Nachdem das panamaische Umweltministerium gegen die Projektentwickler eine Geldstrafe in Höhe von 775.200 USD verhängt hatte, weil sie mit den Ngäbe keine Einigung erzielt und gegen deren soziale und kulturelle Rechte verstoßen hatten, hat es zwischenzeitlich den Baustopp wieder aufgehoben.

Im Juni 2016 erfolgte am Staudamm eine Testflutung, von der drei ansässige Ngäbe-Gemeinschaften unmittelbar betroffen waren, die bis heute noch keine angemessene Entschädigung für die entstandenen Schäden erhalten haben. Mehrere Häuser wurden überschwemmt, was die Familien zu einer Umsiedlung in höhere Lagen zwang. Wie in diesem Anfang Januar 2017 aufgenommenen Video zu sehen ist, hat das stehende Gewässer ernsthafte Auswirkungen auf die Gesundheit sowie die Nahrungsmittel und Wasserreserven der Bevölkerung.

Die über die Testflutungen informierten Banken unterstützen weiterhin den Staudammbetrieb.

Nichtregierungsorganisationen fordern deshalb:

  • dass die Entwicklungsbanken deutlich zeigen, dass sie von den Partnerunternehmen vor Ort keine Menschenrechtsverletzungen hinnehmen und diese auffordern, das Projekt so lange auf Eis zu legen, bis ein korrekter Konsultationsprozess durchgeführt wurde und die betroffene Bevölkerung eine angemessene Entschädigung erhalten hat.
  • die Offenlegung, welche der von Entwicklungsbanken wie der DEG geförderten Projekte auf die internationale Klimafinanzierung angerechnet werden.
  • die Einführung strenger Schutzbestimmungen in internationalen Finanzierungskanälen wie dem Green Climate Fund (GCF) oder einem zukünftigen Mechanismus für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Mechanism, SDM) sowie für jegliche im Rahmen der bilateralen Klimafinanzierung durchgeführten Projekte.

Pierre-Jean Brasier / Carbon Market Watch
Christine Lottje