Internationale Klimafinanzierung / Anpassung

Neuer Anpassungsindex zeigt Ungerechtigkeit beim Zugang zu Klimafinanzierung

Äthiopien gehört zu den verwundbarsten Ländern, die zu wenig Gelder für Anpassung erhalten. Photo: C. Krackhard, Brot für die Welt

Brot für die Welt misst erstmals Klimagerechtigkeit beim Zugang zu Anpassungsfinanzierung. Der neue Anpassungsindex ermittelt für 129 Staaten, ob ihr Anteil an der internationalen Klimaanpassungsfinanzierung dem länderbezogenen Klimarisiko gerecht wird.

Die international bereit gestellte Anpassungsfinanzierung reicht bei weitem nicht aus, um auch nur die nötigsten Maßnahmen umzusetzen, damit sich die Länder des Globalen Südens vor den Auswirkungen der Klimakrise schützen können. Jährlich informiert ein Bericht des Umweltprogrammes der Vereinten Nationen über die Schutzlücke bei der Klimaanpassung.

Es wurde allerdings noch nicht untersucht, ob sich die bisher bereitgestellte Klimaanpassungsfinanzierung klimagerecht auf die Empfängerländer in Bezug auf ihr jeweiliges Risiko verteilt. Diese Lücke schließt jetzt der neue Anpassungsindex von Brot für die Welt: Für 129 Länder wurde für die Jahre 2014-2020 ermittelt, ob deren Anteil an der internationalen Anpassungsfinanzierung ihrem jeweiligen länderspezifischen Klimarisiko entspricht. Damit entsteht Transparenz darüber, wie erfolgreich das klimapolitische Ziel, vor allem die vulnerabelsten Staaten finanziell zu unterstützen, umgesetzt wird.

Der Anpassungsindex wurde von Climate & Development Advice erstellt und von der Munich Climate Insurance Initiative geprüft. Der Index berücksichtigt zwei Faktoren: das länderspezifische Klimarisiko, basierend auf angepassten Daten aus dem EU Inform Risk Index, sowie die finanziellen Zuflüsse, basierend auf Daten aus der OECD-DAC-Datenbank zur Anpassungsfinanzierung.

Anpassungsindex zeigt ungleichen Zugang auf

Die Ergebnisse sind eindeutig: Bei der internationalen Anpassungsfinanzierung herrscht ein gravierender Mangel an Verteilungsgerechtigkeit: Die 14 Staaten mit dem höchsten Klimarisiko sind zugleich die 14 am stärksten unterfinanzierten Staaten. Afghanistan steht an der Spitze dieses negativen Rankings, gefolgt von Südsudan, Niger, Sudan, Jemen, Uganda, Somalia, Mali, Irak, Äthiopien, Syrien, Mauretanien und Mosambik. Es ändert sich auch nichts Grundlegendes, wenn man an Stelle der Pro-Kopf-Betrachtung der erhaltenen Finanzierung (Abbildung 1) die absoluten Finanzierungszuflüsse als Berechnungsgrundlage wählt (Abbildung 2): Mit Äthiopien und Mosambik verbessern sich lediglich zwei Staaten einigermaßen deutlich im Ranking. Der Mangel an risikogerechter Finanzierung, der für die vulnerabelsten Staaten im Besonderen gilt, kann für die Gesamtheit der Länder in etwas abgeschwächter Form verallgemeinert werden. Weniger als jedes vierte der untersuchten 129 Länder hat im Zeitraum 2014 – 2020 einen risikobezogen angemessenen Finanzierungsanteil erhalten. Damit droht den meisten Ländern, aber insbesondere den Vulnerabelsten unter ihnen, eine dauerhafte Resilienzlücke, die das Erreichen der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) in weite Ferne rücken lässt.

Abbildung 1: Weltkarte der Verteilung der Anpassungsfinanzierung (Anpassungsindex) pro Kopf

 

Abbildung 1: Weltkarte der Verteilung der Anpassungsfinanzierung (Anpassungsindex) pro Kopf. Die Karte basiert auf der im Zeitraum 2014 bis 2020 zugesagten Anpassungsfinanzierung der Länder pro Kopf. Bereiche der Südost-Grenze Ägyptens sind umstritten, was auch für die Grenze von Sudan und Südsudan gilt. Quelle: Brot für die Welt 2023

Abbildung 2: Weltkarte der Anpassungsfinanzierung (Anpassungsindex) in absoluten Zahlen

 

Abbildung 2: Weltkarte der Anpassungsfinanzierung (Anpassungsindex) in absoluten Zahlen. Die Karte basiert auf der im Zeitraum 2014 bis 2020 zugesagten Anpassungsfinanzierung der Länder pro Kopf. Bereiche der Südost-Grenze Ägyptens sind umstritten, was auch für die Grenze von Sudan und Südsudan gilt. Quelle: Brot für die Welt 2023

In der Studie zum Index werden weitere Korrelationen betrachtet, um ein differenziertes Bild darüber zu erlangen, welche Faktoren den Zugang zu Klimaanpassungsfinanzierung erleichtern beziehungsweise erschweren. Die Studie analysiert, ob ein Land zu den folgenden Kategorien gehört: (1) den am wenigsten entwickelten Länder, (2) Ländern mit niedrigem Einkommen, (3) afrikanischen Ländern und (4) fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten.

Insgesamt ergibt sich ein zwar vielschichtiges, aber dennoch relativ eindeutiges Bild, wenn man die unterschiedlichen Analyseebenen vergleicht: Internationale Klimaanpassungsfinanzierung ist ungleich verteilt. Die wenigsten Länder erhalten gemessen an ihrem spezifischen Klimarisiko einen fairen Finanzierungsanteil. Treffen mehrere oder alle der oben genannten Faktoren zu, scheint es vorbestimmt, dass sich ein Land in der Gruppe der Länder mit dem gemessen am Klimarisiko schlechtesten Zugang zu Anpassungsfinanzierung befindet. Damit steigen für diese Länder die Hürden, klimaresilient zu werden, massiv an. Es droht eine dauerhafte Resilienzlücke, die wiederum das Erreichen der SDGs in weite Ferne rücken lässt. Wenn Länder nicht nur hohen Klimarisiken ausgesetzt sind, sondern noch dazu unter einer Häufung weiterer Risikofaktoren leiden, führt dies zu einer multiplen Risikolage, die oftmals noch weniger zu bewältigen ist als eine singuläre Risikoexposition. In diesen Fällen sollte besonders intensiv nach Lösungen gesucht werden; eine entsprechend vielfältige Unterstützung wäre erforderlich.

Der Index ist ein wichtiges, aber kein ausreichendes Bewertungskriterium für die Klimaanpassungsfinanzierung: Er misst nur die Verteilung von verfügbaren Mitteln bezogen auf länderspezifische Klimarisiken und trifft keine Aussagen darüber, welche absoluten Beträge erforderlich wären, um ein Land klimaresilient zu machen.

Wege zur Verbesserung der Verteilungsgerechtigkeit der Anpassungsfinanzierung

Es ist ein klimapolitisches Gebot der Fairness, Länder gemäß ihren spezifischen Klimarisiken zu unterstützen. Sowohl die deutsche Entwicklungszusammenarbeit als auch die internationale Klimadiplomatie sind dem Anspruch nach menschenrechtsbasiert. Es sollte daher nicht nur eine klimapolitische, sondern eben auch menschenrechtliche Handlungsmaxime sein, die höchste Priorität auf die Unterstützung der Vulnerabelsten zu richten. Die Politik ist daher gefordert, die Verteilungsgerechtigkeit beim Zugang zu Klimaanpassungsfinanzierung zu verbessern und insbesondere die gravierende Unterfinanzierung der Staaten mit den höchsten Risiken zu beenden.

Als ersten Schritt empfehlen wir eine Analyse, warum es beim Zugang zu internationaler Klimaanpassungsfinanzierung so wenig Verteilungsgerechtigkeit gibt und durch welche Maßnahmen diese schnell verbessert werden kann. Die Bundesregierung sollte hierbei initiativ werden. Der Anpassungsindex von Brot für die Welt stellt ein Instrument zur Verfügung, auch die deutsche Klimaanpassungsfinanzierung zu analysieren. Das würde zu mehr Transparenz beitragen und damit zugleich Vertrauen schaffen bei den vom Klimawandel am stärksten betroffenen Staaten.

Aufbauend darauf sollte der Zugang zur Klimaanpassungsfinanzierung nach den Bedarfen der unterschiedlichen Ländergruppen verbessert werden.

  1. Oberste Priorität sollte es sein, den Zugang der Länder mit dem höchsten Klimarisiko zu Anpassungsfinanzierung schnell und wirksam zu erhöhen, sowohl bei der deutschen als auch bei der internationalen Klimaanpassungsfinanzierung. Dafür braucht es konkrete Ziele und Umsetzungspläne. Im Falle Deutschlands könnten künftige Klimapartnerschaften vorrangig für Hochrisikoländer ausgehandelt werden.
  2. Für die besonders stark unterfinanzierten Staaten Afrikas, die vielfach unter multiplen Krisen mit Armut, mangelnder Ernährungssicherheit, Gewaltkonflikten und Verschuldung leiden, sollte unter Einbeziehung der Afrikanischen Union und relevanten Stakeholder-Gruppen ein Plan erarbeitet werden, um den Finanzierungszugang schnell zu verbessern. Die Bundesregierung könnte dieses Ziel auch zum Bestandteil ihrer Afrika-Initiativen machen.
  3. Auf das Erreichte aufzubauen und für alle Inselstaaten einen fairen Anteil an der Klimaanpassungsfinanzierung zu erreichen, ist ein sehr erstrebenswertes und realistisches Ziel, das mit Priorität verfolgt werden sollte. Gerade diese Staatengruppe steht laut dem Weltklimarat (IPCC) vor besonders hohen Herausforderungen und erreicht teilweise bereits jetzt ihre Grenzen der Klimaanpassung und benötigt besondere Unterstützung.
  4. Sehr spezifisch und besonders gravierend sind auch die Finanzierungsprobleme von fragilen und von Konflikten betroffenen Staaten, die kaum Zugang zu Klimaanpassungsfinanzierung bekommen, gleichzeitig aber Brennpunkte des Klimawandels sind. Die Folgen sind humanitäre Katastrophen und menschliche Mobilität wie Migration und Vertreibung. Deshalb ist allein schon aus humanitären, menschenrechtlichen und migrationspolitischen Gründen dringend geboten, spezifische Lösungen für diese Länder zu finden. Das muss auch gelten, wenn es Schwierigkeiten bei der Einhaltung von finanziellen und rechtlichen Standards gibt und die administrative Abwicklung der finanziellen Kooperation damit ungleich schwieriger wird. Dies kann besser gelingen, wenn internationale und auch nichtstaatliche Organisationen, die in diesen Ländern tätig sind und viel Erfahrung mit der Unterstützung notleidender Bevölkerungsgruppen in fragilen Kontexten haben, intensiv einbezogen werden und gegebenenfalls auch treuhänderische und Umsetzungsaufgaben übernehmen.
  5. Länder mit niedrigem und unterem mittleren Einkommen bedürfen ebenfalls der prioritären Berücksichtigung beim Zugang zu Klimaanpassungsfinanzierung, weil sie gegenwärtig gemessen an ihren Klimarisiken weit unterdurchschnittlich partizipieren. Dafür sollten in Deutschland und international im Dialog mit diesen Ländern konkrete Ziele gesetzt und ein Umsetzungsplan erarbeitet werden, verbunden mit flankierenden Maßnahmen, um in den Ländern selbst die Rahmenbedingungen für den Finanzierungszugang zu verbessern.

Die Ergebnisse sollten zudem für die aktuellen klimapolitischen Diskussionen und Initiativen genutzt werden:

  1. Die Erkenntnisse aus dem Anpassungsindex von Brot für die Welt können in die Diskussion über prioritäre Zielgruppen des im Entstehen begriffenen Finanzierungsmosaiks zur Bewältigung klimabedingter Schäden und Verluste einfließen, insbesondere mit Blick auf den geplanten Loss & Damage Fund. Das kann dazu beitragen, hier von Beginn an Aspekte der Verteilungsgerechtigkeit zu berücksichtigen.
  2. Auch wenn das Gesamtbild derzeit keine klaren Tendenzen erkennen lässt, sind viele Staaten von einer doppelten Verschuldungs- und Klimakrise betroffen, wie Brot für die Welt und andere aufgezeigt haben. Das betrifft vor allem auch Länder mit mittleren Einkommen, die kaum Zugang zu Entschuldungsprogrammen und günstigen Krediten haben. Stattdessen leiden sie unter zusätzlichen Zinsaufschlägen aufgrund ihres Klimarisikos, weswegen sie kaum in Klimaanpassung investieren können. Diese besondere Situation bedarf spezifischer Lösungen: Die von der Bridgetown-Initiative und den Vulnerable Twenty (V20) Staaten in der Accra-Marrakesch-Agenda vorgelegten Vorschläge wie z.B. der Ausstattung von Kreditverträgen mit Klima-Klauseln bieten hierfür eine Grundlage.

Wir geben mit dem Anpassungsindex von Brot für die Welt einen Impuls bei der notwendigen Debatte über die Richtung und die Prioritäten der Anpassungsfinanzierung. Darüber hinaus bringen wir die Diskussion über den zukünftigen Einsatz von Mitteln für die Bewältigung von Schäden und Verlusten voran.

Beitrag von Sabine Minninger, Senior Policy Advisor on Climate Change, Brot für die Welt und Thomas Hirsch, Direktor von Climate & Development Advice

Die vollständige Studie ist zugänglich unter http://www.brot-fuer-die-welt.de/studie-anpassungsindex  oder http://www.brot-fuer-die-welt.de/anpassungsindex.