100 Milliarden / Internationale Klimafinanzierung / UNFCCC

Klimafinanzierung auf der COP26

COP26: Wie sehr wird das unerfüllte 100-Milliarden-Versprechen die Stimmung auf der kommenden UN-Klimakonferenz trüben?

Ab nächste Woche kommen die Regierungen zu ihrer 26. UN-Klimakonferenz (COP26) im schottischen Glasgow zusammen, um weiter an der Umsetzung des Pariser Abkommens zu arbeiten. Dominierendes Thema dürfte die katastrophale Unzulänglichkeit der Klimaschutzbeiträge der Länder sein. Aber auch die finanzielle Unterstützung bei Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen steht (wie immer) hoch auf der Agenda. Zu tun gibt es genug, denn die Unterstützung deckt bei weitem nicht die Bedarfe ab. Hier ist ein Überblick über die wichtigsten Baustellen zur Klimafinanzierung für die COP26.

Unerfülltes 100-Milliarden-Versprechen

2009 gaben die Industrieländer das Versprechen, die Klimafinanzierung bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben. 2015 wurde dies ergänzt durch die Zusage, das Niveau bis 2025 zu halten. 2019 lag das erreichte Niveau bei knapp unter 80 Milliarden US-Dollar. Zwar liegen noch keine vollständigen Daten vor, es gilt aber als sicher, dass das Versprechen nicht eingelöst wurde. Knapp vor der COP26 haben nun die reichen Länder einen ‚Climate Finance Delivery Plan‘ vorgelegt, um zu zeigen, dass sie das Niveau von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr nun 2023 erreichen wollen – drei Jahr später als versprochen. Basis dafür sind die Zusagen der Geberländer, die in den letzten Monaten getätigt wurden, darunter auch die G7-Zusage Deutschlands. Allerdings ist in dem Plan nicht nachvollziehbar, wie die Zusagen genau zu der Abschätzung führen, so dass die Basis für die Hauptaussagen des ‚Delivery Plans‘ kaum nachprüfbar ist.

Formal stehen weder das 100-Milliarden-Ziel noch der ‚Delivery Plan‘ auf der Verhandlungsagenda der COP26. Es gilt aber als sicher, dass das Thema die Stimmung erheblich beeinflussen wird – wie man zum Beispiel an der Reaktion der Allianz der Kleinen Inselsaaten AOSIS auf den ‚Delivery Plan‘ ablesen kann. Immerhin ist die Klimafinanzierung und das 100-Milliarden-Ziel eine der wichtigsten Bausteine in der mühsam austarierten Balance zwischen armen und reichen Ländern unter dem Pariser Abkommen. Wichtige Baustellen hat der ‚Delivery Plan‘ leider nicht weitergebracht, etwa die Unterfinanzierung des Bereichs Anpassung.

Neues Finanzierungsziel für die Zeit nach 2025

In einem der Begleitbeschlüsse des Pariser Abkommens von 2015 wurde festgelegt, dass für die Zeit nach 2025 ein neues Ziel zur Klimafinanzierung festgelegt werden solle. Dieses Ziel soll auf dem 100-Milliarden-Ziel auch in quantitativer Hinsicht aufbauen und sich an den Bedarfen und Plänen der ärmeren Länder orientieren – das ist eine wichtige Neuerung, denn das 100-Milliarden-Ziel war 2009 als ein politisches Ziel festgelegt worden (und lag deswegen auch weit unter den tatsächlichen Notwendigkeiten). Viel mehr steht aber nicht fest.

Die COP26 steht nun vor der Aufgabe, den Verhandlungsprozess zu diesem neuen Ziel zu starten – im Laufe der nächsten Jahre muss dann geklärt werden, wie das Ziel strukturiert wird (vieles spricht dafür, eher eine Zielmatrix festzulegen z.B. mit Unterzielen für Anpassung, für die Bewältigung von Verlusten und Schäden), wer eigentlich dazu beiträgt (nur die Industrieländer gemäß ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung oder auch andere Länder auf freiwilliger Basis?), wie regelmäßig (und ob überhaupt) es an die sich verändernden Bedarfe in den Empfängerländern angepasst werden soll oder wie das neue Ziel auch zum übergeordneten Ziel des Pariser Abkommens beitragen kann, alle Finanzflüsse für eine klimaverträglichen, klimawandelresilienten Entwicklung umzuschichten.

Vermutlich wird die COP26 nur eine prozedurale Entscheidung festlegen, d.h. klären, wie verhandelt werden soll, welche Informationen gebraucht werden (z.B. zu den Bedarfen in den ärmeren Ländern), welche Workshops zur fachlichen Vertiefung stattfinden sollen und insbesondere auch welchen Zeitplan die Verhandlungen verfolgen sollen bis zur Setzung des Ziels im Jahr 2024. Wichtig ist bei einer prozeduralen Entscheidung, dass keine der möglichen Optionen z.B. zur Struktur des Ziels, durch die Festlegung des Prozesses schon ausgeschlossen wird.

Berichterstattung Klimafinanzierung

Noch immer ist das Regelwerk zur Umsetzung des Pariser Abkommens nicht vollständig. Unter anderem fehlen noch die Tabellen, in die dann die reichen Länder Daten zur geleisteten Klimafinanzierung im Rahmen der regelmäßigen Berichtspflichten eintragen werden.

Ein großes Problem in der Berichterstattung war bisher, dass die Zählweise der Klimafinanzierung es den Geberländern gestattet, die tatsächlich geleistete Unterstützung in erheblichem Maße zu übertreiben – vor allem, wegen der großzügigen Anrechnung von geförderten Maßnahmen, bei denen Klimaschutz oder Anpassung in Wahrheit nur eine kleine Rolle spielen, und weil sich die Geberländer Kredite mit ihrem Nennwert und nicht mit ihrem Zuschussäquivalent (d.h. dem finanziellen Vorteil eines zinsvergünstigten Kredits durch ein Geberland gegenüber einem Kredit zu Marktkonditionen) gutschreiben. Nach einer Oxfam-Analyse betrug die tatsächliche, klimaspezifische Unterstützung 2017/2018 nur etwa ein Viertel der gemeldeten Gelder.

Auf der COP26 werden die Berichtstabellen vermutlich fertiggestellt. Die Gefahr ist groß, dass sich Deutschland und die übrigen Geberländer mit ihrer großzügigen Zählweise durchsetzen werden – und auch in Zukunft die tatsächliche Unterstützung weit unter den offiziellen Zahlen liegen wird. Richtig wäre es, tatsächlich nur die Klima-Anteile von geförderten Maßnahmen anzurechnen und bei Krediten nur die Zuschussäquivalente zu zählen. Bei letzterem Aspekt ist Deutschland übrigens ein Sonderfall: Zwar werden die Zuschussäquivalente deutscher Klimakredite gesondert ausgewiesen, was für wichtige Transparenz sorgt; brüsten tut sich die Bundesregierung allerdings nach wie vor mit Summen, bei denen die Kredite wieder nach Nennwert gezählt werden.

Umsetzungsregeln für Artikel 6

Auch für den Artikel 6 des Pariser Abkommens sind die Umsetzungsregeln noch nicht beschlossen. Der Artikel erlaubt es Ländern, gemeinsame Klimaschutzprojekte zu verfolgen, so dass sich beide Länder (das Gastland und das finanzierende Land) erreichte Emissionsminderungen auf ihre Klimaziele gutschreiben können – solche Gutschriften können dann auch gehandelt werden. Bei den Fragen zur Umsetzung geht es insbesondere um die Vermeidung von Doppelanrechnung erzielter Emissionsminderungen und weiterer Regelungen, damit der Artikel 6 nicht zu einem großen Schlupfloch wird und das Pariser Abkommen aushöhlt.

Für die Klimafinanzierung ist der Artikel interessant, weil zumindest in einem seiner Geltungsbereiche vorgesehen ist, dass auf die erzielten Gutschriften eine kleine Abgabe fällig wird, über die international Anpassungsprojekte in den ärmeren Ländern finanziert werden soll. Wie das genau ausgestaltet wird und wie hoch die Abgabe sein soll, ist ebenfalls Gegenstand der Verhandlungen. Wichtig wäre hier, dass die Abgabe auf alle Geltungsbereiche des Artikel 6 ausgedehnt wird, um eine neue Quelle der Anpassungsfinanzierung zu erschließen.

Andere Themen?

So eine COP hat Dutzende von Tagesordnungspunkten, und im engeren oder weiteren Sinne auch zur Klimafinanzierung. Die COP26 wird zum Beispiel Berichte empfangen und diskutieren vom Green Climate Fund, dem Adaptation Fund, dem Standing Committee on Climate Finance, der Global Environment Facility – und in vielen Fällen dann neue Vorgaben beschließen. Diese Verhandlungen sind eher sowas wie die Hausaufgaben im Hintergrund. Zwar verhaken sich die Regierungen gerne auch hier – am Ende werden sie aber immer gelöst.

Ankündigungen zur Klimafinanzierung

Eine der wichtigsten Aufgaben der alljährlichen Klimakonferenzen ist es auch, Bühne zu bieten für Abkündigungen außerhalb der eigentlichen Verhandlungen, etwa zu neuen Allianzen oder Initiativen, aber insbesondere auch neue Finanzzusagen der Geberländer. Deutschland und die übrigen Geberländer sagen regelmäßig auf den Klimakonferenzen neue Gelder für multilaterale Klimafonds zu, etwa den Adaptation Fund oder den Least Developed Countries Fund.

Oft beziehen sich diese Zusagen auf ohnehin schon geplante Budgets – sind aber in der Sache nicht minder wichtig. Auf der COP26 sind aber auch Zusagen zu erwarten, die die internationale Klimafinanzierung insgesamt erhöhen, zumindest die, die in den ‚Delivery Plan‘ noch nicht eingerechnet wurden.

Jan Kowalzig, Oxfam