Deutsche Klimafinanzierung / Anpassung / Transparenz

Anpassung an den Klimawandel: Portfolio-Analyse verdeutlicht Baustellen für die Klimafinanzierung

Die deutsche Anpassungsfinanzierung muss noch nachbessern bei der Ausrichtung an den besonders vulnerablen Ländern und Gruppen. Photo: J.Grossmann, Brot für die Welt

Deutschland hat von 2011-2017 mit rund einem Viertel aller Entwicklungsgelder Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel unterstützt und zugesagt, bis 2020 vier Milliarden Euro pro Jahr an Klimageldern aus Haushaltsmitteln zur Verfügung zu stellen. Dabei ist insbesondere Anpassung an den Klimawandel ein Handlungs- und Politikfeld in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), das sich dynamisch entwickelt und in vielen Sektoren der EZ eine immer wichtigere Rolle spielt. Das Deutsche Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) hat 2019 eine großangelegte Evaluierung der deutschen Anpassungsfinanzierung gestartet. Den ersten Schritt bildete eine Portfolio- und Allokationsanalyse, welche die Verteilungsmuster der deutschen Anpassungsfinanzierung von 2011 bis 2017 untersucht hat und die durch weitere Studien zur Unterstützung anpassungsrelevanter Prozesse, Strukturen und dem Engagement in Schlüsselsektoren der deutschen EZ sowie von Maßnahmen zum Umgang mit residualen Klimarisiken ergänzt werden soll.

Was sind die zentrale Ergebnisse der Portfolio-Analyse?

Deutschland ist nach Japan und der EU der größte Geber im Bereich Anpassung. Dabei fließt der größte Teil über bilaterale Mittel und nur ein kleiner Teil über multilaterale Klimafonds und andere multilaterale Akteure. Auch finanziert Deutschland primär Projekte im Rahmen der bilateralen Zusammenarbeit mit den Partnerländern und weniger Programme, die von mehreren Gebern finanziert und vom Partnerland koordiniert werden. Der Hauptteil der Gelder stammen aus dem Haushalt des Bundesministeriums für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (BMZ), gefolgt vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU) über die Internationale Klimaschutzinitiative (IKI). Die Klimagelder im bilateralen Bereich werden über die Vergabe der Rio Marker gekennzeichnet, wobei der Rio Marker 2 Vorhaben kennzeichnet, die Klimaschutz bzw. -anpassung als Hauptziel des Vorhabens definieren, während ein Rio Marker 1 ausdrückt, dass dies ein Nebenziel ist. Schaut man nur auf die Haushaltsmittel (d.h. blendet Entwicklungskredite etc. aus), nähert sich Deutschland der international angestrebten Ausgewogenheit zwischen Klimaschutz und Anpassung an. Allerdings fließen deutlich mehr Marktmittel, die über private Akteure gehebelt werden, in den Klimaschutz. Die Vergabe über zivilgesellschaftliche Kanäle lagen über die letzten Jahre für die Zuschussmittel bei 16 Prozent, einschließlich der Darlehen bei 10 Prozent.

Kritische Überprüfung der Anrechnungspraxis für Anpassung fehlt

Die angestrebte politische Gleichgewichtung von Anpassung und Minderung in der Gesamtschau (Haushalts- und Marktmittel) wird von der Analyse nicht bestätigt. Zudem werden im Bereich Anpassung vor allem Vorhaben mit Anpassung als Nebenziel gefördert. Von 2011 bis 2017 machen Anpassungsprojekte 54 bis 65% aller Projekte mit Klima als Nebenziel und 28 bis 44% aller Projekte mit Klima als Hauptziel aus. Der größte Teil der deutschen Anpassungsfinanzierung fließt in die Sektoren Umweltschutz, Landwirtschaft und Wasser. Nicht klar wird aus der Portfolio-Analyse aber, wie hoch der Anteil von Projekten mit Klimaanpassung als Haupt- bzw. Nebenziel in den einzelnen Sektoren ist und ob sich zwischen den Sektoren Unterschiede beobachten lassen.

Auch lässt sich aus der Portfolio-Analyse nicht erkennen, welcher Anteil der Projekte, die Anpassung als Nebenziel angeben, tatsächlich auch Klimawandelanpassung in ihre Umsetzung integriert haben. Diese Kritik wurde immer wieder formuliert (u.a. von Adaptation Watch oder in einer 2017 von uns veröffentlichen Studie), denn in der Praxis sind viele Projekte, die als Klimafinanzierung klassifiziert und angerechnet werden, nur ungenügend auf die Risiken des Klimawandels und eine zielgerichtete Anpassung ausgerichtet. Der von den multilateralen Entwicklungsbanken entwickelte „3-step-approach“ für die Klassifizierung von Anpassungsmaßnahmen bildet eine verbesserte Möglichkeit zur Einstufung und Überprüfung, wie sehr Vorhaben:

  1. die klimawandelbedingten Risiken in ihrem Kontext reflektieren,
  2. ihre (Teil-)Ziele auf die identifizierten Risiken hin ausrichten, und
  3. ihre Maßnahmen dementsprechend zur Reduzierung dieser Risiken planen.

Das Verfahren wird auch von der OECD-DAC für die Anwendung der Rio Marker empfohlen. Diese Überprüfung der deutschen Anpassungsfinanzierung steht aber auch nach der Portfolio-Analyse noch aus.

Begrenzte Reflektion der Bedürfnisse der Partnerländer

Die Anwendung des 3-step-approach ist auch in Hinblick auf die Evaluierungsfragen des DEval relevant, inwieweit das Portfolio auf die Prioritäten der Entwicklungspartner und wissenschaftlichen Erkenntnissen sowie auf die Klimavulnerabilität der Partnerländer ausgerichtet ist. Die Ausrichtung der Anpassungsfinanzierung auf die Bedürfnisse der Partnerländer sollte sich u.a. in der Ausrichtung der Vergabe an der Klimavulnerabilität ausdrücken, die an der Exposition gegenüber Klimarisiken, der Sensitivität und den Anpassungskapazitäten gemessen wird. Die Portfolio-Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass eine erhöhte Klimavulnerabilität die Wahrscheinlichkeit eines Landes erhöht, deutsche Anpassungsfinanzierung zu erhalten. Auch scheint sich die Vergabe am Aspekt der Bedürftigkeit der Partnerländer zu orientieren, denn Anpassungszusagen gehen eher an Länder mit niedriger Anpassungskapazität. Dies ist grundsätzlich richtig. Gleichzeitig erhalten aber die kleinen Inselstaaten (Small Islands Developing States, SIDS) als besonders vulnerable Gruppe unterdurchschnittlich wenig Anpassungsfinanzierung. Zudem zeigt die Analyse, dass Deutschland vor allem in den Ländern Anpassung finanziert, in denen sich bereits viele Geber engagieren. Dies birgt das Risiko, dass es extrem vulnerable Länder gibt, die durch die Raster der Anpassungsfinanzierung fallen. Deutschland sollte im Kreis der Geberstaaten darauf hinwirken, dass dies vermieden wird und ggf. solche Länder gezielt unterstützen.

Die Portfolio-Analyse lässt auch keinen Schluss darauf zu, inwieweit Klimavulnerabilität auf subnationaler Ebene oder in Hinblick auf besonders vulnerable Gruppen in der deutschen Anpassungsfinanzierung reflektiert ist. Frauen und Mädchen sind oft extrem verletzlich gegenüber den Klimawandelfolgen. Die Ausrichtung auf Genderbelange der finanzierten Vorhaben bildet sich ebenfalls über einen Gender Marker in den OECD-DAC Statistiken ab, wurde aber in der Portfolio-Analyse nicht berücksichtigt. Eine Analyse von Care verdeutlicht, dass Gender bisher noch in nur 61% der deutschen Anpassungsfinanzierung ansatzweise integriert wird und dort nicht als ein prioritäres Ziel.

Ebenso wenig lässt die in der Portfolioanalyse identifizierte sektorale Übereinstimmung mit den nationalen Klimapläne (NDC) einen Rückschluss darauf zu, ob die konkreten Vorhaben tatsächlich die Umsetzung der nationalen Klimaziele und der in den NDC priorisierten Maßnahmen und Sektoren fördern. Dies ist aber erklärtes Ziel z.B. des BMZ, das seine gesamte „Klima- und klimarelevante Entwicklungsfinanzierung umfassend auf die NDC-Umsetzung“ ausrichten möchte.

Mangelnde Kohärenz und Komplementarität der deutschen Anpassungsfinanzierung

Die Portfolio-Analyse kommt ebenfalls zu dem Schluss, dass die deutsche EZ bisher über keine systematische Anpassungsstrategie verfügt. BMZ und BMU setzen ihre jeweiligen thematischen und regionalen Schwerpunkte für Anpassung innerhalb ihres jeweiligen Profils um. Abgesehen von einem zunehmenden Informationsaustausch findet aber keine systematische Abstimmung zwischen den Ministerien statt. Auch gibt es keine öffentlich verfügbare Klima- bzw. Anpassungsstrategie, wie sie von zivilgesellschaftlicher Seite bereits gefordert wurde.

Das Fehlen einer umfassenden Strategie betrifft auch die Rolle, die die deutsche Zivilgesellschaft in der Förderung der Anpassung an den Klimawandel spielen kann. Zivilgesellschaftliche Organisationen fördern oft komplementäre Ansätze zu den staatlichen Implementierungspartnern, die auch für kleine, zivilgesellschaftliche Akteure in den Partnerländern zugänglich ist und damit deren Zugang zur Klimafinanzierung verbessert. Klimafinanzierung wäre damit ein Mittel zur Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen in den Partnerländern, damit besonders vulnerable Gruppen besser erreicht werden und sich besser an den nationalen Prozessen zur Entwicklung und Umsetzung der NDCs und der NAPs (Nationale Anpassungspläne) beteiligen können.

Mit der Stagnation der Vergabe der Anpassungsfinanzierung über zivilgesellschaftliche Akteure lässt sich aber eine solche strategische Ausrichtung nicht erkennen, trotz nach Einschätzung der Autoren dieses Artikels weiterhin hohen Interesses der deutschen Zivilgesellschaft an Anpassungsmaßnahmen. Die DEval Studie sagt dazu: „Aus Sicht der Ministerien sind die Kapazitäten der Zivilgesellschaft zur Umsetzung weiterer Mittel derzeit erschöpft. Aus Sicht der Zivilgesellschaft fehlt es an geeigneten Förderlinien.“ (S. 23) Das BMZ sieht in seiner Stellungnahme hier weiteren Analysebedarf zur Ist-Situation und den Ursachen bzw. Ansatzpunkten. Barrieren für den Zugang zu existierenden Förderrichtlinien, über die Klimamittel abgewickelt werden sind ein Diskussionsgegenstand, zu dem auch der entwicklungspolitische Dachverband VENRO beispielsweise in einer Stellungnahme im März 2020 vor dem Hintergrund der COVID-19-Krise größere Flexibilität angemahnt (z.B. bei der Übertragung von Projektmitteln in das nächste Haushaltsjahr) sowie eine Absenkung des relativ hohen Eigenbeitrags vom Regelwert von 25% auf 10% in einer weiteren Stellungnahme zum Bundeshaushalt 2021 gefordert hat.

Schlussfolgerungen aus zivilgesellschaftlicher Sicht

Die Porfolio- und Allokatonsanalyse des DEval bestätigt viele Baustellen der deutschen Klimafinanzierung, die durch die Zivilgesellschaft bereits an anderer Stelle thematisiert wurden. Positive Aspekte sind die grundsätzliche Bedeutung von Anpassung in der deutschen Klimafinanzierung, auch wenn eine wirkliche Balance bei der Mittelallokation zwischen Klimaschutz und Anpassung noch nicht erreicht ist, und die Beachtung der von Vulnerabilitäten der Partnerländer gegenüber der Klimakrise bei der Mittelvergabe. Negative Aspekte sind die fehlende Gesamtstrategie, die unzureichende Priorisierung von extrem vulnerablen Ländergruppen wie die SIDS, die hohe Geberkonzentration und das stagnierende Niveau der Mittel für zivilgesellschaftliche Akteure.

Die Portfolio- und Allokationsanalyse bildet damit eine gute Grundlage, um auf einer besseren Datenbasis die deutsche Anpassungsfinanzierung zu diskutieren. Sie lässt aber einige Fragen unbeantwortet. Dazu gehört die Frage, ob der Fokus auf Projekte mit Anpassung als Nebenziel wirklich ein Mainstreaming von Anpassung in der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet, oder eher eine großzügige Kodierung mit den Rio-Markern ohne die entsprechende Ausrichtung in den Maßnahmen. Ebenso bleibt die strategische Ausrichtung der Klimafinanzierung auf besonders vulnerable Gruppen (wie z.B. Frauen und Mädchen), und die tatsächliche Ausrichtung der Entwicklungszusammenarbeit an den nationalen Klimaplänen unklar.

Für diese Fragen braucht es weiterhin eine systematische Erhebung und Evaluierung der deutschen Klimafinanzierung. Das DEval sollte diese Fragen möglichst in zukünftigen Evaluierungen mit aufgreifen. Wesentliche Akteure, insbesondere das BMZ und das BMU, sollten aktiv die aufgeworfenen Fragen und Probleme angehen und unter Einbezug der Zivilgesellschaft Strategien zur weiteren Verbesserung der Anpassungsfinanzierung entwickeln.

Sven Harmeling / CARE
Christine Lottje