Transparenz / Umsetzung der Klimafinanzierung
Klimaschutz und Armutsbekämpfung in der Klimafinanzierung zusammen denken
Welchen Beitrag leisten von Deutschland finanzierte Klimaschutzprojekte zur langfristigen Dekarbonisierung und Armutsbekämpfung in Entwicklungsländern? Dieser Frage geht eine Analyse der Website www.deutscheklimafinanzierung.de vor dem Hintergrund des weltweiten Klimawandels und den Herausforderungen in der Bekämpfung von Armut und Hunger in Entwicklungsländern nach. Das Ergebnis zeigt: Bisher ist die deutsche Klimafinanzierung noch zu wenig auf armutsmindernde und nachhaltige Entwicklungspfade ausgerichtet und auch die Partizipation von Zivilgesellschaft und lokaler Bevölkerung als wesentliches Element der gesellschaftlichen Teilhabe ist in Emissionsminderungsprojekten nicht systematisch verankert.
Der Klimawandel stellt vor allem Entwicklungsländer vor massive Probleme, erschwert den Kampf gegen Hunger und Armut oder verschärft die Lage für arme Bevölkerungsschichten sogar. Aufzuhalten ist er nur durch einen tiefgreifenden Wandel im Energiesystem, sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern. Die langfristige Dekarbonisierung der Wirtschaft und die Erreichung des gesetzten Ziels, die globale Klimaerwärmung auf allerhöchstens 2°C zu begrenzen, müssen daher oberste Priorität haben, um die Erreichung von Entwicklungszielen nicht unmöglich zu machen. Diese Erkenntnis wird auch im internationalen Rahmen reflektiert, indem z.B. im Rahmen der Vereinten Nationen (UN) mit den Verhandlungen um die Sustainable Development Goals (SDG) versucht wird, die Umwelt- und Entwicklungsagenden zusammenzubringen. Wie genau das aber stattfinden kann und welchen Stellenwert die Klimafinanzierung darin einnehmen soll, ist aber immer noch völlig unklar.
Klimafinanzierung und Energiepolitik in Entwicklungsländern
Die Herausforderungen, vor denen die Entwicklungsländer im Energiebereich stehen, können auf Basis einer Studie der Friedrich Ebert Stiftung folgendermaßen zusammengefasst werden: Arme Bevölkerungsgruppen brauchen Zugang zu Energie für die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen, während die neue Mittelklasse effizienter mit Energie umgehen und in einigen Fällen den Verbrauch drosseln muss. Hieraus ergeben sich die drei Handlungsfelder: Überwindung der Energiearmut, Aufbau einer modernen Energieinfrastruktur und Schaffung eines energiepolitischen Ordnungsrahmens.
Der Zusammenhang zwischen Klimafinanzierung und Armutsbekämpfung wird bisher in der Regel vor allem im Kontext von Anpassungsprojekten und klimaresilenter Entwicklung diskutiert, obwohl auch der Energiebereich hierzu vor zentralen Herausforderungen steht. Neben der Überwindung der Energiearmut haben Energieprojekte auch Auswirkungen auf die Situation der Armen vor Ort (z.B. durch Umsiedelungen aufgrund von Staudämmen) und auf den Entwicklungspfad des Landes. Hier stellt sich die Frage, wer von der aufgebauten Energieinfrastruktur profitiert. Für Frauen und Männer stellt sich diese Frage beispielsweise sehr unterschiedlich. Grundsätzlich gilt: Entwicklungsländer, die bereits viel CO2 emittieren, müssen im Wandel des Energiesektors unterstützt werden. Und die ärmsten Länder, die wenig zum Klimawandel beitragen, sollten einen Entwicklungspfad einschlagen, der auf nachhaltigen, erneuerbaren Energiequellen basiert und sich an den Bedürfnissen der Ärmsten ausrichtet.
Klimafinanzierung und transformativer Wandel
Gleichzeitig wird immer deutlicher, dass das 2°C-Limit nur durch einen Wandel in den Entwicklungsparadigmen eingehalten werden kann und nicht nur durch Verbesserungen in bestehenden Systemen. „Transformation und „transformativer Wandel“ ist in aller Munde und wird immer mehr als Anspruch an die Klimafinanzierung formuliert. So hat sich z.B. der Green Climate Fund (GCF) die Finanzierung eines „paradigm shifts“ als Ziel gesetzt. Die von Deutschland kofinanzierte NAMA Facility unterstützt explizit Projekte mit dem Potential für transformativen Wandel. Dabei gibt es bisher wenig Klarheit darüber, was damit genau gemeint sein soll.
Es wird an verschiedenen Stellen an Kriterien gearbeitet, wie die Klimafinanzierung „transformative“ Projekte identifizieren und fördern kann. Das Wuppertal Institut hat in einem Forschungsprojekt eine Definition erarbeitet, die transformativen Wandel als eine strukturelle Veränderung versteht, die die institutionelle, technologische und kulturelle Interaktion verändert und neue Entwicklungspfade eröffnet. Aufgrund der hohen Komplexität ist es in der Praxis unmöglich zu bewerten, ob ein Projekt transformativ ist oder welchen konkreten Beitrag es zu transformativen Wandel leistet. Stattdessen hat das Wuppertal Institut einige Faktoren herausgearbeitet, die bei der Planung und Durchführung von Klimaprojekten berücksichtigt werden sollten. Hierzu gehören Pionieraktivitäten, der Aufbau von Koalitionen, Veränderungen im ordnungspolitischen Rahmen und die Förderung von gesellschaftlicher Akzeptanz für die Veränderungsprozesse in der Gesellschaft (siehe Schaubild).
Mit der Energiewende hat Deutschland ein Projekt in Angriff genommen, dass international als Referenzprojekt gesehen werden, von dem sich Lehren für die Förderung einer Transformation von Energiesektoren auch in Entwicklungsländern ergeben. Diese Lehren sollten auch in die Klimafinanzierung der zentralen Akteurinnen und Akteure in Deutschland übernommen werden, die bisher jede/r seine/ihre eigene Agenda verfolgen – das BMZ eher aus dem Hintergrund der Entwicklungsförderung und das BMUB eher mit Schwerpunkt auf Umweltaspekte und Emissionsminderung.
Leistet die deutsche Klimafinanzierung einen Beitrag zur langfristiger Dekarbonisierung und Armutsbekämpfung?
Eine von der Website www.deutscheklimafinanzierung.de durchgeführte Analyse der in der Datenbank enthaltenen Projekte des BMZ und des BMUB aus den Jahren 2010 bis 2012 hat diese Frage auf Basis der öffentlich zugänglichen Informationen untersucht. Für die knapp zwei Drittel aller finanzierten Projekte, für die eine öffentliche Projektbeschreibung vorlag, kommt die Analyse zu dem Schluss, dass insgesamt drei Viertel der Projekte einen nachhaltigen Beitrag zur langfristigen Dekarbonisierung bzw. die klimafreundliche Entwicklung der Länder auch über die Projektdauer bzw. den Projektwirkungsbereich hinaus unterstützen. Während bei der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI, BMUB) 94 Prozent der Projekte explizit darauf ausgerichtet sind, lässt sich dies nur für zwei Drittel (65 Prozent) der Projekte des BMZ bestätigen. Dahingegen lässt sich bei insgesamt nur 22 Prozent aller untersuchten Projekte erkennen, dass Armutsbekämpfung in Zielen und Maßnahmen verankert ist oder die Projekte mit besonders verletzlichen Bevölkerungsgruppen arbeiten. Hier gibt es eine große Diskrepanz zwischen dem BMUB (4 Prozent) und dem BMZ (32 Prozent).
Insgesamt sind damit die Projekte der deutschen Klimafinanzierung deutlich stärker auf die Emissionsminderung ausgerichtet als auf armutsmindernde und nachhaltige Entwicklungspfade und reflektieren damit den aktuellen Stand der Debatte. Allerdings gibt es mehrere Bereiche, die kritisch zu beleuchten sind:
- Bei immerhin einem Viertel der Projekte ist kein klimabezogener Schwerpunkt in Ziel und Maßnahmen erkennbar. Diese werden trotzdem wenigstens zum Teil auf die deutsche Klimafinanzierung angerechnet.
- Technologien, wie z.B. große Wasserkraft, mindern zwar CO2-Emissionen, sind aber mit massiven Problemen belastet (u.a. durch die Umsiedelung der lokalen Bevölkerung oder andere Umweltbelastungen) und sollten nicht durch die Klimafinanzierung gefördert werden.
- Bei einigen Projekten z.B. bei Energieeffizienzmaßnahmen in energieintensiven Industriesektoren oder dem Bau von Übertragungsleitungen die Frage nach der Pfadabhängigkeit, d.h. ob diese Maßnahmen ambitioniert auf die Erreichung der langfristigen Dekarbonisierung hin ausgerichtet sind oder ob es sich um marginale Verbesserungen zur Erhaltung des bestehenden Systems handelt. Eine solche Einordnung fehlt aber in vielen Projektbeschreibungen.
Mit Blick auf die energiepolitischen Herausforderungen in Entwicklungsländern lässt sich eine eindeutige Schwerpunktsetzung in der deutschen Klimafinanzierung feststellen.
- Die Verbesserung der rechtlichen, politischen, institutionellen oder sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen im Energiebereich ist der Schwerpunkt von 86 Prozent der Projekte. Bei der IKI lässt sich zusätzlich eine Anknüpfung an aktuelle Prozesse der UNFCCC feststellen, wie u.a. NAMA und Niedrigemissionsstrategien.
- Die Einführung von Klimatechnologien oder technischer Innovation fördern 26 Prozent der Projekte. Hier gibt es allerdings einen Unterschied zwischen den Ministerien. Während bei der IKI damit in der Regel die Förderung von Pilotanlagen, technischer Innovation gefördert wird, handelt es sich beim BMZ überwiegend um die Errichtung von Großanlagen durch die KfW.
- Die Überwindung der Energiearmut in Verbindung mit Klimaschutz findet sich bei 16 Prozent der Projekte und erfolgt fast ausschließlich durch das BMZ.
Mit Blick auf den Beitrag der deutschen Klimafinanzierung für einen transformativen Wandel in den Energiesystemen der Entwicklungsländer lässt sich allerdings ein wenig systematischer Ansatz feststellen. Zwar findet sich die Einführung von technologischer Innovation durch Pilotaktivitäten vor allem bei Projekten der IKI und die Veränderung der ordnungspolitischen Rahmenbedingungen ist ein zentrales Element in vielen Projekten. Die beiden anderen vom Wuppertal Institut herausgearbeiteten Aspekte Koalitionsbildung und Förderung der gesellschaftlichen Akzeptanz für die Veränderungen im Energiesystem werden aber nicht systematisch in die Projekte integriert. So stellt die Partizipation der Zivilgesellschaft ein zentrales Element für den Aufbau von Koalitionen und die Förderung von gesellschaftlicher Akzeptanz für Veränderungen im Energiebereich dar. Allerdings haben nur 29 Prozent der Projekte mit einem Klimaschwerpunkt auch gleichzeitig explizit die Partizipation der Zivilgesellschaft in der Projektplanung bzw. -umsetzung verankert.
Schlussfolgerungen
Vor dem Hintergrund der internationalen Diskussionen um die Verbindung zwischen Umwelt- und Entwicklungsagenda und transformativen Wandel lassen sich aus der Analyse einige Schlussfolgerungen für die deutsche Klimafinanzierung ziehen:
- Die untersuchten Klimaschutzprojekte reflektieren vor allem in den Bereichen den aktuellen Stand der Debatte, die dem Profil der bisherigen Förderung der Ministerien entspricht. Eine systematische Verankerung neuer Entwicklungen und Debatten um armutsmindernde und transformative Entwicklungspfade und eine kohärente Ausrichtung der deutschen Klimafinanzierung darauf lässt sich aber bisher nicht erkennen.
- Der Klimafokus muss insbesondere beim BMZ stärker ausgebaut werden, damit nicht Projekte auf die Klimafinanzierung angerechnet werden, die zwar andere wichtige entwicklungspolitische Ziele verfolgen, aber in denen der Klimaschutz nur eine untergeordnete Rolle spielt. Dies hängt mit der Frage zusammen, ob die Klimafinanzierung tatsächlich zusätzlich zur Entwicklungsfinanzierung erfolgt oder ob Gelder einfach umgewidmet werden, um den internationalen Finanzierungsverpflichtungen nachzukommen.
- Grundsätzlich finden sich die energiepolitischen Herausforderungen in Entwicklungsländern in den Schwerpunkten der Klimafinanzierung wieder. Dabei ist die Schaffung einer modernen Energieinfrastruktur und eines energiepolitischen Ordnungsrahmens der strategische Schwerpunkt der Klimafinanzierung deutlich vor der Förderung von Innovation. Der Bereich Überwindung der Energiearmut wird ausschließlich durch BMZ gefördert, allerdings zu einem geringeren Anteil als die beiden anderen Themenbereiche.
- Auch wenn die IKI ein strategisches Instrument der Bundesregierung für die Umsetzung der Klimarahmenkonvention ist, sollte sie einen stärkeren Fokus auf die Armutsbekämpfung legen. Nur so kann sichergestellt werden, dass von der Entwicklung im Energiebereich auch arme Bevölkerungsschichten profitieren.
- Die Partizipation der Zivilgesellschaft als ein wichtiges Element von transformativem Wandel im Energiebereich ist nur unzureichend in den Projekten der Klimafinanzierung verankert. Damit fehlt ein zentrales Element, um gesellschaftliche Veränderungen anzustoßen, die für eine Einhaltung des 2°-Limits nötig sind.
Christine Lottje
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