Andere Themen
Klimafinanzierung: für transformativen Wandel (?)
Fünf Jahre vor der nächsten großen »Klima-Deadline« debattieren Regierungschefs immer noch über Deadlines. Sie sind weit davon entfernt, sich auch nur auf eine grundlegende Roadmap für die Erfüllung der von den industrialisierten Ländern gegenüber dem globalen Süden gemachten Finanzierungszusagen zu einigen, ganz zu schweigen davon, die Mittel zu mobilisieren. Dazu gehören die 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr, die den Entwicklungsländern zur Klimafinanzierung bis 2020 versprochen worden sind, ein Betrag, den Klimawissenschaftler kaum für ausreichend halten, um die Herausforderungen zu meistern, vor denen wir stehen.
In Paris scheinen nicht einmal mehr verpflichtende Zahlungszusagen auf der Tagesordnung zu stehen, und uns aus dem globalen Süden bleibt nur, an die Bereitschaft der reichen Geberländer zu appellieren, ihren Verpflichtungen nachzukommen, während zugleich unsere eigenen Regierungen damit zu kämpfen haben, ihre Zusagen in den Bereichen Armutsbekämpfung und ökologische Nachhaltigkeit zu erfüllen und den Lebensstandard der Mehrheit der Menschen in unseren Ländern zu verbessern.
So, wie die Dinge stehen, ist unverkennbar, dass unsere Regierungen in denselben Paradigmen gefangen sind, die uns in das Dilemma gebracht haben, in dem wir uns befinden, so sehr sich die Sprache, in der die Klimadebatte geführt wird, in den letzten Jahren auch gewandelt haben mag. In der Tat hat sich der Klimawandel so stark in den Vordergrund gedrängt, dass er inzwischen mit dem Diskurs über Entwicklung generell verknüpft worden ist.
Doch momentan ist noch völlig unklar, welche Stellung genau die Klimafinanzierung in der neuen »Post-2015-Welt« einnehmen wird, die uns immer wieder versprochen wird. Die Debatten um die nachhaltigen Entwicklungsziele der Post-2015-Agenda und um die Mittel zu ihrer Finanzierung werden weitgehend voneinander getrennt geführt. Die Widersprüchlichkeit, die die Verhandlungen kennzeichnet, steht in unangenehmen Kontrast zu der Rhetorik über die umfassenderen Veränderungen in der globalen Entwicklungsarena.
Prinzipien für die Klimafinanzierung und darüber hinaus
In diesem Kontext wird der Zivilgesellschaft gesagt, sie solle ihre Hoffnungen auf ein vernünftiges Maß begrenzen. Das sehen wir, mit Verlaub, anders – und haben ein paar erste Grundsätze für die Finanzierung echter Transformation im künftigen Klimaregime und darüber hinaus erarbeitet.
An erster Stelle fordern wir, dass die Klimafinanzierung – nicht anders als die Entwicklungshilfe – den in Paris und Busan getroffenen Vereinbarungen zur Wirksamkeit von Entwicklungshilfe und Entwicklungszusammenarbeit entsprechen muss. Öffentliche Entwicklungshilfe und Klimafinanzierung müssen voneinander getrennt gehalten und neu und zusätzlich sein. Der Löwenanteil der Klimafinanzierung sollte durch öffentliche Maßnahmen erfolgen, etwa durch nationale CO2-Steuern in den Industrieländern, die Umschichtung staatlicher Subventionen weg von fossilen Energieträgern, eine internationale Treibstoffabgabe für den Flug- und Schiffsverkehr sowie eine weltweite Steuer auf Finanztransaktionen.
Wie auch immer das nach 2015 entstehende Klimafinanzierungsregime aussehen wird, es sollte eine echte transformative Verlagerung weg von den alten Entwicklungsparadigmen fördern und nicht auf marktbasierten Mechanismen als »Lösungen« für die Klimakrise beruhen, zu denen der Emissionshandel oder Clean Development Mechanism (CDM) zählen. Diese begünstigen überproportional große Investoren und große Entwicklungsländer wie Indien und China, auf die aktuell über 70 Prozent der CDM-Projekte entfallen.
Vor allem müssen wirksame Schritte ergriffen werden, um zu verhindern, dass Institutionen wie der Green Climate Fund (GCF) fossile Energieprojekte im globalen Süden finanzieren. Die Klimafinanzierung muss vielmehr auf Investitionen ausgerichtet werden, die auf einem soliden wissenschaftlichen Verständnis der Ursachen von und Lösungen für den Klimawandel beruhen, Lösungen, die oftmals kontraintuitiv sind und der bestehenden Neigung zu großangelegten technischen Lösungen entgegenlaufen. Solche Lösungen reichen von tief greifenden strukturellen Veränderungen in den sozioökonomischen Institutionen bis hin zum Respekt für lokales Wissen und der Wiederherstellung der globalen Gemeinschaftsgüter (global commons). Der Klimawandel ist eine Herausforderung, die auf allen Ebenen in Angriff genommen werden muss. Seine Ursachen sind in der Summe global, seine Folgen aber werden am stärksten auf der lokalen Ebene sprübar und treffen besonders die Ärmsten und Schwächsten.
Damit zusammenhängend sollte anstelle übermäßig restriktiver intellektueller Eigentumsrechte die wechselseitige Nutzung umwelt- und menschenfreundlicher Technologien auf internationaler Ebene treten. Das beinhaltet die Bereitstellung der finanziellen Ressourcen und Freiräume für wissenschaftliche Innovationen in Entwicklungsländern bei gleichzeitiger Bewahrung und Förderung des lokalen Wissens, bevor es endgültig verloren geht. Die Komplexität der globalen Umweltkrise bedeutet, dass wir aus den vielfältigen Quellen, die die Geschichte und die Natur uns bereitstellen, lernen können und müssen, ob es sich nun um das Jahrtausende alte Wissen indischer Bauern zur Gewinnung von eigenem Saatgut oder die neuesten, von westlichen Wissenschaftlern entwickelten Solarenergietechnologien handelt.
Klimainvestitionen sollten ausschließlich in konkrete, die Menschen und den Planeten an erste Stelle setzende Entwicklungsprojekte und nationale Aktionspläne fließen, statt die Profite eines neuen Schlags spekulativer »Klimainvestoren« zu mehren. Die Rendite dieser Investitionen ist sekundär zu der Notwendigkeit, dauerhafte Veränderungen zu bewirken, die den Menschen vor Ort zugute kommen und sie in die Lage versetzen, in relativer Harmonie mit ihrer Umwelt zu leben. Klimafinanzierungszusagen gegenüber Entwicklungsländern nicht einzuhalten, weil die Möglichkeit besteht, dass Projekte scheitern oder schlecht verwaltet werden könnten, ist eine lahme Ausrede in Zeiten, in denen der Klimawandel eine weitaus größere Gefahr darstellt als das eine oder andere gescheiterte Entwicklungsprojekt. Die Ressourcen zu begrenzen, die dringend zur Minderung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen gebraucht werden, birgt für sich genommen ein immenses Risiko, und jeder Tag, den wir warten, ist ein Tag weniger, der uns bleibt, die globale Erwärmung in halbwegs beherrschbaren Grenzen zu halten.
Wir sollten den Erfolg unserer kollektiven Maßnahmen eher daran messen, inwieweit sie das Leben von Menschen verbessern, als an ihrer Kosteneffizienz.
Auch die öffentliche Kontrolle über die Klimafinanzierung ist von überragender Bedeutung. Die Eigenverantwortung der Empfängerländer für Klimainvestitionen ist kein Vorrecht der nationalen Regierungen allein. Die Menschen an den Frontlinien des Klimawandels müssen die Möglichkeit erhalten, sich an der Entscheidungsfindung über die Finanzierung von Anpassungs- und Minderungsmaßnahmen im globalen Süden zu beteiligen. Transparenz und Rechenschaftspflichten sind dabei Schlüsselelemente.
Während staatliche Unterhändler die Notwendigkeit betonen, Verantwortlichkeit und finanzielle Verpflichtungen im Klimaregime »auszubalancieren«, mangelt es am deutlichen Willen seitens der Eliten und Regierungen sowohl im Norden als auch im Süden, sich von ökonomischen Praktiken abzuwenden, die ökologisch und sozial schädlich sind und die globale Abhängigkeit von fossilen Energien zementieren.
Darüber hinaus ist es erforderlich, die Geberbemühungen entlang kohärenter und allgemein vereinbarter Grundsätze für die Klimafinanzierung besser abzustimmen.
Unsere Hoffnung ist es, dass diesen Forderungen in Paris nachgekommen wird. Hieran kann die Bereitschaft und der politische Wille der Länder im Norden und im Süden für eine echte transformative Klimafinanzierungsagenda gemessen werden.
Lauron Tetet, CJ Chanco / IBON, Philippinen