UNFCCC / 100 Milliarden / Internationale Klimafinanzierung / Zusagen
Klimafinanzierung auf der COP27: Fortschritte möglich?
Die anstehende UN-Weltklimakonferenz COP27 findet in einer Zeit multipler Krisen in der Welt statt. Ein Erfolg ist ungewiss aber dringend nötig. Das gilt auch für die Klimafinanzierung. Was ist hier zu erwarten?
Die COP27 steht vor besonderen Herausforderungen – nicht zuletzt der Krieg in der Ukraine erzeugt einen erheblich veränderten geopolitischen Kontext, sondern birgt auch für den Multilateralismus große Risiken; auch die indirekten Folgen, wie etwa die in Deutschland derzeit omnipräsente Energiekrise und die weltweite Ernährungskrise, die wiederum auf die wachsende Schuldenkrise im Globalen Süden wirkt, verändern die Gemengelage und sind alles andere als günstige Vorzeichen für Fortschritte in der internationalen Klimapolitik. Hinzu kommen besorgniserregende Nachrichten der Klima-Agenda. Darunter sind zum einen die immer deutlicher werdenden Auswirkungen der Klimakrise, seien es die extremen Hitzewellen und Waldbrände auch in Europa, die anhaltende, beispiellose Trockenheit im östlichen Afrika oder die katastrophalen Überschwemmungen in Pakistan. Sie stehen zum anderen der eklatanten Unzulänglichkeit der Klimaziele der Länder unter dem Pariser Abkommen gegenüber. Wie das UN-Klimasekretariat kürzlich berichtete, werden die weltweiten Emissionen bis 2030 noch um rund 11 Prozent (gegenüber 2010) zunehmen. Für das Halten der 1,5°C-Grenze des Pariser Abkommens wäre hingegen eine Reduktion um rund 45% bis 2030 notwendig. Die Vorgabe der COP26, dass jedes Land seine unzureichenden Klimaziele innerhalb eines Jahres (also: bis zur COP27) nachbessern solle, haben die meisten Länder einfach ignoriert, darunter auch die EU, die allerdings immerhin mit ihren jüngsten Ratsbeschlüssen zur COP27 eine weitere Erhöhung zu einem späteren Zeitpunkt vage in Aussicht gestellt hat. Keine einfache Ausgangslage für die COP27 also.
Schlüsselrolle Klimafinanzierung
Die Klimafinanzierung kann hier eine Schlüsselrolle spielen – die Unterstützung der reichen Industrieländer ist integral für die Möglichkeiten der ärmeren Länder, sich an die Veränderungen anzupassen, gegen künftige Klimarisiken zu schützen, die klima-kompatible Entwicklung voranzubringen und mit unvermeidlichen Verlusten und Schäden umzugehen. Dennoch hakt es auch hier. Die OECD hatte im Juli bestätigt, dass die Industrieländer mit einem erreichten 2020er Niveau von nur 83,3 Milliarden US-Dollar ihr Versprechen deutlich gebrochen haben, die Unterstützung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar anzuheben. Die Unterstützung, die die Industrieländer geleistet zu haben berichten, ist nach verschiedenen Einschätzungen zudem deutlich überschätzt, besteht zum Großteil aus Krediten, die die Schuldenberge der ärmeren Länder weiter vergrößern, und vernachlässigt weiterhin den Bereich Anpassung an die klimatischen Veränderungen.
Vor diesem Hintergrund stellen sich für die COP27 im Bereich Klimafinanzierung diese vier zentralen Herausforderungen:
- Die Industrieländer stehen weiter in der Pflicht, ihre 100-Milliarden-Zusage zu erfüllen. Derzeit ist dafür das Jahr 2023 anvisiert, aber auch das ist nicht gesichert. Die COP27 könnte nun die Industrieländer auffordern, die Mittel weiter ansteigen zu lassen, so dass über den Zeitraum 2020-2025 im Durchschnitt jährlich 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zur Verfügung stehen – mithin die Unterfüllung in früheren Jahren in späteren Jahren wieder ausgeglichen wird.
- Die COP26 hatte das Ziel beschlossen, dass die Mittel für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen bis 2025 verdoppelt werden sollen (innerhalb der 100 Milliarden, nicht zusätzlich). Die Erfahrung mit dem 100-Milliarden-Ziel zeigt aber, dass es auch verlässliche Umsetzungspläne geben muss, um ausreichend Sicherheit zu erzeugen, dass Ziele und Zusagen auch erreicht bzw. eingehalten werden. Die COP27 sollte daher die Industrieländer verpflichten, einen konkreten Fahrplan vorzulegen, wie die Verdoppelung zustande kommen wird.
- Großbaustelle der COP27 wird der Umgang mit unvermeidlichen Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels sein, wenn zunehmend die Grenzen der Anpassungsmöglichkeiten erreicht werden. Nach wie vor gibt es keine verlässliche und verbindliche finanzielle Unterstützung für die vulnerablen Länder zur Bewältigung von Klimafolgeschäden, etwa für den Wiederaufbau nach Katastrophen oder den Ausgleich für schleichende Einkommensverluste der Menschen in der Landwirtschaft. Bisher blockieren die Industrieländer die Einrichtung einer speziellen Fazilität, die solche Unterstützung verlässlich bereitstellen bzw. im Zusammenspiel mit bestehenden Arrangements koordinieren könnte. Hier könnte die COP27 zumindest einen wegweisenden Richtungsbeschluss fassen, der die Einrichtung einer solchen Fazilität festlegt, die Ausarbeitung der Details aber in die Zeit danach verlegt. Ebenso wäre mindestens ein klarer Auftrag zur Befassung mit möglichen neuen und zusätzlichen Finanzquellen notwendig.
- Die UN-Klimakonferenz im Jahr 2024 wird ein neues Globalziel für die Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 festlegen, dass auf dem 100-Milliarden-Ziel aufbauen soll, aber stärker die tatsächlichen Bedarfe der ärmeren Länder berücksichtigen soll. Seit der COP26 tauschen sich die Regierungen in eigens eingerichteten Technical Expert Dialogues über die zunächst noch technischen Aspekte rund um dieses neue Ziel aus. Der vierte dieser Expert:innendialogue steht nun für die COP27 an. Wichtig für das neue Ziel wird insbesondere die Unterscheidung zwischen einer Komponente für die direkte Unterstützung für die ärmeren Länder durch die Industrieländer und einer Komponente zur Mobilisierung bzw. Umschichtung weltweiter Investitionsflüsse. Zudem wäre es vermutlich sinnvoll, ein eigenes Unterziel für den Bereich Anpassung und eines für den Bereich Klimafolgeschäden einzurichten. Schließlich muss geregelt werden, in welchen zyklischen Abständen das Ziel nachjustiert wird, um künftigen Entwicklungen und Veränderungen bei den Bedarfen der ärmeren Ländern Rechnung zu tragen.
Außerhalb der formalen Agenda
Neben den formalen Punkten der Verhandlungsagenda dürfte es auch anderswo um die Klimafinanzierung gehen. Zum Beispiel ist mit einer Reihe von Zusagen einzelner Industrieländer für die diversen multilateralen Klimafonds zu rechnen – etwa an den Adaptation Fund oder an den Least Developed Countries Fund. Die Bundesregierung und andere Akteure könnten zudem Zusagen leisten für den von den G7 gestarteten Global Shield against Climate Risks. Solche Zusagen sind in der Regel wichtig und willkommen, finden aber grundsätzlich innerhalb des 100-Milliarden-Versprechens statt und stellen also keine zusätzlichen Gelder bereit. Für die COP27 auch interessant ist die Frage, wann die Bundesregierung beginnt, ihre Zusage umzusetzen, die Mittel für die Klimafinanzierung bis 2025 auf mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben – bisher sollen die Gelder zumindest für 2022 und 2023 bei rund 4,3 Milliarden Euro verharren, ein Wachstum bis 2025 ist derzeit nicht geplant, auch wenn Bundeskanzler Olaf Scholz die 6-Milliarden-Zusage seiner Vorgängerin auf dem diesjährigen G7-Gipfel noch einmal bestätigt hatte. Blamieren könnte sich die Bundesregierung auch hinsichtlich der auf der COP26 gestarteten Initiative zahlreicher Länder (darunter Deutschland), die öffentlichen Investitionen für fossile Energieprojekte im Ausland zu beenden – vor dem Hintergrund der Pläne, den Wegfall der Gasimporte durch neue Gasprojekte im Ausland zu ersetzen, steht hier die Gefahr der Doppelmoral und Widersprüchlichkeit im Raum.
Jan Kowalzig, Oxfam
Sabine Minninger, Brot für die Welt
Sven Harmeling, CARE
David Ryfisch, Germanwatch