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Klimafinanzierung der Bundesregierung: So funktioniert die „Verdoppelung“

Wir hatten darüber schon geschrieben, inzwischen hat die Bundesregierung es bestätigt: Beim Versprechen der Bundeskanzlerin, die Klimafinanzierung aus Deutschland bis 2020 zu verdoppeln, wird ziemlich ‚kreativ‘ gerechnet. Es lohnt also, einmal genau hinzuschauen.

Im Mai 2015 hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem Petersberger Klimadialog verkündet, die Klimafinanzierung aus Deutschland werde zwischen 2014 und 2020 verdoppelt. Wenige Monate bevor das neue Klimaschutzabkommen auf dem Pariser UN-Gipfel beschlossen werden sollte, war dieses Versprechen sorgfältig plaziert – als Signal an die Entwicklungsländer, dass die reichen Länder zu ihrer Zusage stehen, bis 2020 die Klimafinanzierung auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben. Andere Geberländer standen plötzlich gehörig unter Druck. Gut so.

Kurz nach der Ankündigung stellte Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth per Twitter klar, dass sich die Verdoppelung auf die für 2014 anvisierten öffentlichen Klima-Hilfen in Höhe von rund 2 Mrd. Euro beziehe. Das wären also (1) bilaterale Klima-Zuschüsse (zumeist über die GIZ oder die KfW, aber auch nichtstaatliche Akteure wie Kirchen oder die politischen Stiftungen); (2) Mittel für die KfW, die damit  zinsvergünstigte Klima-Kredite an Entwicklungsländer erzeugt; und (3) für Zuschüsse an multilaterale Klimafonds (wie etwa den Green Climate Fund oder den Adaptation Fund).

Abb. 1: Echte und ‚kreative‘ Verdoppelung der Klimafinanzierung

Eine ehrliche Erfüllung des Versprechens der Bundeskanzlerin würde es erfordern, dass die Mittel für bilaterale Zuschüsse (inklusive Zinssubventionen und Mittel für die Zivilgesellschaft) und Beiträge an multilaterale Klima¬-Fonds verdoppelt würden – denn deren Ausgangsniveau 2014 war mit rund zwei Milliarden Euro die Grundlage des Versprechens zur Verdoppelung. Die Bundesregierung aber möchte für die erforderlichen rund vier Milliarden Euro auch die anteiligen Mittel für die multilateralen Entwicklungsbanken (MDBs) und die Zuschussäquivalente von Entwicklungskrediten (d.h. deren rechnerischen finanziellen Vorteil gegenüber Krediten zu Marktkonditionen) anrechnen. Quelle: Eigene Darstellung

 

„Verdoppelung“ nur im Taschenrechner der Bundesregierung

Soweit so gut. In den Erläuterungen zum Bundeshaushalt 2017 aber gab die Bundesregierung preis (und bestätigte dies später auf Anfrage aus dem Bundestag nochmals), dass für das Zielniveau von rund 4 Mrd. Euro im Jahr 2020 nicht nur die drei oben aufgeführten Posten angerechnet würden, sondern auch die Zuschussäquivalente zinsvergünstigter Klima-Kredite für Entwicklungsländer, abzüglich (um eine Doppelzählung zu vermeiden) der dafür an die KfW weitergereichten Haushaltsmittel, die unter Punkt (2) oben genannt werden. Außerdem wird ein Teil deutscher Zahlungen an die multilateralen Entwicklungsbanken als Klimafinanzierung herangezogen, im Verhältnis der Klimafinanzierung dieser Banken zu ihrem jeweiligen Gesamtportfolio.  Die folgende Tabelle veranschaulicht die unterschiedlichen Zählweisen für 2014 und 2020:

Tabelle 1: Wie wird bei der Verdoppelung angerechnet?

Angerechnet auf Start­niveau 2014 (2 Mrd. €)

Angerechnet auf Ziel­niveau 2020 (4 Mrd. €)

Bilaterale Zuschüsse (d.h. Haushalts­mittel)
v.a. über KfW und GIZ

Ja

Ja

Einzahlungen in multilaterale
Fonds (Haushaltsmittel)

Ja

Ja

Konzessionäre Kredite
(über KfW)

Nein

Nein

Haushaltsmittel (an die KfW) zur Erzeugung dieser Kredite

Ja

Ja

… in den Krediten rechnerisch enthaltene Zuschussäquivalente

Nein

Ja

Darlehen der DEG zu Marktkonditionen

Nein

Nein

Anrechenbarer Anteil von Beiträgen an multilaterale Entwicklungsbanken

Nein

Ja

Mobilisierte private Mittel

Nein

Nein

 

Nun ist für sich genommen nichts dagegen einzuwenden, die anteiligen Beiträge Deutschlands an der Klimafinanzierung der Entwicklungsbanken oder die Zuschussäquivalente von Klima-Krediten der deutschen Klimafinanzierung zuzurechnen. Aber: Diese Posten sind nicht im Startniveau 2014 enthalten. Eine echte Verdoppelung findet also nicht statt. Jene Posten, die im Startniveau von 2014 enthalten waren, werden 2020 ein Niveau von „3-Komma-irgendwas“ Mrd. Euro erreichen. Die Lücke zu den vier Milliarden Euro soll durch Posten geschlossen werden, die auf das Startniveau 2014 nicht angerechnet wurden, sondern auch 2014 schon zusätzlich zur Verfügung standen. Das ist kreative Buchführung. Eine echte Verdoppelung bis 2020 würde erfordern, dass jene Posten, die 2014 bei rund 2 Mrd. Euro lagen, 2020 ein Niveau von rund 4 Mrd. Euro erreichen. Die Zuschusselemente von Klima-Krediten sowie die Beiträge an die Entwicklungsbanken kämen jeweils noch zusätzlich dazu, sowohl 2014 also auch 2020.

Startniveau 2014 nur Planzahl, Wachstum 2017 nicht genug

Drei weitere Aspekte kommen zu der ‚kreativen‘ Verdoppelung hinzu: Erstens waren für das Startniveau 2014 die damals geltenden Planzahlen herangezogen worden. Tatsächlich (wie sich später herausstellte) lagen die Klima-Hilfen 2014 nicht bei rund 2 Mrd. Euro, sondern bei über 2,3 Mrd. Euro. Gut, das konnte die Bundeskanzlerin nicht wissen, als sie ihre Zusage machte. Allerdings bedeutet das, dass das nötige Wachstum (von 2,3 Mrd. Euro im Jahr 2014 auf 4 Mrd. Euro im Jahr 2020) weniger stark ausfallen müsste – mithin wäre also auch eine echte Verdoppelung leichter erreichbar –  wenn der politische Wille da wäre.

Zweitens reicht das für das Jahr 2017 vorgesehene Wachstum bei der Klimafinanzierung nicht aus – unabhängig davon, ob man eine echte oder eine ‚kreative‘ Verdoppelung anstrebt. 2017 ist Halbzeit zwischen 2014 und 2020, mithin müsste die Klimafinanzierung 2017 rund 3 Mrd. Euro erreichen. Soll sie aber nicht, wie hier nachzulesen ist.

Drittens ist fraglich, ob eine Verdoppelung bis 2020 eine angemessene Steigerung darstellt, damit Deutschland seinen fairen Beitrag zum 100-Milliarden-Versprechen der Industrieländer leisten kann. Aus unserer Sicht ist das nicht der Fall. Zwar strebt die Bundesregierung an, dass Deutschland etwa 10 Prozent der 100 Milliarden besteuert, was für sich genommen in etwa einem fairen Anteil entspricht. Allerdings möchte die Bundesregierung den Großteil davon über die Anrechnung von Marktmitteln und mobilisierten privaten Investitionen stemmen, die, so wichtig und sinnvoll sie sind, keine Unterstützung im eigentlichen Sinne darstellen. Sie in die Anrechnung miteinzubeziehen bedeutet zudem, das insgesamt weniger öffentliche Mittel zur Verfügung stehen, um weitere Mittel zu mobilisieren. Angemessener wäre es daher, wenn Deutschland (und die übrigen Industrieländer) nur die tatsächlichen Transferleistungen auf das 100-Milliarden-Versprechen anrechnen würden. Dazu müsste Deutschland bis 2020 seine Klima-Hilfen aus dem Bundeshaushalt nicht verdoppeln, sondern etwa vervierfachen; Martkmittel und private Investititionen wären dann zusätzlich. Siehe dazu hier.

Was nun? Wir sind nicht hoffnungslos. Der Bundeshaushalt 2018 bietet neue Gelegenheit, das Wachstum in der Klimafinanzierung deutlicher auszuprägen und damit der Verantwortung Deutschlands in der Unterstützung armer Länder bei der Bewältigung des Klimawandels gerechter zu werden. Mal sehen, was die Bundestagswahl im September bringt.

Jan Kowalzig, Oxfam