Internationale Klimafinanzierung / Deutsche Klimafinanzierung / NCQG
Deutschlands Rolle in den Verhandlungen zum neuen Klimafinanzierungsziel NCQG
Das New Collective Quantified Goal (NCQG), also das neue Klimafinanzierungsziel, das im November 2024 auf der Weltklimakonferenz in Baku, Aserbaidschan, (COP29), von der internationalen Staatengemeinschaft beschlossen werden soll, ist ein zentrales und heiß diskutiertes Thema auf dem internationalen Parkett, wie ein kürzlich erschienener Artikel der Heinrich-Böll-Stiftung ausführlich analysiert hat. Mit Blick auf die anstehenden Klimaverhandlungen wird im besonderen Deutschlands Rolle genauer beleuchtet und welche Optionen es für die deutsche Regierung gibt, die Verhandlungen voranzubringen.
Internationale Klimafinanzierung: Eine Frage globaler Gerechtigkeit
Klar ist: Um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, braucht es Finanzierung. Wer zahlt, ist dabei auch eine fundamentale Gerechtigkeitsfrage – vor allem für die Länder des Globalen Südens. Die Länder des Globalen Nordens, darunter auch Deutschland, sind primär für historische und aktuelle Emissionen und somit auch gegenwärtig vorrangig für die Klimakrise verantwortlich. Die Länder des Globalen Nordens werden darüber hinaus für das postkolonial geprägte, aktuelle Wirtschafts- und Finanzsystem verantwortlich gemacht, von dem die Industriestaaten stark profitieren. Während die Staaten des Globalen Südens für einen besseren Zugang zu Finanzmärkten kämpfen, einen Weg aus der Verschuldung suchen, und gerechtere Handelsbedingungen und einen Stopp von Rohstoffausbeutung sowie mehr Mitgestaltungsrechte einfordern. Es geht dem Globalen Süden also nicht vorrangig um ‘Finanzierungshilfen’, sondern auch um eine direkte Entschädigung und einen systemischen Wandel des globalen Finanzsystems. Demnach beschäftigt das Thema Klimafinanzierung auch internationale Finanzinstitutionen wie die Bretton Woods Institutionen. Die Reform von Entwicklungsbanken und dem Internationalen Währungsfond, ein neuer Umgang mit Verschuldung und ein gerechteres Steuersystem werden diskutiert.
Deutschlands Rolle in den NCQG Verhandlungen
Das Auswärtige Amt, dass die Federführung für internationalen Klimaverhandlungen und somit auch für das NCQG innehat, muss eine zentrale Rolle einnehmen und mit außenpolitischen Fingerspitzengefühl und Kompromissbereitschaft mögliche Wege aufzeigen um die festgefahrenen Verhandlungen zum NCQG voranzutreiben. Bisher lässt Deutschlands Verhandlungsstrategie zum NCQG jedoch noch viele Fragen offen und es ist bisher nicht deutlich erkennbar, welchen Ansatz die Bundesregierung fährt, um die tiefen Gräben in den NCQG Verhandlungen zu überwinden.
Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) sprechen in den Klimaverhandlungen mit einer Stimme und bilden ihre gemeinsame Position bereits vor der Weltklimakonferenz. Deutschland verhandelt also nicht als eigenständiger Akteur, sondern im Bündnis der EU. Deutschlands Stimme hat bei der Positionsbildung der EU jedoch großes Gewicht. Als Land, das seinen sogenannten ‘Fair-Share’, also seinen gerechten Anteil an dem bisherigen Klimafinanzierungsverpflichtungen von jährlich 100 Milliarden US Dollar leistet, kann Deutschland Druck auf andere Industriestaaten ausüben, ihren Beitrag zu erhöhen.
In der Vergangenheit inszenierte sich Deutschland gemeinsam mit z.B. Kanada oft als Brückenbilder. Ob die Bundesrepublik diese Rolle nun auch erneut bei den Verhandlungen zum NCQG einnehmen kann, ist aufgrund der angespannten Haushaltslage und entsprechender Unsicherheit eigener zukünftiger internationaler Klimafinanzierungszusagen abzuwarten. Gegenwärtig gibt es Annahmen, dass Deutschland aufgrund der aktuellen Haushaltslage seine rund 6 Milliarden Euro bereitgestellte internationale Klimafinanzierung aus dem Vorjahr reduzieren könnte. Dies würde das ohnehin schon tief verletzte Vertrauensverhältnis zwischen den sogenannten Geber- und Nehmerländern weiter verschlechtern und sich negativ auf die Verhandlungen zum NCQG auswirken.
Die NCQG Struktur braucht klare Ziele für einen Systemwandel
Die Gräben zwischen den Lagern sind groß: Die Industrieländer einschließlich der EU lehnen klare Unterziele und den Einbezug klimabedingter Verluste und Schäden ab und sehen das Ziel eher in einer Zwiebelstruktur mit einem kleinen Kern aus öffentlichen Krediten und Zuschüssen, der das Fundament bildet, und umgeben ist von größeren äußeren Schichten aus mobilisiertem privaten Kapital, inländischen Geldern und weiteren globalen Klima-Investitionen. Die Zwiebelstruktur wird von einigen Staaten des Globalen Südens stark kritisiert, da sie die Verantwortung des Globalen Nordens verwässere und darüber hinaus Schulden generierende Finanzierungselemente priorisiere und die Gefahr darstellt, dass “alles Mögliche” in das Quantum des NCQG einbezogen wird, ohne dass tatsächlich mehr Finanzierung in den Ländern des Globalen Südens ankomme und notwendige systemische Veränderungen des internationalen Finanzsystems nicht berücksichtigt werden.
Als Kompromiss könnte sich Deutschland für ein klar definiertes, ambitioniertes Kernziel für öffentliche Zuschussäquivalente positionieren und die äußeren Schichten der Zwiebel mit Elementen untermauern, die einen Systemwandel anstoßen. Erreicht könnte dies beispielsweise werden mit Verpflichtungen zur Umlenkung von fossilen Subventionen in nachhaltige Projekte, der Einführung von steuerlichen Maßnahmen, die das Verursacherprinzip besser reflektieren, und der Erhöhung der Mitbestimmung des Globalen Südens in internationalen Finanzinstitutionen. Deutschland sollte sich auch deutlich für thematische Unterziele im NCQG einsetzen, um sicherzustellen, dass genügend Finanzierung für Anpassung und klimabedingte Verluste und Schäden bereitgestellt wird.
Kompromisse bei der Frage der Geberbasis
Eine der größten Prioritäten Deutschlands und einiger weiterer Industrieländer ist es, die Geberbasis der internationalen Klimafinanzierung zu erweitern und reiche Ölstaaten und Schwellenländer wie China zu Beiträgen zu verpflichten. Teilweise konditionieren einige Industrieländer ihre eigenen zukünftigen Finanzierungsbeiträge sogar an der Erweiterung der Geberbasis. Die Gruppe der 77 plus China (G77+) stellt sich gegen den enormen Druck, die im Jahr 1992 beschlossene Aufteilung in Entwicklungs- und Industriestaaten neu zu verhandeln. Sie befürchten, dies könnte die finanzielle Verantwortung von historischen und aktuellen Großemittenten unter den Industriestaaten aufweichen. Für sie ist das NCQG nicht der richtige Ort, um diese zentrale Vereinbarung der Klimarahmenkonvention neu zu diskutieren und sie hinterfragen das Narrativ und die Argumentationskette von einigen Industrieländern.
Süd-Süd Kooperationen zwischen Schwellenländern und anderen Ländern des Globalen Südens spielen eine wichtige Rolle bei der Einhaltung des 1.5°C Ziels und im Umgang mit Klimafolgen einnehmen werden. Solche Süd-Süd Kooperationen sind sogar unerlässlich auf dem Weg zu einer emissionsarmen und klimaresilienten Welt. Einige Schwellenländer und andere Länder des globalen Südens gehen bereits solche Süd-Süd Kooperationen ein – sind aber bisher nicht verpflichtet, diese Finanzflüsse transparent darzulegen. Von diesen Ländern wird daher auch der Begriff ‘Erweiterung’ der Geberbasis in Frage gestellt, da der Begriff ‘Erweiterung’ aktuelle Süd-Süd Klimafinanzierungsflüsse vernachlässige. Deutschland könnte sich als möglichen Kompromiss dafür einsetzen, dass China und andere Länder des Globalen Südens, die bereits Klimafinanzierung leisten, diese Finanzströme transparenter machen.
Gleichzeitig darf der Fortschritt in den NCQG Verhandlungen nicht gefährdet werden, indem die Erweiterung der Geberbasis als Bedingung für weitere Zahlungen vorausgesetzt wird und die generelle Verpflichtung zur Klimafinanzierung im Rahmen des Pariser Abkommens in Frage gestellt wird. Auch wenn verschiedene Studien deutlich gemacht haben, dass die aktuelle Aufteilung der UNFCCC in Industrie- und Entwicklungsländer veraltet ist, sollte dies nicht im Rahmen des NCQGs neu verhandelt werden. Zu viel würde dadurch auf dem Spiel stehen und eine erfolgreiche NCQG Einigung riskieren. Eine Neuverhandlung der Klimarahmenkonvention hat Implikationen auf die gesamte Klimarahmenkonvention und kann nicht im NCQG entschieden werden. Das wohl schlechteste Ergebnis wäre wohl gar keine fest definierte Geberbasis mehr zu haben und alles auf Freiwilligkeit zu bauen.
Es ist daher wichtig, dass Deutschland vordergründig Druck auf vor allem die Staaten ausübt, die ihrem fairen Anteil an Klimafinanzierung nicht nachkommen – allen voran die USA. Deutschland sollte die Rolle eines Brückenbildners innerhalb der EU und in Gesprächen mit anderen Industrieländern einnehmen, um mögliche Kompromisse zwischen den verhärteten Fronten der G77+ und den Industriestaaten zu eruieren. Das Erzeugen von Feindbildern, rein defensiven Positionen und polemischen Debatten wird die Gräben in den Verhandlungen zur Geberbasis im NCQG nur weiter vertiefen. Geopolitische Auseinandersetzungen sollten in den Verhandlungen zum NCQG und seiner Geberbasis außen vor bleiben.
Eine ambitionierte NCQG Gesamtsumme sicherstellen
Bei den Verhandlungen zur Gesamtsumme des NCQGs stellt sich neben der Höhe der Zahl vor allem die Frage: Gesamtsumme für was genau? (siehe auch hier). Verschiedene Stimmen wiederholen, wie wichtig es ist, aus der Erfahrung des 100-Milliarden-Ziels zu lernen – welches am Ende nur einen politischen Kompromiss in letzter Sekunde widergespiegelt hat und nicht bedarfsorientiert war. Dafür sind viele Verhandlungsgruppen weiterhin überraschend verschwiegen, was ein mögliches NCQG Quantum angeht.
Deutschland und die EU haben bisher kein Quantum vorgeschlagen. Vorschläge der Verhandlungsgruppen verschiedener Entwicklungsländer bewegen sich bisher zwischen 1 Billionen und 1,3 Billionen US Dollar jährlich in Zuschussäquivalenten und privater Finanzierung. Die USA bleibt vage, spricht aber von einer Untergrenze von 100 Milliarden US Dollar. Die internationale Zivilgesellschaft bemisst die Klimaschuld des Globalen Nordens auf 5 Billionen im Jahr. Die wissenschaftlichen Berechnungen der Klimafinanzierungsbedarfe spiegeln in Methodik und angewandten Parametern die politischen Debatte. So spricht beispielsweise der Bedarfsbericht des ständigen Finanzausschuss (SCF) der UNFCCC von einem jährlichen Bedarf von USD 655 Milliarden bis zu USD 1,27 Billionen. Eine Studie zur Entschädigung für Atmosphärische Aneignung hingegen von USD 6,85 Billionen pro Jahr. Klar ist, dass am Ende die politische Entscheidung zum NCQG Quantum auch von anderen Stellgrößen wie der Struktur, den Geldquellen- und -gebern und dem Anteil der Zuschussäquivalente abhängt.
Deutschland sollte anerkennen, dass der zukünftige jährliche Bedarf der bereitgestellten internationalen Klimafinanzierung im Billionenbereich liegt, dass auch ein signifikanter Anstieg der zuschussbasierten Klimafinanzierung notwendig ist, um die Bedarfe zu decken und Verantwortung zu zeigen und dass es Vorschläge für Instrumente gibt, wie diese zusätzlichen Mittel generiert werden können. Es ist wichtig, dass sich alle Verhandlungsgruppen möglichst zeitnah zu ihrer Vision zum Quantum (Höhe und entsprechende Parameter) äußern, damit mögliche Kompromisse eruiert werden können und das Wiederholen der Fehler bei der Verhandlung des Vorgängerziels (100-Milliarden-Ziel) vermieden werden können.
Kann Deutschland dazu beitrage, die Gräben zu überwinden?
Die Gräben in den internationalen Verhandlungen zum NCQG sind tief. Neben den ausgeführten Aspekten spielen auch Qualitätsfragen wie die Anrechnung von Krediten und der verbesserte direkte Zugang zur Klimafinanzierung und deren Ausrichtung an menschenrechtlichen Standards eine Rolle. Das macht die Hoffnungen auf ein positives Ergebnis zum NCQG bei einigen Akteuren gering. Ein Festhalten an Privilegien, Macht und Dominanz im internationalen Finanzsystem und das Verkennen historisch gewachsener Verantwortung verurteilen das NCQG zum Scheitern. Deutschland muss zeigen, dass es die durchaus berechtigten Sorgen der Staaten des Globalen Südens in der internationalen Klimafinanzierungsdebatte berücksichtigt. Es muss konstruktiv mögliche Kompromisse eruieren, die den Ländern des Globalen Südens zeigen, dass ihre Sorgen und Positionen ernst genommen werden. Das bedeutet auch, dass Deutschland Druck auf andere EU-Staaten und Industrieländer ausüben muss, die dieser Kompromissfindung gegenwärtig mit stark defensiver Positionierung und Verwässerung von eigener Verantwortung im Weg stehen.
Gastbeitrag von Romie Niedermayer, Klimadelegation