100 Milliarden / Internationale Klimafinanzierung / Zusagen
OECD: Klimafinanzierung knackt 100-Milliarden-Marke
Gute Nachrichten rechtzeitig zur Bonner Klimakonferenz: 2022 haben die Industrieländer zum ersten Mal in der Klimafinanzierung das eigentlich schon für 2020 versprochene Niveau von $100 Milliarden US-Dollar erreicht und sogar überschritten. Kritik gibt es trotzdem.
Seit sich die Industrieländer 2009 das Ziel gesetzt hatten, die finanzielle Unterstützung für einkommensschwache Länder bis 2020 auf jährlich 100 Mrd. US-Dollar anzuheben, standen sie erst viele Jahre unter Druck, glaubhafte Fortschritte vorzuweisen, und schließlich dann in der Kritik, ihr Versprechen gebrochen zu haben – denn für 2020 waren nur 83,3 Mrd. US-Dollar und für 2021 nur 98,6 Mrd. US-Dollar gemeldet worden. Nun aber berichtet die OECD, dass im Jahr 2022 das versprochene Niveau mit insgesamt 115,9 Mrd. US-Dollar nicht nur erreicht, sondern sogar deutlich übertroffen wurde. Auf den ersten Blick ist das sicher eine Erfolgsmeldung. Auf den zweiten Blick ergibt sich ein gemischtes Bild.
Abb. 1: Klimafinanzierung 2020-2022 nach Angaben der OECD |
Echte Unterstützung weniger als ein Drittel der gemeldeten Zahlen
Tatsächlich spiegeln die gemeldeten fast 116 Mrd. US-Dollar nicht die tatsächliche Unterstützungsleistung der Industrieländer wider, sondern beruhen auf Zahlen des Berichtsystems unterm Pariser Abkommen, das eine großzügige Bewertung etwa der tatsächlichen Klimarelevanz geförderter Programme zulässt. Zudem werden Kredite mit Nennwert bilanziert und nicht anhand der hinter einem Kredit steckenden finanziellen Anstrengung eines Geberlandes, wenn der Kredit etwa zinsvergünstigt bereitgestellt wird. Für 2022, so eine Abschätzung von Oxfam, belief sich die tatsächliche Unterstützungsleistung der Geberländer bei 28-35 Mrd. US-Dollar.
Abb. 2: Klimafinanzierung 2022 nach Angaben der OECD |
Großteil der Gelder: Kredite
Nächstes Problem: rund 70 Prozent der öffentlichen Mittel kamen 2022 in Form von Krediten, und ein Großteil davon dürften Kredite gewesen sein, die nicht einmal zinsvergünstigt, sondern mehr oder weniger zu Marktkonditionen angeboten worden waren. Zwar bekommen Länder mit besonders niedrigem Einkommen immer noch deutlich mehr Zuschüsse als Kredite, in anderen Ländern aber macht der Anteil von Krediten über 80 Prozent aus. Das kann die Schuldenlast der Empfängerländer verschlimmern, zumal sie oftmals gleichzeitig mit anderen Krisen schwer zu kämpfen haben. Ohnehin ist die Vergabe von Krediten grob unfair für Länder, die zur Klimakrise kaum oder gar nicht beitragen bzw. beigetragen haben, nun aber mit Krediten die negativen Folgen bewältigen müssen – oftmals Kredite, mit denen das Geberland sogar noch Gewinn macht.
Anpassung bleibt vernachlässigt
Weniger als ein Drittel der gesamten Klimafinanzierung im Jahr 2022 stand für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen zur Verfügung – auch wenn die Mittel für Anpassung in absoluten Zahlen gegenüber den Vorjahren leicht gestiegen sind. Dennoch sind die Industrieländer noch weit von der vereinbarten Balance zwischen Klimaschutz und Anpassung entfernt, die eigentlich eine 50:50-Aufteilung zwischen den beiden Bereichen erfordern würde. Nicht gesichert ist auch das auf der UN-Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow vereinbarte Ziel, die jährlichen Mittel für Anpassung bis 2025 gegenüber 2019 zu verdoppeln. Zwar zeigen die Daten bisher anwachsende Mittel, aber dies ging dies über die Jahre mit einer Erhöhung der Klimafinanzierung insgesamt einher. Ob dieses Wachstum jenseits der nun erreichten knapp 116 Mrd. US-Dollar in den kommenden Jahren fortgeschrieben wird, darf man wohl als fraglich bezeichnen.
Und Deutschland?
An den nun berichteten fast 116 Mrd. US-Dollar hat Deutschland mit knapp 9.5 Mrd. Euro, an öffentlicher Klimafinanzierung im Jahr 2022, davon rund 6,4 Mrd. Euro an Haushaltsmitteln (und Zuschussäquivalenten von Klima-Krediten) einen durchaus sichtbaren Anteil. Auch in der Klimafinanzierung aus Deutschland wird etwa mehr als die Hälfte der Mittel (rund 52 Prozent) in Form von Krediten vergeben und gibt es eine Schieflage hinsichtlich der Aufteilung zwischen Anpassung (22 Prozent) und Minderung (52 Prozent). (Das Verhältnis verändert sich zu 35 zu 65 Prozent, wenn man jene Maßnahmen je hälftig Anpassung und Minderung zuordnet, die keinen klaren Fokus auf Anpassung oder Minderung haben, sondern thematisch als „cross-cutting“ berichtet werden.
Mit den erwähnten 6,4 Mrd. Euro an Haushaltsmitteln hat die Bundesregierung 2022 ihre Zusage erfüllt, bis spätestens 2025 die Mittel auf jährlich mindestens sechs Milliarden Euro anzuheben. Allerdings plant die Bundesregierung nun Kürzungen im Bundeshaushalt 2025, die die Zusage wieder in die Ferne rücken lassen könnten. Das hätte dann auch Folgen für die internationale Klimafinanzierung insgesamt in den kommenden Jahren.
Jan Kowalzig, Oxfam