Internationale Klimafinanzierung / 100 Milliarden

COP22 in Marrakesch: Einige Zusagen, aber kein Kurswechsel bei Klima-Hilfen für Anpassung

Umweltministerin Barbara Hendricks sagt weitere 50 Millionen Euro für den Adaptation Fund zu.

Umweltministerin Barbara Hendricks sagt weitere 50 Millionen Euro für den Adaptation Fund zu. Photo © Jan Kowalzig, Oxfam

Wie auch in den Vorjahren, so war auch zur diesjährigen UN-Klimakonferenz COP22 in Marrakesch die Klimafinanzierung eines der heikelsten Themen – ein Dauerbrenner seit 2009, als die Industriestaaten in Kopenhagen versprachen, die Unterstützung für die Entwicklungsländer bis 2020 auf ein Niveau von jährlich 100 Milliarden US-Dollar anzuheben. Damit soll ihnen sowohl bei der Reduktion ihrer Emissionen als auch bei der Anpassung an den Klimawandel geholfen werden.

Geberländer sehen sich mit 100-Milliarden-Fahrplan aus dem Schneider

Das Paris-Abkommen hatte, anstatt eine rasche, deutliche Erhöhung des Kopenhagener Versprechens in Aussicht zu stellen, das 100-Milliarden-Versprechen bis 2025 ausgedehnt und ansonsten die Verantwortung der Industrienationen für die Bereitstellung adäquater langfristiger Finanzmittel für Entwicklungsländer nicht gestärkt, und statt dessen alle Vertragsstaaten eingeladen, zur Erfüllung der Finanzzusagen beizutragen. So war die COP22 in Marrakesch auch ein Lackmustest dafür, wie ernst die Industriestaaten ihre Finanzverpflichtungen nach dem Inkrafttreten des Paris-Abkommens nehmen würden, besonders bei der Bereitstellung der Gelder für die Anpassung, das ewige Stiefkind der Klimafinanzierung. Die Antwort fiel eindeutig aus: offenbar nicht sehr ernst.

Zwar veröffentlichten die OECD-Industrieländer kurz vor Marrakesch endlich ihren 100-Milliarden-Fahrplan, wonach ihre öffentlichen Klimamittel für Entwicklungsländer bis zum Jahr 2020 auf jährlich 67 Milliarden Dollar anwachsen sollten. Die Lücke zum Zielniveau soll durch die Mobilisierung von Privatmitteln geschlossen werden. Eine solche Roadmap hatten Entwicklungsländer und die internationale Zivilgesellschaft seit Jahren gefordert. Allerdings zog die von den OECD-Ländern benutzte überaus optimistische Rechnungsführung breite Kritik auf sich, weshalb die COP22-Entscheidung zur Langzeitfinanzierung den Stufenplan zwar indirekt begrüßt, aber den Versuch der Industrienationen zurückweist, die OECD-Rechnungsmethode für die Berichterstattung der Industrieländer-Finanzhilfen nach dem Paris-Abkommen zu übernehmen. Ebenjene Berichterstattung ist übrigens Gegenstand laufender Verhandlungen in einem der Nebenorgane der UNFCCC. Mehr als einen halbgaren Austausch gab es dazu aber nicht, die Verhandlungen werden nun im Mai in Bonn weitergeführt.

Anpassungsfinanzierung: Baustelle aus Paris bleibt auch nach Marrakesch bestehen

Für eine „afrikanische COP,“ die die marokkanische Präsidentschaft vollmundig angepriesen hat, war auch die Auskunft der Industrieländer, die Finanzmittel für die Anpassung an den Klimawandel würden sich bis zum Jahr 2020 auf rund 20 Milliarden Dollar verdoppeln, eher ein Armutszeugnis. Damit würde 2020 nur ein Fünftel des 100-Milliarden-Versprechens in Form öffentlicher Mittel für die Anpassung an den Klimawandel bereitgestellt. Als im Paris-Abkommen die „Balance“ zwischen Klimaschutz- und Anpassungsfinanzierung vereinbart wurde, hatten die Entwicklungsländer eher 50 zu 50 im Sinn als 80 zu 20. Auch deshalb ist im Übrigen die Selbstverpflichtung des Grünen Klimafonds (GCF), gut die Hälfte der für ihn zugesagten 10 Milliarden US-Dollar für Anpassungsmaßnahmen ausgeben zu wollen, beispielhaft.

So forderten die Entwicklungsländer nun statt der (übrigens nur unverbindlich anvisierten) Verdopplung auf 20 Milliarden US-Dollar pro Jahr mindestens eine Vervierfachung auf 40 Milliarden US-Dollar für Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels. Vergeblich, denn der Beschluss zu dem Thema enthält nun nur warme Worte und eine Wiederholung älterer Beschlüsse.

Zusagen an den Adaptation Fund

Es gab in Marrakesch einige neue Finanzzusagen für die Klimaanpassung, allerdings nur in zweistelliger Millionen-, nicht Milliardenhöhe. Deutschlands Bereitschaft, dem stets um sein finanzielles Überleben kämpfenden Adaptation Fund in Marrakesch 50 Millionen Euro zuzusagen, ist sicherlich lobenswert. Aber das Gesamtbild und die Unzulänglichkeiten bei der Unterstützung für Anpassung in Entwicklungsländern ändert das nicht. Dass der Adaptation Fund Jahr für Jahr als Bittsteller bei der COP erscheinen muss, ist symptomatisch. Dabei ist es gerade dieser Fonds, der sich durch Innovationen bei der Unterstützung konkreter Projekte zur Klimaanpassung, wie zum Bespiel den direkten Finanzzugang für nationale Institutionen aus Entwicklungsländern, einen guten Namen gemacht hat. Mit rund 81 Millionen US-Dollar, die Deutschland und andere EU-Staaten in Marrakesch zugesagt haben, ist die Finanzlücke des Fonds erst einmal – bis zur nächsten COP? – gestoppt.

Sinnvoller wäre allerdings, eine langfristige Finanzierungsstrategie für den Adaptation Fund zu erarbeiten. Eigentlich soll er neben direkten Einzahlungen der reichen Länder auch aus einer Gebühr gespeist werden, die auf CO₂-Zertifikate aus dem Clean Development Mechanism (CDM) erhoben wird. Diese Quelle ist mittlerweile nahezu vollständig versiegt, und so wundert es nicht, dass die Entwicklungsländer den Adaptation Fund nunmehr unter dem Pariser Abkommen verankert sehen und ihm so eine dauerhafte Existenz sichern wollen. Dahinter stecken auch Überlegungen, ihn durch den Sustainable Development Mechanism (SDM) des Artikels 6 des Pariser Abkommens zu speisen, über den (im Grunde genommen wie unter dem CDM des Kyoto-Protokolls) Länder ihre eigenen Klimaschutzziele dadurch aufweichen dürfen sollen, dass sie Klimaschutz in anderen Ländern unterstützen. Die Ausgestaltung des SDM steht noch ganz am Anfang, aber jetzt schon ist festgelegt, dass auch hier eine kleine Gebühr fällig wird – die in den Adaptation Fund fließen könnte.

Green Climate Fund: Mehr direkter Zugang gefordert

Ein weiterer Schwerpunkt aus „Süd“-Perspektive bei der COP war der Zugang zu Finanzmitteln aus dem Grünen Klimafonds (GCF) und anderen Fonds. Zwar hat Afrika bereits mehrere nationale und regionale Organisationen beim GCF akkreditiert (aus Marokko, Senegal, Kenia, Togo, Nigeria und Äthiopien), die direkt Gelder einsetzen können. Allerdings wird ein großer Teil der Gelder durch multilaterale Entwicklungsbanken wie die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) eingesetzt, die aber auch Projekte zur Förderung fossiler Brennstoffe finanziert. Größtes Hindernis beim Zugang sind die Finanz-Transparenz-Standards, die viele nationale Agenturen und Organisationen (noch) nicht erfüllen. Mehr Kapazitätsbildung sowie eine Bevorzugung nationaler Umsetzungsagenturen über das GCF-Akkreditierungsverfahren sind hier zwingend geboten.

Auch aus einem anderen Blickwinkel stand der GCF im Zentrum der Aufmerksamkeit: 2,5 Milliarden US-Dollar der US-Zusage für den Fonds sind nach dem Ausgang der US-Wahlen und der kommenden Trump-Präsidentschaft ernsthaft infrage gestellt.

Lili Fuhr & Liane Schalatek, Heinrich-Böll-Stiftung
mit Ergänzungen von Jan Kowalzig, Oxfam
Dieser Text erschien zuerst als Teil eines längeren Artikels zur COP22 auf www.klima-der-gerechtigkeit.de