Internationale Klimafinanzierung / Innovative Finanzierungsquellen
FfD4: Ein Wendepunkt für die Klimafinanzierung – Was die Konferenz in Sevilla für die globale Klimagerechtigkeit leisten muss
Die vierte Konferenz der Vereinten Nationen (UN) zur Entwicklungsfinanzierung (FfD4), die vom 30. Juni bis zum 3. Juli 2025 in Sevilla, Spanien, stattfindet, started in Kürze – und es steht viel auf dem Spiel, um die globale Finanzarchitektur zu stärken, damit Klimagerechtigkeit und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) erreicht werden.
1. Ein entscheidender Moment für die Klimafinanzierung
Die Welt befindet sich an einem Scheideweg. Die Klimakatastrophen nehmen zu, die Kosten für Anpassung und klimabedingten Verlusten und Schäden (Loss & Damage) steigen, und dennoch sind die zugesagten Finanzströme für den Klimaschutz nach wie vor unzureichend. Während sich die internationale Gemeinschaft auf FfD4 in Sevilla vorbereitet, ist die Notwendigkeit konkreter Fortschritte bei der Klimafinanzierung so dringend wie nie zuvor.
Das Ergebnis der FfD4 wird den Weg von Sevilla nach Belém und darüber hinaus ebnen. Dabei müssen die Länder Wege finden, um die öffentliche Klimafinanzierung in Zeiten sinkender Entwicklungs- und Klimabudgets zu erhöhen. Das neue internationale Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantitative Goal, NCQG) wurde zwar auf der COP29 im vergangenen Jahr formell beschlossen, aber sein Anspruchsniveau und Wirksamkeit hängen aber davon ab, ob die internationale Finanzarchitektur ausreichende, gerechte und bedarfsgerechte Finanzmittel in die Länder lenken kann, die sie am dringendsten benötigen.
2. Warum ist FfD4 wichtig für die Klimafinanzierung
Der FfD-Prozess ist das einzige multilaterale Forum, das alle Aspekte der Finanzpolitik – Verschuldung, Besteuerung, Handel, Entwicklungszusammenarbeit und Systemreformen – unter dem übergreifenden Dach der nachhaltigen Entwicklung verbindet. Auf diese Weise unterstützt der Prozess einen integrierten Ansatz für Klima- und Entwicklungsziele . Angesichts der auf der COP vereinbarten Klimaziele bietet der FfD4 die Möglichkeit zu erörtern, wie diese finanziert werden sollen, insbesondere in Ländern mit eingeschränktem fiskalischem Spielraum.
Das Abschlussdokument , das im Vorfeld der Konferenz im Konsens verabschiedet wurde, enthält in seinen zentralen Abschnitten Verweise auf die Klimafinanzierung, auch wenn diese Abschnitte in den letzten Wochen vor der Fertigstellung des Ergebnisdokuments von den Ländern des Globalen Nordens deutlich abgeschwächt wurden. Die verbleibenden Verweise bieten aber dennoch Möglichkeiten, die Klimafinanzierung gerechter und effektiver zu gestalten und die Rechenschaftspflicht zu stärken. Die Formulierungen bleiben jedoch in wichtigen Bereichen vage und lassen Klarheit und Engagement vermissen, die erforderlich sind, um das Ausmaß der Klimakrise zu bewältigen.
3. Was das Abschlussdokument zur Klimafinanzierung aussagt (und was nicht)
Verschuldung und Klimagerechtigkeit
Das Abschlussdokument erkennt die Notwendigkeit an, die Schuldentragfähigkeit von vulnerablen Ländern zu stärken, und erwähnt Instrumente wie den Tausch von Schulden gegen Klimaschutz oder Naturschutz (debt-for-climate oder debt-for-nature swaps). Es wird jedoch nicht thematisiert, dass das derzeitige internationale Schuldensystem nicht in der Lage ist, auf die immer häufiger auftretenden klimabedingten Schocks zu reagieren.
In den letzten Jahren sahen sich mehrere Länder des Globalen Südens nicht in der Lage, nach verheerenden Stürmen, Dürren oder Überschwemmungen den Wiederaufbau zu bewältigen – nicht etwa, weil es ihnen am Willen fehlte, sondern weil ihre Staatshaushalte durch die den Schuldendienst für Auslandsschulden gebunden waren. Diese Situationen verdeutlichen den dringenden Bedarf an klimasensiblen Schuldenmechanismen, einschließlich Instrumenten, die eine automatische Aussetzung der Zahlungen nach Klimakatastrophen ermöglichen, und einem multilateralen Schuldenregulierungsmechanismus, der bei den UN angesiedelt ist und die klimabedingte Vulnerabilität der Länder berücksichtigt. Diese Empfehlungen wurden auch in dem kürzlich erschienen Jubiläumsbericht ausgesprochen, der von den Wirtschaftswissenschaftlern und Nobelpreisträgern Joseph Stiglitz und Martín Guzmán mitverfasst wurde. Für eine erfolgreiche Umsetzung der FfD muss die Schuldenproblematik konsequent angegangen werden.
Mobilisierung nationaler Ressourcen
Sinnvolle Fortschritte bei der Mobilisierung nationaler Ressourcen (domestic resource mobilization, DRM) im Rahmen der FfD4 erfordern die Beseitigung der tiefgreifenden Ungleichheiten, die im globalen Steuersystem angelegt sind. Viele Länder des Globalen Südens – insbesondere in Afrika – werden systematisch durch Regeln benachteiligt, die hauptsächlich in OECD-Foren festgelegt wurden und denen es an Transparenz, Inklusivität und Fairness mangelt. Die Stärkung der DRM ist von entscheidender Bedeutung, denn sie bietet diesen Ländern eine nachhaltige, souveräne Alternative zu kostspieliger, volatiler externer Kreditaufnahme und schwindender Auslandshilfe. Das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über die internationale Zusammenarbeit im Steuerwesen bietet eine entscheidende Chance, die Spielregeln anzugleichen und sicherzustellen, dass die Steuerpolitik die Bedürfnisse und Kapazitäten des globalen Südens wirklich widerspiegelt. Die FfD4 muss die UN entschlossen als fairen, inklusiven und effektiven Kern für eine globale Steuerreform unterstützen – welche die Steuerprioritäten mit den Zielen der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung in Einklang bringt.
Da der Konventionsprozess jedoch voraussichtlich nicht vor 2027 abgeschlossen sein wird, sind schon vorher dringende Maßnahmen unabdingbar. Die FfD4 sollte sich zu Solidaritätsabgaben auf stark verschmutzende, unterbesteuerte Sektoren wie den Luftverkehr, fossile Brennstoffe und das Finanzwesen verpflichten – aufbauend auf dem Beispiel der Schifffahrtsindustrie, in der Unternehmen eine ehrgeizige Abgabe forderten und die Länder im Rahmen der IMO auf ihrer jüngsten Tagung im April einem entsprechenden Mechanismus zustimmten. Auch die Dynamik, die durch den G20-Vorstoß vom letzten Jahr zur Besteuerung von Milliardären ausgelöst wurde, muss aufrechterhalten werden. Diejenigen, die über die größten Mittel verfügen und den größten Einfluss auf das Klima haben, müssen jetzt ihren fairen Anteil übernehmen, um eine gerechte und nachhaltige Zukunft zu finanzieren. Diese Abgaben sind ein Beispiel für die vier Rs der effektiven Besteuerung: Einnahmen generieren (revenue), Umverteilung fördern (redistribution), Marktversagen durch Preisanpassung korrigieren (repricing) und eine faire Beteiligung an den Entscheidungsprozessen sicherstellen (representation). Ohne mutige Schritte heute wird eine klimaresistente Entwicklung unerreichbar bleiben. Abgaben und Steuern nach dem Verursacherprinzip sind eine faire und gerechte Lösung für die dringend benötigte Finanzierung von Anpassungsmaßnahmen und klimabedingte Verlusten und Schäden.
Internationale Entwicklungszusammenarbeit: Klima- und Privatfinanzierung
Im Abschnitt über die internationale Entwicklungszusammenarbeit des Abschlussdokuments wird die Notwendigkeit einer Aufstockung der öffentlichen, konzessionären Klimafinanzierung ausdrücklich bekräftigt, insbesondere für die Anpassung an den Klimawandel und für die Beseitigung von Schäden und Verlusten. Dies ist ein wichtiges Signal in einer Zeit, in der die vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder nur einen Bruchteil der weltweit zirkulierenden Klimafinanzierung erhalten.
Gleichzeitig legt das Ergebnisdokument großen Wert auf die Mobilisierung privater Finanzmittel und die Förderung von Blended-Finance-Konzepten. Private Investitionen spielen zwar eine wichtige Rolle, insbesondere bei der Minderung des Klimawandels und der Infrastruktur, erreichen aber oft nicht Sektoren wie die Anpassung oder soziale Sicherungssysteme. Die FfD4 muss klarstellen, dass eine öffentliche Finanzierung die Grundlage für Klimagerechtigkeit ist. Private Finanzmittel können öffentliche Verpflichtungen ergänzen, dürfen sie aber niemals ersetzen. Ihre Verwendung muss zudem transparent sein und einer Rechenschaftspflicht unterliegen und sich an den nationalen Prioritäten der Entwicklungsländer orientieren. Nur so kann die Abschwächung der Klimakrise und die Anpassung an den Klimawandel als gemeinsames Gut auf nachhaltige Weise realisiert werden.
Systemische Fragen: Sonderziehungsrechte und Reform der Finanzarchitektur
Das Kapitel zu systemischen Fragen des Abschlussdokuments verweist auf wichtige globale Reformdebatten, darunter die bessere Nutzung von Sonderziehungsrechten (SZR) des Internationalen Währungsfonds (IWF) und die Reform von Kreditbewertungsmethoden. Dies sind entscheidende Hebel, die es den Ländern ermöglichen, ihre Klima- und Entwicklungsziele zu finanzieren, ohne ihre Schuldenlast weiter zu erhöhen.
Derzeit gibt es keine multilaterale Strategie, um SZR auf koordinierte und wirksame Weise für klimaresistente Investitionen einzusetzen. Das Potenzial zur Umwidmung ungenutzter SZR, insbesondere durch multilaterale Entwicklungsbanken (multilateral development banks, MDB), bleibt weitgehend ungenutzt. In der Zwischenzeit bestrafen die veralteten Rating-Praktiken die Länder weiterhin mit schlechten Ratings für Investitionen in Klimaresilienz, die zwar langfristige Vorteile bringen, aber möglicherweise keine unmittelbaren Erträge abwerfen. Die FfD4 muss weiter gehen, um diese strukturellen Ungleichgewichte anzuerkennen. Die Umwidmung von SZR für Entwicklungs- und Klimaziele durch die MDBs in Verbindung mit transparenten und fairen Kreditratings sind der Schlüssel zur Erschließung umfangreicher Klimafinanzierung.
4. Von Sevilla nach Belém: Was Deutschland tun muss
Als einer der größten Geber und eine führende Stimme in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit trägt Deutschland eine Verantwortung für den Erfolg von FfD4. Die Bundesregierung hat wichtige Reformprozesse in den internationalen Finanzinstitutionen maßgeblich mitgestaltet. Dies muss nun auch bei der UN umgesetzt werden. Deutschland sollte mit ehrgeizigen Partnern aus dem Globalen Süden und dem Globalen Norden zusammenarbeiten, um das Ambitionsniveau bei der Klimafinanzierung während der Umsetzung der FfD4 zu erhöhen. Konkret sollte Deutschland:
- die öffentliche, zuschussbasierte Klimafinanzierung als Rückgrat der NCQG stärken und die Verpflichtung bekräftigen, entsprechend der Zusage von 2021 mindestens 6 Milliarden Euro jährlich an internationaler Klimafinanzierung bereitzustellen.
- die Bestimmungen für klimaresistente Schuldtitel und die Entwicklung eines multilateralen Schuldentilgungsmechanismus unterstützen.
- die UN-Steuerkonvention als zentrales Forum für eine faire globale Steuerpolitik unterstützen, sich für Solidaritätsabgaben auf umweltschädliche Sektoren einsetzen und die Einführung einer substanziellen Steuer für sehr vermögende Personen vorantreiben.
- einen stärkeren Rahmen für Schutzmaßnahmen und Rechenschaftspflicht bei der privaten Klimafinanzierung fördern.
- Vorschläge für eine faire Umleitung der SZR über die MDB und für eine Reform der Rating-Agenturen voranbringen, um Klimarisiken und Investitionen in Resilienz besser zu berücksichtigen.
Die FfD4 ist mehr als eine Entwicklungskonferenz. Sie ist ein politischer Lackmustest für Multilateralismus und globale Klimasolidarität. Wenn es der internationalen Gemeinschaft mit der Umsetzung des NCQG, dem Aufbau von Resilienz und der Schließung der Finanzierungslücke bei der Anpassung ernst ist, muss sie die FfD4 nutzen, um die strukturellen Ursachen der Klimagerechtigkeit anzugehen. Deutschland hat das diplomatische Gewicht, die Ressourcen und die Verantwortung dazu beizutragen, dass diese Konferenz zu einem Moment der Erneuerung wird. Nicht nur für die Klimafinanzierung, sondern für die Legitimität des internationalen Finanzsystems als Ganzes.
Christian Gröber und Nouhaila Zaki / Germanwatch
Sabine Minninger / Brot für die Welt