Internationale Klimafinanzierung / Private Klimafinanzierung

Durchwachsene Bilanz zur Klimafinanzierung bei der COP27

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Fazit der COP 27 in Sharm El Sheikh

Die Verhandlungen zur Klimafinanzierung auf den Klimaverhandlungen COP 27 im November 2022 im ägyptischen Sharm-el-Sheik brachten keinen herausragenden Fortschritt. Dafür gab es positive Entwicklungen bei der Finanzierung von klimabedingten Verlusten und Schäden („Loss & Damage“) – eine ausführliche Analyse findet sich hier.

Wenig Fortschritte beim 100 Milliarden Ziel und der Anpassungsfinanzierung

Vieles spricht im Moment dafür, dass die Industrieländer auch im nächsten Jahr nicht das eigentlich schon für 2020 versprochene Niveau von jährlich 100 Mrd. US-Dollar für die Klimafinanzierung erreichen werden. Finanzielle Neuzusagen fielen insgesamt geringer aus als in Glasgow, z.B. für den Anpassungsfonds (2021: $356 Mio.; 2022: $243 Mio.) und die beiden Klimafonds Least Developed Countries Fund (LDCF) und Special Climate Change Fund (SCCF) der Globalen Umweltfazilität (GEF) (2021: $413 Mio.; 2022: $105 Mio.). Die konkreten Ergebnisse der COP waren größtenteils prozeduraler Natur. Entwicklungsländer forderten erfolglos mehr substantielle Fortschritte, z.B. konkrete Meilensteine für 2023 und eine frühzeitige Debatte über eine Zielgröße in den Verhandlungen zum neuen Klimafinanzierungsziel für die Zeit nach 2025 (New Collective Quantified Goal on Climate Finance, NCQG). Die Nicht-Erfüllung des Klimafinanzierungsversprechens – 100 Milliarden US-Dollar jährlich von 2020 bis 2025 (also insgesamt 600 Milliarden USD) bereitzustellen – und der aktive Widerstand gegen entsprechende COP-Beschlüsse erodierte dabei weiterhin das so wichtige Vertrauen zwischen den Verhandlungsparteien der Industrieländer und des Globalen Südens. Besonders die nicht angemessene Umsetzung vor allem in den USA, aber auch in Australien spielten dabei eine zentrale Rolle. Fehlende Klarheit darüber, wie das Versprechen über die Verdopplung der Anpassungsfinanzierung bis 2025 erfüllt werden soll, sorgte ebenfalls zunehmend für Unmut.

Die Finanzierungsverhandlungen wurden in ihrem Fortschritt durch taktische Motive und juristische Fragen gehindert. Verhandler:innen aus Entwicklungsländern platzierten das Verdopplungsversprechen für Anpassungsfinanzierung im Tagesordnungspunkt des Anpassungsfonds wiederholt, während Industrieländer selbiges für den Art. 2.1.c) – die Verschiebung der globalen Finanzflüsse hin zu klimakompatiblen und klimaresilienten Entwicklungspfaden – in den Tagesordnungspunkten zum post-2025 Ziel und zum Langfristziel (Long-term Finance, LTF) taten. Beide Initiativen waren zwar vorab gescheitert. Industrieländer platzierten aber – ähnlich der Diskussion um die Finanzierung von Loss & Damage – die Frage um die Ausweitung der Geberbasis in den Klimafinanzierungsverhandlungen um das post-2025 Ziel. Die ägyptische Präsidentschaft hat in der letzten Nacht ohne Konsultation eine Referenz zur breiteren Geberbasis aus den Abschlussdokumenten gelöscht. Aber die Debatte, ob es bei den bisherigen Gebern bleiben wird, z.B. im Rahmen des neuen Klimafinanzierungsziels oder etwa bei der Finanzierung von Loss & Damage, wird auch zukünftig sicherlich weitergeführt. Hinsichtlich der Verdopplung der Anpassungsfinanzierung wurde nun das Standing Committee on Finance (SCF) beauftragt, einen Bericht hierzu zu erarbeiten.

Die Rolle des Privatsektors gewinnt an Bedeutung

Die USA und andere Industrieländer hoben in den Verhandlungen immer wieder die Rolle des Privatsektors hervor. Zwar ist klar, dass die laut der „Independent High Level Expert Group“ benötigten Investitionen von US $2,4 Billionen für Klimaschutz, Anpassung, Loss & Damage und Naturkapital im Jahr 2025 ganz überwiegend privat finanziert werden müssen. Dies kann jedoch nicht gelingen, ohne auch ausreichend öffentliche Mittel für die Unterstützung der ärmeren Länder zur Verfügung zu stellen. Insbesondere für Anpassung und Loss & Damage kommen private Mittel nur sehr begrenzt infrage. Mit der aktuellen Konstellation im US-amerikanischen Kongress wird Präsident Joe Biden jedoch sein internationales Versprechen, im Jahr 2024 US$ 11,4 Milliarden für die Klimafinanzierung bereitzustellen, nicht einhalten können. Statt nur auf den Privatsektor abzuzielen und fragewürdige Kohlenstoffmarktinitiativen voranzutreiben, müssen die USA innovative Wege finden, um ihre Klimafinanzierung zu erhöhen.

Weitreichende Konsequenzen kann daher die zunehmende Verknüpfung der Klimaverhandlungen mit der internationalen Finanzarchitektur – insbesondere der multilateralen Entwicklungsbanken (MDB) und dem Internationalen Währungsfonds (IWF), aber auch in Bezug auf die Zentralbanken – haben. In der Abschlusserklärung sowie verstreut über verschiedene Tagesordnungspunkte ist das dritte Langfristziel des Pariser Abkommens unter Art. 2.1.c) so prominent wie nie zuvor in Entscheidungen enthalten. Dieser Artikel erhält zukünftig deutlich mehr Raum in den Klimaverhandlungen. Zwar gibt es vorerst keinen eigenen Tagesordnungspunkt. Dem Artikel ist nun jedoch ein Dialogformat gewidmet, er wird im Zentrum eines Arbeitsprogramms zu „Just Transition“ (sozial gerechte Transformation) stehen, und das Standing Committee on Finance (SCF) führt seine Arbeit in diesem Bereich fort.

Bei vielen Entwicklungsländern begründet sich der Vorbehalt darüber, Art. 2.1.c) als Tagesordnungspunkt aufzunehmen, mit verschiedenen Faktoren. Einige sehen in der Diskussion zu Art. 2.1.c) eine Ablenkung der Industrieländer von ihrer Verpflichtung, gemäß Art. 9 des Pariser Abkommens Klimafinanzierung bereitzustellen. Andere, insbesondere Öl- und Gasförderländer, aber auch solche mit noch nicht gehobenen fossilen Vorkommen sehen in der Umsetzung von Art. 2.1.c) eine Gefahr aus der Umlenkung von Geldern aus den fossilen Sektoren hin zu Klimaschutz. Die verletzlichsten Länder wiederum sehen schon jetzt, dass die weltweiten Investitions- und Finanzströme sie nicht erreichen. Daher entsteht die Befürchtung, dass eine Berücksichtigung zunehmender Klimarisiken in Investition- und Finanzentscheidungen ihre Kapitalkosten vermutlich noch weiter erhöhen und somit das Problem zusätzlich verschärfen könnte. Um dieses Thema gemeinsam mit vielen Partner:innen anzugehen, müssen die berechtigten Sorgen der Entwicklungsländer in einem Lösungspaket wirkungsvoll adressiert werden.

Ausblick: Neue Chancen durch die Reform der internationalen Finanzarchitektur

Die Reform der internationalen Finanzarchitektur ist eine große Chance, um in eine neue Dimension bei der Klimafinanzierung vorzudringen. Erstmals gehen aus der Abschlusserklärung eines Weltklimagipfels klare Aufforderungen an multilaterale Entwicklungsbanken und den internationalen Währungsfonds hervor, ihre Vision, ihr Geschäftsmodell und ihre Instrumente darauf auszurichten, den Klimanotstand angemessen zu bekämpfen. Dies bedeutet u.a. eine höhere Kapitalisierung, eine Anpassung der Risikobereitschaft bei der Klimafinanzierung, ein verstärkter Fokus auf Effektivität und Wirksamkeit, sowie die Anpassung operativer Modelle, Kanäle und Finanz- und Risikoinstrumente. Da die allermeisten Parteien im UNFCCC-Prozess auch Anteilseigner dieser Institutionen sind, sind sie in der Pflicht, diese Aufforderungen von den Institutionen nun auch aktiv einzufordern.

Auf die prozeduralen Entscheidungen von Sharm-el-Sheik müssen nun substanzielle Fortschritte beim Prozess zum neuen Klimafinanzierungsziel, der Erfüllung des 100-Milliarden-Versprechens und vor allem auch der Arbeit zur Finanzierung von Loss and Damage folgen. Dafür gibt es bis zu den Klima-Zwischenverhandlungen im Juni 2023 genug zu tun. Danach wird es darauf ankommen, u.a. auch durch eine erfolgreiche zweite Wiederauffüllung des Green Climate Funds (GCF) im Herbst das nötige Momentum hin zum Klimagipfel in den Vereinigten Arabischen Emiraten aufzubauen.

David Eckstein, Germanwatch