Deutsche Klimafinanzierung / Bundeshaushalt / Zusagen
Klimafinanzierung im Bundeshaushalt 2022: Drückt sich die Bundesregierung um gemachte Zusagen?
Für die Klimafinanzierung im Bundeshaushalt 2022 stehen die Zeichen schlecht. Statt die Mittel schrittweise zu erhöhen, um wie zugesagt bis 2025 ein Niveau von jährlich rund sechs Milliarden Euro an Haushaltsmitteln für die Klimafinanzierung zu erreichen, erlaubt der Entwurf von Finanzminister Christian Lindner (FDP) nur ein Verharren auf dem aktuellen Niveau.
Die Umsetzung des Pariser Abkommens fußt auf dem implizit gegebenen Versprechen aller Vertragsstaaten zu einer neuen Dimension globaler Kooperation – für die gegenseitiges Vertrauen die wohl wichtigste Zutat ist. Dazu gehört, sich darauf verlassen zu können, dass gesetzte Ziele erreicht und gegebene Zusagen eingehalten werden. Das gilt insbesondere auch für die Zusagen der Industrieländer zur finanziellen Unterstützung für Klimaschutz und Anpassung in den ärmeren Ländern (zu der sich die Industrieländer im Pariser Abkommen auch völkerrechtlich verpflichtet haben).
Die Zusage der Bundesregierung vom G7-Gipfel 2021, die deutschen Mittel für die Klimafinanzierung „bis spätestens 2025 von 4 auf 6 Mrd. Euro jährlich [zu] erhöhen“, entspricht zwar eher nicht einem fairen Beitrag Deutschlands, war aber zum damaligen Zeitpunkt, kurz vor der Bundestagswahl, als Richtungsangabe sehr begrüßenswert. Sie kam (wie auch ähnliche Zusagen der übrigen Industrieländer) zustande vor dem Hintergrund des (wenig überraschenden) Eingeständnisses, dass die Industrieländer ihr Versprechen von 2009 zur Steigerung der Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar nicht hatten halten können. Das drohte die mühsam über die Jahre aufgebaute Vertrauensbasis im Vorfeld zur UN-Weltklimakonferenz COP26 in Glasgow Ende 2021 erheblich zu beschädigen. Ein auf Basis der neuen Zusagen erstellter Fahrplan zur Klimafinanzierung sollte dem entgegenwirken. Ihm zufolge würde das für 2020 versprochene Niveau nun drei Jahre später erreicht – immer noch eine Enttäuschung (wie auch die COP26 in einem Beschluss festhielt), aber trotzdem wichtige Grundlage für ein halbwegs passables Ergebnis der UN-Weltklimakonferenz.
Um dieses Ergebnis nicht gleich wieder zu zerstören, wäre es nun wichtig, dass die Bundesregierung ihre 6-Milliarden-Zusage auch in die Tat umsetzt und dazu die Mittel für die Klimafinanzierung aus Deutschland schrittweise erhöht – beginnend mit dem Bundeshaushalt 2022. Legt man die Planzahlen für 2021 zugrunde (rund 4,3 Milliarden Euro, Stand März 2021), müssten die Mittel über den Zeitraum 2022-2025 jedes Jahr um rund 450 Millionen Euro gegenüber dem jeweiligen Vorjahr anwachsen, um im Jahr 2025 das Ziel von sechs Milliarden Euro zu erreichen. Für 2022 müssten also mindestens rund 4,8 Milliarden Euro für bilaterale Maßnahmenzusagen sowie Beiträge an multilaterale Klimafonds und anteilig für die Entwicklungsbanken zusammenkommen.
Abb. 1: Klimafinanzierung im Bundeshaushalt 2022, Prognose
Plant Finanzminister Christian Lindner den Vertrauensbruch?
Tatsächlich ist für 2022 nach dem von Christian Lindner vorgelegten Haushaltsentwurf kein Aufwuchs, sondern ein Verharren auf aktuellem Niveau geplant. Zwarlässt sich das nicht direkt aus dem Entwurf ablesen, denn die Klimafinanzierung wird großenteils über allgemeinere Titel (insbesondere die Titel der Bilateralen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit im Etat des Entwicklungsministeriums (BMZ)) umgesetzt, ist dort aber nicht gesondert ausgewiesen. Die Bundesregierung prognostiziert für 2022 ein Niveau von rund 4,2 Milliarden Euro. Das liegt noch unter dem schon 2019 erreichten Niveau sowie den Planzahlen für 2021 — und deutlich unter den 4,8 Milliarden Euro, die es 2022 für einen gleichmäßigen Aufwuchs bis 2025 bräuchte. (Die Prognose für 2022 liegt weit unter dem erreichten Niveau für 2020 (5,09 Milliarden Euro), das aber seinerseits deutlich über den ursprünglichen Planzahlen für 2020 (4,12 Milliarden Euro) liegt. Da die Gründe für das starke Abweichen bisher unklar sind, sind Vergleiche mit 2020 mit Vorsicht zu genießen.)
Eine ähnliche Prognose für die Folgejahre ist bisher nicht öffentlich; allerdings zeigt die mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 2023-2025 ein leichtes Absinken des BMZ-Gesamtetats (über den der Großteil der Klimafinanzierung abgebildet wird). Es ist kaum vorstellbar, dass innerhalb dessen die jetzt für 2022 geplanten Versäumnisse in den darauffolgenden Jahren ausgeglichen werden bzw. überhaupt irgendein Wachstum bis 2025 geplant ist.
Üble Aussichten also. Bleibt es dabei, plant die Bundesregierung einen Vertrauensbruch erster Klasse, mit dem sie sich auf dem kommenden G7-Gipfel unter deutscher Präsidentschaft einigermaßen blamieren könnte, ganz zu schweigen von dem negativen Signal, das Deutschland für die kommende UN-Weltklimakonferenz COP27 in Ägypten aussenden würde. Am fehlenden Geld liegt es ganz sicher nicht, wie das Beispiel der in Windeseile möglich gewordenen 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr zeigt. Damit drängt sich die Frage auf: Steht die neue Bundesregierung (bzw. ihr Finanzminister) eigentlich zu der Zusage der alten Bundesregierung?
Dabei geht es nicht einfach um Vertrauen und Reputation auf internationalem Parkett. Die ärmeren Länder benötigen die Unterstützung auch ganz konkret, um ihre wirtschaftliche Entwicklung klimakompatibel gestalten zu können und gleichzeitig die Abkehr von den fossilen Energien zu ermöglichen – was neben der Vermeidung der katastrophalen Szenarien der Klimakrise auch vor dem Hintergrund des Kriegs in der Ukraine eine neue Bedeutung bekommen hat. Zudem gilt es, die Gesellschaften in den ärmeren Ländern an die Veränderungen anzupassen und die Lebensgrundlagen der Menschen an die Folgen des Klimawandels abzusichern – nicht nur für ein Leben in Würde und frei von Armut, sondern übrigens auch, um etwa regionale Konflikte um knapper werdende Ressourcen wie nutzbares Land und Wasser oder zunehmend bedrohte Ernährungssicherheit der Menschen zu verhindern bzw. zu entschärfen.
Bundestag muss Klimafinanzierung im Haushalt 2022 aufstocken
Im laufenden Haushaltsverfahren sollte der Bundestag nun sicherstellen, dass die entsprechenden Etats bzw. Titel entsprechend aufgestockt werden, also etwa die Titel der Bilateralen Technischen und Finanziellen Zusammenarbeit im BMZ-Etat, die geplanten Beiträge an multilaterale Klimafonds und auch Mittel für die Internationalen Klimaschutzinitiative (die nun im Etat des Auswärtigen Amts untergebracht ist). Bei den bilateralen Titeln sind es die Verpflichtungsermächtigungen, die es zu erhöhen gilt, denn vor allem über sie (und wenige über die Barmittelansätze) werden Neuzusagen über mehrjährige Programme und Projekte abgedeckt. Bei den multilateralen Hilfen kann die Erhöhung sowohl über die Barmittel als auch die Verpflichtungsermächtigungen umgesetzt werden. Bei der Verteilung eines solchen Aufwuchses über die infrage kommenden Titel gibt es Spielraum – in der Summe aber müssten insgesamt zusätzliche rund 450-500 Millionen Euro gegenüber dem vorgelegten Entwurf zusammenkommen.
Mittelfristig sollte sich die Bundesregierung aber nicht damit begnügen, nur die alte Zusage zu erfüllen, auch wenn das in einem ersten Schritt die unterste Messlatte darstellt. Für einen fairen Beitrag zur Klimafinanzierung sollte die Bundesregierung angesichts der Verantwortung Deutschlands für die Verursachung der Klimakrise und seiner hohen Wirtschaftskraft die Zusage aufstocken – und dazu etwa zum G7-Gipfel verkünden, die Mittel aus dem Bundeshaushalt bis 2025 auf jährlich rund acht Milliarden Euro zu erhöhen zu wollen. Damit würde Deutschland angesichts der multiplen gegenwärtigen Krisen zumindest hinsichtlich der Klimakrise wieder eine Führungsrolle einnehmen.
Jan Kowalzig, Oxfam
Hinweis: Für die Prognose 2022 hatten wir zunächst eine eigene Abschätzung anhand einer Analyse des Haushaltsentwurfs vorgenommen, bei der wir auf rund 4,3 Milliarden Euro für 2022 kamen. Inzwischen hat die Bundesregierung mit 4,2 Milliarden Euro selbst eine Prognose bekanntgegeben (in diesem Interview). Wir haben im Artikel nun nachträglich unsere Abschätzung durch die Regierungsprognose ersetzt.