100 Milliarden / Anpassung / Internationale Klimafinanzierung
OECD-Klimazahlen: Benötigter, eindeutiger Aufwärtstrend nicht erkennbar
Im November 2019 veröffentlichte die OECD ihre aktuellste Erhebung zur Umsetzung des 100-Milliarden-Versprechens „Climate Finance Provided and Mobilised by Developed Countries in 2013-17“. Danach seien die in 2016 und 2017 erreichten Zahlen öffentlicher Klimafinanzierung der Industrieländer an die Entwicklungsländer ungefähr konsistent mit vorherigen Projektionen, dass diese Gelder bis 2020 auf etwa 66,8 Mrd. USD steigen würden. Exportkredite sind dabei nicht eingerechnet. Weiterhin seien deutliche Bemühungen notwendig, die „öffentliche Klimafinanzierung zu erhöhen und seine Effektivität hinsichtlich der Mobilisierung privater Mittel“ zu erhöhen.
Seit einigen Wochen liegen nun die Zahlen aus dem OECD-Marker-System für die bilaterale klimarelevante Entwicklungsfinanzierung in 2018 vor. Beiträge zu multilateralen Institutionen wie dem Grünen Klimafonds oder dem Anpassungsfonds sind hier nicht berücksichtigt. Diese stellen eine wichtige Grundlage für die Klimafinanzierungsberichterstattung der Länder an UNFCCC dar, sind aber nicht 1:1 zu vergleichen. Beispielsweise hatte Deutschland für 2015-2016 laut Oxfam durchschnittlich USD 8,3 Mrd an bilateraler Klimafinanzierung berichtet, die reinen OECD-Zahlen summieren sich aber nur auf etwa USD 7,2 Mrd. Allerdings erscheinen die OECD-Zahlen in detaillierterer Form jedes Jahr, während die UNFCCC-Berichterstattung in der Form der „Biennial Reports“ nur alle zwei Jahre stattfindet.
Wie bereits in anderen Artikel auf www.deutscheklimafinanzierung.de dargelegt, haben die OECD-Zahlen ihre Schwächen, z.B. durch übermäßige Anrechnung von Projekten, deren Klimaschutz- oder Anpassungsausrichtung eher sehr fraglich sind. [Verlinkungen]. Allerdings sind sie die aktuellste und detaillierteste Quelle und sind öffentlich verfügbar. Sie spielen daher für die transparente, unabhängige Analyse durch die Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle.
OECD-Zahlen für klimarelevante Entwicklungsfinanzierung 2018 zeigen viel zu kleinen Anstieg
Leider spiegeln die 2018er Zahlen keinen eindeutigen Aufwärtstrend wider. Für die Gesamtzahlen, die hier präsentiert werden, wurden jeweils die Beträge aus den Markern 2 (Klima als Hauptziel) und Marker 1 (Klima als Nebenziel) addiert. Für die Gesamtheit der Industrieländer summiert sich die berichtete Entwicklungsfinanzierung mit Minderungs- und Anpassungsaspekten für 2018 auf etwas mehr als 40 Mrd. USD. Dies liegt mit etwa 5% leicht über dem Durchschnitt 2015 bis 2018 von knapp 38 Mrd. USD, aber kaum über der Summe von 38,8 Mrd. in 2017. Schlechter sieht das Bild bei der dringend benötigten Anpassungsfinanzierung aus. Hier ist insgesamt ein Rückgang von 10% gegenüber 2017 zu verzeichnen, sogar um 26% bei den Mitteln, die Anpassung zum Hauptziel haben. Für Minderung gibt es insgesamt ein Plus von etwa 16%, die Mittel für Projekt mit dem Hauptziel Klimaschutz (Marker 2) sind allerdings um 15% zurückgegangen. Der Anteil der Anpassungsfinanzierung liegt dabei mit 41% in 2018 deutlich unter dem 2017er Niveau (47%).
Trends variieren nach Geberland
Je nach Geberland stellen sich die Zahlen 2018 sehr unterschiedlich dar. Zu den Ländern, die bei der kombinierten Minderungs- und Anpassungsfinanzierung (Marker 1 und Marker 2) 2018 sehr deutlich über dem Durchschnitt 2015-2018 liegen, gehören Spanien (93%), Schweden (74%) Neuseeland (48%), Kanada (42%). Natürlich lässt sich daraus nicht ableiten, dass sich dieser Aufwärtstrend in den nächsten Jahren genauso fortsetzt – die Zahlen können von Jahr zu Jahr stark variieren -, ist aber erst einmal ein wichtiges Signal. Im Gegensatz dazu hat Frankreich 2018 eine um 55% geringere Klimafinanzierung berichtet, als sich für den Durchschnitt 2015-2018 ergibt. Luxemburg liegt 32% unter dem Niveau 2015-2018, die USA als einer der größten Geber 26% unter dem Durchschnittsniveau der letzten 4 Jahre. Der Peak wurde hier 2016 erreicht, 2017 und 2018, unter der Trump-Regierung, ging die Summe dann um fast 50% zurück, beträgt allerdings immer noch über 1 Mrd. USD in 2018.
Japan als der größte Geldgeber mit fast 9,7 Mrd. USD liegt 2018 knapp 10% über dem Durchschnitt 2015-2018, bei der Klimaanpassung allerdings mit einem deutlichen Negativtrend gegenüber 2017 (-55% für Marker 1 und Marker 2 addiert). Die Minderungsfinanzierung hat sich nach den Daten mehr als verdoppelt. Japans Anrechnungspraxis ist allerdings kritisch zu bewerten, da die Regierung z.B. Marker-1-Projekte, also solche mit Klima als Nebenziel, mit ihrem gesamten Projektbudget anrechnet. Deutschland macht dies in der Regel nur mit 50%, wie Oxfam’s Climate Finance Shadow Report zeigt.
Großbritannien als das Land der nächsten COP-Präsidentschaft verzeichnet 2018 einen Anstieg von 20% gegenüber 2015-2018 und etwa 43% Anstieg gegenüber 2017. Mit der Ankündigung, seine Klimafinanzierung bis 2025 gegenüber 2020 zu verdoppeln, hat es auch als erstes Land ein Signal gesetzt, die Unterstützung für Entwicklungsländer weiter hochzufahren.
Die Institutionen der Europäischen Union gehören zu denen, die in den letzten Jahren die Anpassungsfinanzierung deutlich erhöht haben. Waren dies noch etwa 2,5 Mrd. USD in 2015, sind es seit 2016 konstant mehr aal 4 Mrd.
Wo steht Deutschland?
Deutschland gehört zu den Ländern, die einen insgesamt ansteigenden Trend verzeichnen können. Anpassung und Minderung zusammengerechnet, wurden 2018 etwas mehr als 9 Mrd. USD an klimarelevanter Entwicklungsfinanzierung kommuniziert. Dieser Wert liegt etwa 15% über dem Durchschnitt 2015-2018 und etwa 9% über dem 2017er-Niveau.
Die Anpassungsfinanzierung liegt in der Summe 2018 etwa 9% über 2017 und etwa 20% über dem Durchschnitt 2015-2018. Der größte Teil dieses Anstiegs findet bei Projekten statt, die mit Marker 1 gekennzeichnet sind, also Klimaanpassung eher als Nebenziel haben. Diese Mittel machen 2018 etwa 85% der Anpassungsmittel aus. Bei Projekten mit klarer Anpassungsausrichtung sollte deutlich aufgestockt werden.
Für den Bereich Minderung liegen die Gesamtzahlen 2018 um etwa 10% über dem Durchschnitt 2015-2018 und auch etwa 10% über dem Niveau von 2017. Gegenüber 2017 ist für Projekte mit dem Minderungsmarker 2 (Hauptziel Klimaschutz) ein Anstieg von 30% zu verzeichnen und ein Rückgang von 10% für Projekte mit Marker 1. Die knapp 5,3 Mrd. USD in 2018 verteilen sich zu etwa 62% auf Marker-2-Projekte und zu 38% auf Marker-1-Projekte.
Auch wenn der Anteil an Anpassung in der bilateralen klimarelevanten Entwicklungsfinanzierung mittlerweile gestiegen ist, liegt er immer noch nur bei 40% (ungefähr konstant in 2017 und 2018, etwa 32% im Durchschnitt 2015-2018). Gelder für Anpassung sollten daher weiter erhöht werden, um die im Paris-Abkommen anvisierte Balance zwischen Minderung und Anpassung zu erreichen.
Deutschland steht nach den OECD-Zahlen mit etwa 9,1 Mrd USD in 2018 nach Japan als der zweitgrößte, bilaterale Klimafinanzierungsgeber da. Im Vergleich zur Wirtschaftskraft zeichnet ich allerdings Schweden als größter Geber aus, in 2018 mit etwa 3,5 USD pro 10 Mio. USD GDP, Deutschland liegt hier bei etwas mehr als 2 USD.
Klimagelder müssen weiter ansteigen
Insgesamt lässt sich das Fazit ziehen, dass ein klarer Aufwärtstrend, der für die Erfüllung des 100-Mrd.-Versprechens und die aktive Bekämpfung der Klimakrise notwendig wäre, nicht für die Gesamtheit der Industrieländer zu erkennen ist. Eine Balance zwischen Minderung und Anpassung ist zuletzt wieder in die Ferne gerückt. Aus Sicht der Entwicklungsländer ist daher das Vertrauen in die Zusagen der Industrieländer sicherlich noch ausbaufähig und sollte durch eine weitere Erhöhung der Klimafinanzierung, besonders bei der Anpassung, sowie neue Zusagen für die Zeit nach 2020 gestärkt werden. Aufgrund vielfältiger Synergiechancen zwischen Klimamaßnahmen und wirtschafts- und sozialpolitischen Zielen und der Notwendigkeit, Zukunftsresilienz zu verbessern, muss die klimarelevante Entwicklungsfinanzierung gerade auch im Kontext von COVID-19 weiter an Bedeutung gewinnen,
Sven Harmeling, Care Deutschland