Internationale Klimafinanzierung / Umsetzung der Klimafinanzierung

Die Klimafinanzierung für die Holzkohleproduktion in Brasilien schürt Konflikte in der Bevölkerung

Eukalyptus Plantagen in Minas Gerais. Photo: Federica Giunta

Die Global Forest Coalition hat in Zusammenarbeit mit der FASE (Federação de Órgãos para Assistência Social e Educacional) eine neue Fallstudie über das von der Globalen Umweltfazilität (Global Environment Facility, GEF) finanzierte Projekt zu nachhaltiger Eisen- und Stahlproduktion („Sustainable Iron and Steel Production“) veröffentlicht. Aus dieser Studie geht hervor, dass Millionenbeträge an öffentlicher Finanzierung in eine hochgradig umweltverschmutzende und konfliktreiche Industrie im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais gepumpt werden. Zudem kommt die Untersuchung zu dem Schluss, dass dieses Projekt tatsächlich falsche Anreize für einen Ausbau der sehr schädigenden Eukalyptus-Plantagen schafft und keineswegs dazu beiträgt, die Emissionen des größten kohlendioxid-emittierenden Industriesektors Brasiliens zu reduzieren. Deutschland ist der drittgrößte Geldgeber der GEF: Seit 2014 hat es über das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 347 Mio. Euro in die GEF gezahlt, was etwa 12 Prozent der gesamten Projektfinanzierung entspricht. Deutschland hat auch einen Sitz im GEF Council, der eingereichte Projektanträge prüft und bewilligt.

Das Projekt „Sustainable Iron and Steel Production“ läuft seit 2014 und soll noch vor Ende dieses Jahres abgeschlossen werden. Es wird vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) durchgeführt und erhielt über 7 Mio. USD von der GEF. Ziel des Projektes ist die Reduktion der Emissionen von Brasiliens riesigem Eisen- und Stahlsektor in Minas Gerais, indem ein (bis zu 10%iger) Ausbau effizienterer Holzkohleproduktionsmethoden finanziert wird, die weniger Methan in die Atmosphäre abgeben. Sommit kann „nachhaltigere Holzkohle“ eingesetzt werden statt der Holzkohle, die mit den traditionellen kohlenstoff-intensiven Methoden produziert wird.

Das Besondere an Brasiliens Eisen- und Stahlsektor ist, dass er beträchtliche Mengen an Holz- statt Steinkohle verwendet. Deshalb ist Brasilien auch der weltgrößte Produzent von Holzkohle. Im Jahr 2017 produzierte das Land 5,2 Mio. Tonnen, wovon 90 Prozent in der Eisen- und Stahlindustrie genutzt wurden. Von der Holzkohle für die Eisen- und Stahlindustrie werden 80 Prozent aus Holz von Eukalyptus-Plantagen hergestellt. Die Eisen- und Stahlunternehmen in Brasilien sind häufig vertikal integriert: Sie besitzen und betreiben ihre eigenen Eukalyptus-Plantagen zur Herstellung von Holzkohle. Dementsprechend wachsen in Minas Gerais auf einer Fläche von 1,4 Mio. Hektar Eukalyptusbäume, mehr als in jedem anderen brasilianischen Bundesstaat.

Die sozialen und ökologischen Folgen der Produktion „nachhaltiger Holzkohle“

Vor Ort durchgeführte Untersuchungen über die Auswirkungen der zur Holzkohleherstellung in Minas Gerais genutzten Eukalyptus-Plantagen offenbaren die sehr dunkle Schattenseite des von der Industrie und ihren Unterstützern in der GEF und dem UNDP präsentierten grünen Images. Im Laufe der letzten fünf Jahrzehnte wurden den Geraizeiros, den traditionellen Bevölkerungsgruppen von Minas Gerais, riesige Flächen des zuvor gemeinschaftlich genutzten Bodens weggenommen und in Eukalyptus-Monokulturen umgewandelt. Dafür wurden Waldsavannen mit hoher Artenvielfalt abgeholzt und die Plantagen führten dazu, dass Gewässer verschmutzten und austrockneten und die gesamte nördliche Region des Bundesstaates von Wüstenbildung bedroht ist.

Durch betrügerische Methoden oder vom Staat sanktionierte Pachtverträge verloren die traditionellen Bevölkerungsgruppen Landflächen, auf die sie eigentlich einen Besitzanspruch haben sollten und die über Generationen nicht nur ihre Ernährungssouveränität sicherten, sondern auch die Grundlage ihrer kulturellen Praktiken waren. Jetzt sind die Menschen von Eukalyptusbäumen umgeben und haben wenig Hoffnung, ihre bäuerliche Existenz schützen zu können; die Bevölkerungszahlen sind rückläufig.

Über das Projekt erhielten vier Unternehmen mit äußerst fragwürdiger Vorgeschichte Direktsubventionen für die Produktion der sogenannten „nachhaltigen Holzkohle“. Die Fallstudie beschreibt, wie die Konzerne Plantar und Rima schon in der Vergangenheit mit umfangreichen Landnahmen in Verbindung gebracht wurden und von der Bevölkerung nach wie vor für die Auswirkungen der Plantagen auf die Artenvielfalt und Gewässer verantwortlich gemacht werden. Zudem wurde kürzlich aufgedeckt, dass Rima in die „Holzkohle-Mafia“ verstrickt war, die sich Holzkohle aus illegal geschlagenem Holz zu erheblich niedrigeren Preisen beschaffte. Ein anderes Unternehmen, Vallourec, war in der Vergangenheit mitschuldig an Gewalttaten gegen die lokale Bevölkerung und dem Mord an einem Bauern durch ihre bewaffneten Wachleute. Dem riesigen Stahlproduzenten ArcelorMittal wurden mehrfach Geldstrafen wegen Luftverschmutzung auferlegt und das Unternehmen musste kürzlich eine große Zahl an Familien umsiedeln, weil ein gefährlicher Absperrdamm in einem ihrer Bergwerke in Minas Gerais einzustürzen drohte. Und zuletzt sei noch der Holzkohle-Hersteller PCE/Cossisa erwähnt (der anfangs vom UNDP beauftragt wurde, sich aber aus dem Projekt zurückzog), der Berichten zufolge seine Beschäftigten schlechten Arbeitsbedingungen mit unzureichenden Gesundheits- und Sicherheitsmaßnahmen aussetzt.

Das Projekt führte keine Bewertung der sozialen und ökologischen Auswirkungen von Eukalyptus-Plantagen durch und beschränkte sich trotz der Behauptung, Interessengruppen aus der Zivilgesellschaft miteinzubinden, auf die Beteiligung von WWF Brasilien und Imaflora, einer gemeinnützigen Organisation, die über das Projekt dafür bezahlt wird, die Holzkohle-Geschäfte zu zertifizieren. Ebenso hat das Projekt Genderfragen völlig außer Acht gelassen und so auch beispielsweise den Nachweis geschlechtsspezifischer Auswirkungen von Eukalyptus-Plantagen in Brasilien ignoriert, wo Frauen Gewalt und sexuellen Übergriffen ausgesetzt, noch weniger über Landrechten verfügen und viel gefährdeterer sind, ihrer Existenzgrundlagen beraubt zu werden.

Mit dem Projekt sollte eigentlich versucht werden, die Produktionskosten der sogenannten „nachhaltigen Holzkohle“ zu senken, damit die Industrie eine wirtschaftliche und kontinuierliche Versorgung mit sozialverträglicher Holzkohle generieren kann, die den gesetzlichen Vorschriften entspricht und die für Emissionsgutschriften geeignet sind (mit denen die höheren Produktionskosten ausgeglichen werden können).

Eine fehlerhafte Kohlenstoff-Buchhaltung vertuscht die Klimafolgen der „nachhaltigen Holzkohle“

Trotz der Behauptung, das Projekt würde den Holzbedarf reduzieren, ist es wahrscheinlicher, dass die neuen Anlagen zur Holzkohleherstellung neben den bereits bestehenden traditionellen Methoden genutzt werden, statt diese zu ersetzen, wodurch die Produktionskapazität und der Gesamtbedarf an Eukalyptus erhöht werden. Das trifft mit Sicherheit auf die erste durch das Projekt finanzierte Betriebsanlage für Holzkohle zu. Die Finanzierung steigerte die Produktion und schaffte damit den Anreiz, die Plantagen zu vergrößern, was wiederum die eukalyptusbedingten Auswirkungen in dem Bundesstaat verschlimmerten.

In Bezug auf die Emissionsreduzierungen basieren die von dem Projekt bisher genannten Zahlen auf einer fehlerhaften Methode der Kohlenstoff-Buchhaltung, die das gesamte aus einer Plantage stammende Holz als „erneuerbar“ betrachtet (auch wenn für die Pflanzungen Landflächen entwaldet wurden) und damit alle Kohlendioxidemissionen unberücksichtigt lässt, wenn das Holz in Holzkohle verwandelt und verbrannt wird. Immer mehr wissenschaftliche Erkenntnisse fechten diesen Ansatz an, darunter auch eine kürzlich vorgelegte Studie, aus der hervorgeht, dass das brennende Holz selbst bei einer Durchforstung der Plantagen die Kohlenstoffbelastung in der Atmosphäre über vier Jahrzehnte lang erhöht. Das liegt an der Zeit, die es braucht, bis Kohlenstoff von den neuen Bäumen in der Plantage gebunden wird, und ist selbst bei den relativ kurzen Rotationszyklen in Brasiliens Eukalyptus-Plantagen ein signifikanter Faktor. Wenn bei diesem Projekt aktuelle Wissenschaft zur Anwendung käme, würde deutlich werden, dass es so etwas wie „nachhaltige Holzkohle“ in dieser Größenordnung nicht gibt, ganz gleich, wie effizient sie produziert wird.

Ein weiterer eng mit diesem Projekt verbundener und sehr problematischer Aspekt ist, dass sein Ziel darin besteht, die Herstellungskosten der „nachhaltigen Holzkohle“ zu senken, indem sie als gültig für international gehandelte Emissionsgutschriften erklärt wird. Die technologischen Entwicklungen, die durch das Projekt ermöglicht werden, sind nicht unbedingt ausgereift – die erste dieser Betriebsanlagen für Holzkohle verbrennt das in dem Prozess produzierte Methan in einem Schornstein, statt es in die Atmosphäre auszustoßen (wie es bei der traditionellen Holzkohleproduktion passiert), wofür Emissionsgutschriften beansprucht werden. Ein derartiges Verfahren mit Emissionsgutschriften zu belohnen, würde aufdecken, was dieses System tatsächlich ist: ein Kohlenstoff-Schwindel, bei dem sowohl der Gutschriftengeber als auch der Gutschriftennehmer in Anspruch nehmen, Emissionen zu reduzieren, wenn die Kohlenstoffmenge in der Atmosphäre in Wirklichkeit durch beide Prozesse erhöht wird.

Botschaft an die deutsche Bundesregierung: keine Finanzierung falscher Lösungen für den Klimawandel

Das Projekt von GEF und UNDP ist ein deutliches Beispiel fehlgeleiteter Klimafinanzierung, die sich den Interessen des Privatsektors beugt und den Status quo schützt. Statt einen hochgradig umweltschädigenden sowie land- und ressourcenintensiven Prozess gut aussehen zu lassen, indem er für gutschriftentauglich erklärt wird, sollte die internationale Finanzierung für den Klimaschutz tatsächliche Veränderungen bewirken und auf die grundlegenden Ursachen des Problems abzielen. In diesem Fall wäre eine Senkung der Nachfrage nach Eisen und Stahl beispielsweise durch eine geringere Produktion von neuen Privatwagen, Flugzeugen oder Fußballstadien weitaus effektiver.

Ebenso ist es eine sehr viel bessere Option, ein von der Bevölkerung durchgeführtes Aufforstungsprojekt zu finanzieren statt Baumplantagen des Privatsektors. Ein kürzlich vorgelegtes Papier zeigt, dass natürliche Wälder Kohlenstoff 40 Mal besser speichern als Plantagen, und dabei sind nicht einmal all die anderen Vorteile berücksichtigt, wie die Aufrechterhaltung der Lebensgrundlagen der Menschen, die von den Wäldern abhängig sind, der Schutz der Artenvielfalt und die Regulierung der Wasserkreisläufe.

Mit ihrer direkten Subventionierung hochgradig umweltverschmutzender Industrien erweisen sich die GEF und UNDP eher als Teil des Problems denn als Lösung. Wir fordern die Bundesregierung und das BMZ auf, ihre einflussreiche Position innerhalb der GEF und anderen internationalen Klimafinanzierungsmechanismen zu nutzen, um sicherzustellen, dass öffentliche Gelder umgewidmet werden: weg von schädlichen Baumplantagen und Bioenergieprojekten hin zu Naturschutz- und Erneuerungsmaßnahmen, die von der Bevölkerung durchgeführt werden, sowie anderen realen Lösungen für die Klimakrise.

Gastbeitrag von Oliver Munnion, Global Forest Coalition