Umsetzung der Klimafinanzierung

Klimafinanzierung für 100% erneuerbare Energien und die Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDG)

Mit der Förderung von 100% Erneuerbare Einergien kann die Klimafinanzierung zu den nachhaltigen Entwicklungsziele beitragen. Photo: C. Kropke / Brot für die Welt.

Eine nachhaltige Entwicklung ist nur durch eine Energiewende hin zu 100% erneuerbaren Energien (EE) zu erreichen. Tatsächlich geht es bei 100% EE nicht nur darum, im heutigen Energiesystem fossile Brennstoffe durch regenerative Energieträger zu ersetzen. Diese Wende trägt auch zu einer sozioökonomischen Entwicklung und damit zur Schaffung einer gerechteren Gesellschaft für heutige und zukünftige Generationen bei. Denn dabei wird die Umsetzung jedes einzelnen Ziels für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDG) gefördert.

Auch bei der Klimafinanzierung stehen erneuerbare Energien im Mittelpunkt, wie es das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) herausstellt, das erneuerbare Energien fördert und die Bedeutung des Energiesektors sowohl für den Klimaschutz als auch für die Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele betont. Das BMZ erklärt: „Hierfür ist eine massive Steigerung des Anteils erneuerbarer Energiequellen am gesamten Energiemix erforderlich.“ Das Ministerium unterstützt den Aufbau nachhaltiger Energiesysteme in über 40 Partnerländern und hat dafür in den Jahren 2014/2015 mehr als vier Milliarden Euro bereitgestellt. Allerdings ist nicht alles Gold, was glänzt. Es ist zwar richtig, dass es in der klimabezogenen bilateralen Zusammenarbeit viele positive Beispiele gibt, wie das Programm für Energiezugang (Energizing Development, EnDev) oder Projekte in Bangladesch und Südafrika. An den in unserer Projektdatenbank kontinuierlich erfassten Klimafinanzierungsprojekten ist zudem eine Veränderung der Finanzierungsprioritäten zu hin zu mehr erneuerbaren Energien beobachten. Dennoch finanziert Deutschland weiterhin Energieprojekte, denen es an einer klaren Verpflichtung auf 100% erneuerbare Energien fehlt. Es gibt immer noch finanzielle Förderung für Programme zum Ausbau der Stromübertragung ohne jegliche Verweise auf EE oder Energieeffizienz (als Beispiel sei hier ein 2014 initiiertes Projekt in Georgien angeführt). Und die KfW stellt Gelder für die Sanierung bzw. den Wiederaufbau und manchmal auch den Ausbau von Wasserkraftwerken zur Verfügung. Allein im Jahr 2014 finanzierte die KfW (unserer Datenbank zufolge) Projekte dieser Art in Sambia, Liberia, Togo und Benin mit einem Gesamtvolumen von 29,5 Millionen Euro.

Im Rahmen der Vorbereitung auf das Hochrangige Forum (High Level Forum, HLPF) vom 9. bis 14. Juli in New York veröffentlicht www.deutscheklimafinanzierung.de erneut einen von Joachim Fünfgelt (Brot für die Welt) zusammen mit dem World Future Council zusammengestellten Überblick, wie erneuerbare Energien zur Erreichung der einzelnen nachhaltigen Entwicklungszielen beitragen können.

Der Zugang zu Energie ist eine Voraussetzung, um Armut in jeder Form und überall zu beenden (Ziel 1), das Armutsrisiko zu reduzieren und gleiche Chancen auf wirtschaftliche Ressourcen sicherzustellen. Eine moderne Energieversorgung gilt als Grundbedingung für ein Leben in Würde. Dies gilt auch für substanzielle Menschenrechte wie den Zugang zu sauberem Wasser (Ziel 6), zu guter Ernährung (Ziel 2), zu Gesundheit (Ziel 3), zu sicherem Wohnraum (Ziel 11) und zu Bildung (Ziel 4).

Aus diesem Grund drängt uns Ziel 7: „Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern.“ Das bedeutet nichts weniger als den Übergang zu 100% erneuerbaren Energien. Dieser beinhaltet den notwendigen Paradigmenwechsel und ist der schnellste, billigste und tatsächlich einzige Weg, „niemanden zurückzulassen.“

Es ist überall möglich, Energie aus Naturkräften wie Sonne und Wind zu erzeugen. Deren modulare und dezentrale Beschaffenheit macht sie sehr flexibel. Selbst die kleinsten Gemeinden können eine kleine Solaranlage installieren oder von großen Netzen unabhängige Mini-Netze einrichten. Dadurch übernehmen sie die Kontrolle über ihre eigene Energieversorgung und sind nicht auf große Konzerne angewiesen, die für eine großräumige, zentrale Energieverteilung zuständig sind. In Großstädten können erneuerbare Energien für grundlegende Dienste wie eine zuverlässige Stromversorgung für die in Slums lebenden gefährdeten Bevölkerungsgruppen und für saubere Kraftstoffe sorgen, um die Luftverschmutzung zu verringern (Ziele 11 & 3). Damit verringern erneuerbare Energien auch Ungleichheiten (Ziel 10), insbesondere zwischen der städtischen und ländlichen Bevölkerung. Sie ermöglichen es, das Augenmerk auf die Bedürfnisse von benachteiligten und ausgegrenzten Bevölkerungsgruppen zu richten, insbesondere auf die von Frauen und Kindern, die am meisten unter der ungenügenden Grundversorgung in ihren Häusern und Wohnungen leiden (Ziel 5 & 11). Der Ansatz 100% erneuerbare Energien ebnet allen Ländern den Weg zu der gerechtesten Versorgung mit Energie: zu reichlich vorhandener und sauberer Energie, die innerhalb der eigenen Grenzen nahe an den Gemeinschaften verteilt wird und für jeden zugänglich ist.

Um die Verfügbarkeit von Wasser und Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten (Ziel 6), sind aus Lebenszyklus-Sicht „wasserfreundliche“ Technologien unerlässlich. Solare PV- und Windkraftanlagen brauchen bis zu 200 Mal weniger Wasser als ein Kohlekraftwerk, um dieselbe Menge an Strom zu erzeugen. Zudem sind erneuerbare Energien vor allem in heißen, trockenen Regionen die robusteste und kostengünstigste Option, an Wasser zu kommen, es aufzubereiten und zu pumpen. Und dabei haben wir noch mit keinem Wort die schädlichen Auswirkungen erwähnt, die die Gewinnung und der Transport von fossilen Brennstoffen auf die Qualität der Wasserressourcen, auf die Gesundheit der aquatischen Ökosysteme und auf den Klimawandel haben. Sauberes Wasser ist auch unabdingbar, um den Hunger zu beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung zu erreichen sowie eine nachhaltige Landwirtschaft zu fördern (Ziel 2).

Der Übergang zu einem Energiesystem aus 100% EE sorgt für eine Reduzierung der Luftverschmutzung und schädlicher Emissionen, die zu Krankheiten und Klimawandel führen, dessen Auswirkungen bekämpft werden müssen (Ziel 13). Erneuerbare Energien fördern die Gesundheit und das Wohlergehen von Millionen von Menschen (Ziel 3), die in Krankenhäusern und Gesundheitszentren auf dem Land auf Behandlung und gekühlte Medikamente angewiesen sind, die Gesundheit derjenigen, die unter der von Verkehr oder Kohlekraftwerken verursachten Luftverschmutzung leiden bzw. die Gesundheit von Frauen und Kindern, die auf Holzkohle kochen und unter Rauchemissionen leiden. Da fossile Brennstoffe der Hauptverursacher der Erderwärmung sind, ist das schnellstmögliche Erreichen von 100% EE die Voraussetzung dafür, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen (Ziel 13).

SDG 13 image

Ziel 13: Eine Energiewende hin zu 100% EE, um die verheerendsten Folgen des Klimawandels abzumildern, wird immer dringender. Abbildung aus dem Bericht vom World Future Council 2017.

Schon heute sind erneuerbare Energien in vielen Regionen der Welt, vor allem an abgelegenen Orten, die billigste Lösung für die Energieerzeugung. Dank fallender Preise für die Anlagen und der Tatsache, dass es Wind und Sonne umsonst gibt, haben erneuerbare Energien praktisch keine Grenzkosten. Und da erneuerbare Energien keine Fremdkosten mit sich bringen, sind sie die wettbewerbsfähigste Quelle der Energiegewinnung. Das ist von zentraler Bedeutung zur Erreichung der Ziele, Energie für alle (Ziel 7), Armut beenden (Ziel 1), menschenwürdige Arbeit für alle (Ziel 8) sowie Aufbau einer widerstandsfähigen Infrastruktur, Förderung einer nachhaltigen Industrialisierung und Unterstützung von Innovationen (Ziel 9).

Erneuerbare Energien können von jedermann installiert, verwaltet und in Besitz genommen werden. In diesem Sinne sind 100% erneuerbare Energien auch eine Chance zur Stärkung von Verfahrensrechten wie integrativer Teilhabe und Zugang zu Informationen für alle (Ziele 1, 4, 5, 10). Des Weiteren bringen sie es mit sich, dass alle Bürger und Bürgerinnen sowie jede Gemeinschaft nicht nur zu Nutznießern von Energiedienstleistungen werden (Ziele 3, 4, 6 und 7), sondern mit den richtigen Finanzmechanismen auch selbst Energie produzieren und damit innovative Geschäftsmodelle (Ziele 8 & 9) voranbringen können. Die Einführung von 100% EE kann daher vor allem für Unternehmer und Unternehmerinnen Chancen eröffnen und neue Industriezweige aufbauen (Ziel 9). Dank ihrer Dezentralität schaffen erneuerbare Energien in jedem Land sowohl in den Städten als auch auf dem Land verschiedene qualitativ hochwertige Arbeitsplätze und Einkommensmöglichkeiten. Das heißt, sie „lassen niemanden zurück“. In der Tat schaffen erneuerbare Energien mehr Arbeitsplätze pro Energieeinheit als jede andere Energiequelle (Ziel 8).

Da erneuerbare Technologien Energie aus im Überfluss vorhandenen Ressourcen gewinnen, die in effizienten und häufig intelligenten Infrastrukturen zum Einsatz kommen, sichert der Ansatz 100% EE nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster (Ziel 12). Mit der Verwendung von Regenerativstrom auch fürs Kochen könnten wir die durch die nicht nachhaltige Nutzung von Biomasse verursachte ökologische Belastung unseres Ökosystems verringern. Auch eine stärkere Nutzung von Biogas aus Bioabfall trägt zu einer Reduzierung von Müll bei, vor allem von Nahrungsmittelabfällen.

Mit dem Übergang zu 100% EE könnten wir die Versauerung der Ozeane reduzieren und die Meeresökosysteme erhalten (Ziel 14), die durch die Öl- und Gasförderung sowie die Atomenergieerzeugung schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden. Dasselbe gilt für das Leben an Land (Ziel 15). Ein großangelegter und schneller Umstieg auf EE ist die einzige nachhaltige Lösung, um die zunehmenden Folgen des Klimawandels auf die Ökosysteme und auf die Biodiversität einzudämmen, deren empfindliches Gleichgewicht schon von den kleinsten Veränderungen der Durchschnittstemperaturen schwer beeinträchtigt wird. Darüber hinaus können die Störung und Degradation von Ökosystemen, die direkt oder indirekt durch den Abbau fossiler Brennstoffe verursacht werden, durch den Umstieg auf 100% EE gebremst werden. Erneuerbare Energien haben über ihren gesamten Lebenszyklus die geringsten ökologischen Auswirkungen pro kWh erzeugter Energie.

Und nicht zuletzt wäre eine mit 100% EE versorgte Welt ein friedlicherer, sicherer und gerechterer Ort für alle (Ziel 16). Auch wenn es sicherlich ganz unterschiedliche Gründe für Konflikte gibt, stehen doch viele von ihnen im Zusammenhang mit dem Zugang zu fossilen Brennstoffquellen und Infrastruktur. Mit einem Umstieg auf 100% EE können Länder, Inseln, Städte und Gemeinschaften ihre Energieautonomie verbessern und sich aus der Abhängigkeit von Öl-, Gas-, Kohle- und Uranimporten befreien, die häufig zu geopolitischen Spannungen und bewaffneten Konflikten führen. Wie in vielen Gemeinschaften in aller Welt zu sehen ist, kann der Übergang zu 100% EE durch die sogenannte Energiedemokratie auch bessere Institutionen und Regierungsstrukturen fördern. Erneuerbare Energien eröffnen allen Menschen die Chance, sich für Energie als Gemeinschaftsgut (Ziel 10) einzusetzen und davon zu profitieren. Damit tragen sie zum Aufbau leistungsfähiger, rechenschaftspflichtiger und transparenter Institutionen bei und verbreitern und verstärken die Partizipation (Ziel 16).

Die Entwicklung erneuerbarer Energien erfordert nicht nur starke branchenübergreifende, transregionale und transnationale Partnerschaften, sondern auch einen kontinuierlichen Austausch über Lösungen, beste Vorgehensweisen und gemachte Erfahrungen. Tatsächlich ist die effektive und schnelle Umsetzung des Ziels 100% EE auf eine intensive Zusammenarbeit zwischen den Akteuren vor Ort und anderen regionalen, nationalen und internationalen Stakeholdern und Regierungen angewiesen. Deshalb geht die Stärkung der Partnerschaften im Bereich erneuerbare Energien Hand in Hand mit einer Verbesserung der Partnerschaften, die für die Umsetzung der Ziele für eine nachhaltige Entwicklung gebraucht werden.

Das breite Spektrum von positiven Nebeneffekten im Zusammenhang mit der Entwicklung von erneuerbaren Energien veranschaulicht einmal mehr die enge Wechselbeziehung zwischen allen Aspekten einer nachhaltigen Entwicklung. Angesichts der enormen Vorzüge, die mit der EE-Entwicklung und ihrer entscheidenden Rolle bei der Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einhergehen, ist es unabdingbar, dass politische Entscheidungsträger und Entwicklungsorganisationen sich die Botschaft 100% EE zu eigen machen und die 100%-Strategie in ihre Entwicklungsprogramme aufnehmen. Die wichtigsten politischen Empfehlungen dazu lauten:

  1. Das Ziel 100% erneuerbare Energien in alle politischen Bereiche und Prozesse im Zusammenhang mit den nachhaltigen Entwicklungszielen verankern.
  2. Auch in der Energiepolitik den Ansatz verfolgen, „niemanden zurückzulassen“.
  3. Eine ausreichende Beteiligung der Zivilgesellschaft und dem Aufbau ihrer Kapazitäten sicherstellen.
  4. Im Bereich Kochen mehr erneuerbare Energien zum Einsatz bringen.
  5. Die Priorität auf Energieeffizienz richten.
  6. Die Subventionen für fossile Brennstoffe für erneuerbare Energien umwidmen.
  7. Erneuerer und Wegbereiter fördern.

Gastbeitrag von: Joachim Fünfgelt, Brot für die Welt

Dieser Artikel wurde zuerst von Brot für die Welt veröffentlicht.

Weitergehende Informationen:

Der gesamte Bericht: 100% Renewable Energies for Sustainable Development

Die Kurzzusammenfassung: 100% Renewable Energies for Sustainable Development

Infografiken: https://info.brot-fuer-die-welt.de/sites/default/files/blog-downloads/100sdg_infographics_all.pdf

Video: https://www.youtube.com/watch?v=ejUojjU-Msc