Umsetzung der Klimafinanzierung

Finanzierung nicht nachhaltiger Lösungen: Deutsche Klimafinanzierung für den Abfallsektor im Globalen Süden

Industrieabfall verschmutzt den Planeten, Photo: K.Brown, Zero Waste Europe

Nichtregierungsorganisationen (NRO) aus dem weltweiten Netzwerk GAIA haben in letzter Zeit immer wieder darauf aufmerksam gemacht, dass die deutsche Entwicklungszusammenarbeit über die GIZ (Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit) an Vorhaben im Abfallsektor beteiligt ist, bei denen die am wenigsten umweltfreundlichen Optionen zum Einsatz kommen, darunter auch Technologien wie die Mitverbrennung von Abfällen und Ersatzbrennstoffen (Refuse Derived Fuel, RDF) in Zementöfen. Dies ist eine besorgniserregende Entwicklung, zumal Deutschland diese Aktivitäten als Klimafinanzierung deklariert. Insbesondere die GIZ scheint eine kontraproduktive Rolle bei der Entwicklung von Plänen für den Abfallsektor im Globalen Süden zu spielen, indem sie Investitionen in Projekte unterstützt, die nicht nur zu einer Erhöhung der Emissionen von Treibhausgasen (THG) führen, sondern auch noch schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Gesundheit und die Ökosysteme der ohnehin schon vulnerablen Gemeinschaften vor Ort haben. Zwar fördert die GIZ im Abfallsektor in manchen Fällen auch kleine, nachhaltige Technologien, wie etwa Biogas-Anlagen in Bangladesch (siehe weiter unten), aber ein erheblicher Teil der als Klimafinanzierung angerechneten Mittel fließt in große Investitionsvorhaben, die jegliche Bemühungen um eine Reduzierung der THG-Emissionen untergraben.

Müllverbrennung in Zementöfen – eine falsche Lösung für den Klimaschutz

Die Zementindustrie trägt erheblich zum Klimawandel bei: In der Studie zu den „Carbon Majors“ sind Zementhersteller die einzigen Produzenten nicht fossiler Brennstoffe, die zu den Spitzenreitern der 90 Unternehmen gehören, die für 63 Prozent aller THG-Emissionen verantwortlich sind. Nach Wasser ist Zement das meistverbrauchte Produkt der Welt und seine Herstellung ist eine der energieintensivsten industriellen Prozesse. Die Zementindustrie ist daher weltweit in der Pflicht, ihre THG-Emissionen zu reduzieren.

Die Industrie führt vor allem zwei Gründe für die Nutzung von Müll und Biomasse als Brennstoff an: Zum einen soll die Nutzung von „Abfall“ mit weniger THG-Emissionen einher gehen, weil die Bilanz des Kohlenstoffdioxidausstoßes dabei teilweise ausgeglichen werde, basierend auf dem Mythos der Klimaneutralität von Biomasse. Zum anderen argumentiert sie, dass die Nutzung von Abfällen die THG-Emissionen von Mülldeponien reduzieren würde, auf denen die Abfälle sonst landen würden, wenn sie nicht im Zementherstellungsprozess Verwendung als Brennstoff fänden. Auch wenn es stimmt, dass Mülldeponien im Globalen Süden eine weitverbreitete Methode der Abfallwirtschaft sind, so ist daraus noch lange nicht zu schließen, dass die Verbrennung dieses Mülls gegenüber den Deponien die kohlenstoffärmere, schadstofffreiere und ressourcenschonendere Lösung ist, die bei den aktuellen ökologischen Herausforderungen erforderlich ist.

Müllverbrennung und „alternative“ Brennstoffe reduzieren die THG- und Schadstoffemissionen nicht, sondern erhöhen im Gegenteil den Schadstoffausstoß, vor allem wenn bestimmte gefährliche Industrieabfälle oder bestimmte Plastikarten als Brennstoff verwendet werden. Zementwerke sind in der Regel weder dafür ausgerüstet, flüchtige Schwermetalle (Quecksilber, Thallium, Cadmium usw.) zu filtern, die in Petrolkoks und Müll stecken, noch können sie die toxischen Emissionen mit langlebigen organischen Schadstoffen (POPs) wie Dioxinen und Furanen (PCDD/PCDF) herausfiltern, die unter der Stockholmer Konvention verboten sind. Vor allem POPS stellen aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Umwelt dar. Sie sind giftig, schwer abbaubar, können über weite Strecken transportiert werden und reichern sich in der Nahrungsmittelkette an. Da Deutschland zu den Unterzeichnern der Stockholmer Konvention gehört, steht jegliche Förderung der wichtigsten Entstehungsursachen von POPs, wie die Müllverbrennung, im Widerspruch zur Absicht der Konvention

Die erheblichen Auswirkungen der Verschmutzung durch Müllverbrennung machen sich zuerst und am stärksten in den Gemeinden in der Nachbarschaft von Zementöfen und abfallgefeuerten Kraftwerken bemerkbar. Dort treten Atemwegserkrankungen, Hautleiden, Ernteausfälle und tödliche Arbeitsunfälle besonders gehäuft auf. Seit 2015 ist diese Situation in den Fokus wissenschaftlicher Forschung gerückt, die interessante Ergebnisse in Bezug auf Krebsraten in der näheren Umgebung von Zementwerken und eine Aufstellung ökologischer Probleme im Zusammenhang mit Müllverbrennung in Zementwerken veröffentlicht hat.

zero-waste-hierarchie

Die Abfall-Hierarchie; Quelle: Zero Waste Germany

Eine weitere negative Auswirkung neben der Luftverschmutzung ist, dass die Müllverbrennung die Abfall-Hierarchie untergräbt, und damit auch die Nachhaltigkeitskriterien für Abfallwirtschaft und Klimaschutzpolitik. Der Abfallsektor könnte erheblich zur Minderung von THG-Emissionen beitragen, wenn die höheren Stufen der Abfall-Hierarchie gefördert würden – einschließlich Maßnahmen zur Müllvermeidung, Wiederverwendung, zum Recycling, zur Kompostierung, Biogaserzeugung sowie zu Nachhaltigkeit bei Verbrauch und Produktion. Dieser Sektor könnte tatsächlich maßgeblichen Anteil an der Entwicklung hin zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft haben. Das gilt besonders im Globalen Süden, wo 1% der Bevölkerung ihren Lebensunterhalt im inoffiziellen Recycling-Sektor verdient und geeignete Unterstützung braucht, um ihre Arbeitsbedingungen sicherer zu machen. Hier haben Investitionen in Brennmaterialien nicht nur schädliche Auswirkungen auf die Umwelt, sondern auch auf die Gesellschaft und die Entwicklung der Länder.

Die Unterstützung der GIZ für Müllverbrennung in Zementwerken im Globalen Süden

Die GIZ ist ein entscheidender Akteur im Rahmen der deutschen Entwicklungszusammenarbeit und der Klimafinanzierung. Zwischen 2010 und 2014 hat die GIZ ein Viertel der 9,65 Mrd. Euro umgesetzt, die von Deutschland als offizielle Klimafinanzierung flossen. Damit ist die GIZ die größte Durchführungsorganisation nach der deutschen Entwicklungsbank KfW. Bei einem Drittel der von der GIZ durchgeführten Projekte geht es um Emissionsminderung – d.h. den Bereich, zu dem die Abfallwirtschaft gehört. Es liegt zwar keine vollständige Liste von allen Projekten im Bereich Abfall vor, die auf die Klimafinanzierung angerechnet werden, aber bei einer Suche in der Projektdatenbank zur deutschen Klimafinanzierung stößt man auf mindestens 13 Projekte, die eindeutig der Abfallwirtschaft zuzurechnen sind. Demnach spielt die Abfallwirtschaft zwar eine eher kleine Rolle in der Klimafinanzierung. Allerdings findet sich in dem Sektorvorhaben „Konzepte nachhaltiger Abfall- und Kreislaufwirtschaft“ der GIZ (Link zur Projektdatenbank), dessen derzeitige Phase seit 2014 läuft, Waste-to-Energy-Technologien (Energetische Nutzung von Abfall) als eines von vier Themen, was darauf hinweist, dass diese Thematik innerhalb der GIZ an Bedeutung gewinnt.

Quelle: Projektdatenbank auf www.deutscheklimafinanzierung.de

Es ist ebenfalls schwierig, die exakte Höhe der GIZ-Finanzmittel für die Abfallentsorgung nachzuvollziehen, weil diese unter derselben Kategorie wie Wasser und Abwasser geführt wird. Laut GIZ-Projektdatenbank werden derzeit 93 Projekte im Bereich „Wasser und Abwasser/Abfallentsorgung“ mit einem Finanzvolumen von 641 Mio. Euro gefördert. Dennoch wird die GIZ als eine der wichtigen europäischen Institutionen gesehen, die im Globalen Süden die Müllverbrennung in Zementwerken fördert, was unter zivilgesellschaftlichen Organisationen, die in den Bereichen Klimaschutz und Abfallverwertung arbeiten, Alarm ausgelöst hat. Vor allem setzt sich die GIZ für die Müllverbrennung in Entwicklungsländern als Klimaschutzstrategie ein, in vielen Fällen im Rahmen der Entwicklung von national angemessenen Minderungsmaßnahmen (NAMAs). Im Jahr 2015 veröffentlichte Zero Waste Europa in Zusammenarbeit mit GAIA Lateinamerika und GAIA Indien drei Fallstudien zu NAMAs im Abfallsektor. Aus diesen Studien geht hervor, dass die GIZ in diese Projekte involviert war und im Abfallsektor umweltbelastende Aktivitäten unterstützte. Die im Folgenden angeführten Fallstudien verschiedener Länder geben einen Überblick über die bisherigen Erkenntnisse zu diesem Thema.

Lateinamerika

In mehreren lateinamerikanischen Ländern ist die Behandlung und Entsorgung fester Abfälle der dritt- oder viertgrößte Verursacher von THG-Emissionen, wobei der Emissionsausstoß weiter steigt. Die Entwicklung nachhaltiger Strategien für den Abfallsektor ist für viele Länder in der Region zu einer immer wichtigeren Priorität geworden, wobei die Emissionsreduzierung ein wichtiger Schwerpunkt ist. Vor diesem Hintergrund kommt der internationalen Zusammenarbeit durch das Instrument der Klimafinanzierung eine besondere Bedeutung zu.

Dominikanische Republik: Im Rahmen des Projekts „Unterstützung bei der Umsetzung des klimakompatiblen Entwicklungsplans der Dominikanischen Republik in den Sektoren Zement und Abfall“, das die GIZ im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) (Link zur Projektdatenbank) durchführt, hat die GIZ Pläne für eine Müllverbrennung in Zementwerken unterstützt. Mit diesem Projekt soll der Grundstein für ein NAMA im Abfallsektor gelegt werden. Darüber hinaus unterstützte die GIZ zusammen mit der Fundación CEMA im Jahr 2014 in der Dominikanischen Republik ein Seminar über die Vorteile der Mitverbrennung von Abfällen. Laut des Spanischen Netzwerks gegen Müllverbrennung in Zementwerken und für Null Müll ist die spanische Stiftung CEMA für ihre Greenwashing-Kampagne für die Zementindustrie bekannt.

Mexiko: Trotz der langen Liste der mit Müllverbrennung in Zementwerken verbundenen Fälle intensiver Umweltverschmutzung unterstützt die GIZ diese Technologie in Mexiko. Im Jahr 2015 war sie Mitveranstalterin des Internationalen Forums „Energy Value of Urban Waste, das von neun mexikanischen Umwelt-NRO scharf kritisiert wurde. Darunter waren auch einige lokale NRO, die beklagten, dass die Hauptbotschaft dieser Konferenz darin bestünde, die bestehende Gesetzgebung müsse reformiert werden, um den Weg zu ebnen für die „energetische Nutzung von Abfall“ durch Müllverbrennung. Hinter der Organisation dieses Forums steckt das Programm Energetische Nutzung städtischer Abfälle (Link zur Projektdatenbank), an dem die GIZ und mexikanische Regierungsbehörden beteiligt sind. Mit dem Programm soll „die Nutzung des energetischen Potentials kommunaler Abfälle gefördert werden, um zur Energiesicherheit beizutragen“, wobei Müllverbrennung und Mitverbrennung von Abfällen ausdrücklich in Erwägung gezogen werden.

Asien

Positiv zu bewerten ist, dass die GIZ weltweit zu den führenden Organisationen für die Finanzierung und Durchführung vieler Projekt gehört, die asiatischen Ländern dabei helfen, die Folgen des Klimawandels zu bewältigen und ihre einzigartige biologische Vielfalt zu schützen. Negativ festzuhalten ist dagegen, dass die GIZ mitverantwortlich ist für die Erarbeitung wirtschaftlicher Instrumente wie Einspeisetarife und Energieerzeugung durch Abfallverbrennung, wodurch sie diese umweltschädlichen Praktiken fördert.

Bangladesch: Als positives Beispiel sei das Programm „Erneuerbare Energie und Energieeffizienz“ angeführt (Link zur Projektdatenbank), mit dem die GIZ die Einrichtung von 1.500 Biogas-Anlagen fördert, die Privathaushalte mit Energie zum Kochen versorgen. Durch die Verwendung organischer Abfälle aus Schlachthäusern, Molkereien und der Geflügelindustrie zur Erzeugung von Biogasenergie und unschädlichem Kompost für die Landwirtschaft konnten die gesundheitsschädlichen Auswirkungen durch das Verbrennen von Biomasse reduziert werden.

Indien: Indien hat bei der Erarbeitung ihrer INDCs und NAMAs einen Fokus auf den Abfallsektor gelegt und die GIZ hat dafür die energetische Nutzung durch Müllverbrennung zum zentralen Element erklärt. In allen vorgelegten Dokumenten, öffentlichen Maßnahmen und politischen Strategiepapieren scheint die GIZ den Export des deutschen Modells der Abfallbewirtschaftung aus den 1980er- und 1990er-Jahren zu befürworten, also technikbetonte Lösungen mit dem Schwerpunkt auf Müllverbrennung. Dabei wird weder der soziale und politische Kontext in Indien berücksichtigt noch die veränderte EU-Politik der vergangenen Jahre im Bereich der Ressourcen-, Abfall- und Kreislaufwirtschaft, die immer weiter von der Müllverbrennung abrückt. Die GIZ-Berater sind weit davon entfernt, einzuräumen, dass Deutschland tatsächlich Müll aus Südeuropa importieren muss, um die Überkapazitäten der Verbrennungsanlagen auszulasten. Stattdessen werben sie in Indien weiter für „gute“ Abfallverbrennung und verkaufen diese Technik irreführenderweise als Erfolg.

Die GAIA-Mitglieder in der Region Asien-Pazifik weisen zudem auf den hohen Feuchtigkeitsgehalt ihrer Abfälle hin, was diese für thermische Behandlung und energetische Nutzung ungeeignet macht. Das ist in dieser Region ein besonderes Problemfeld im Rahmen der gutgemeinten internationalen Klimafinanzierung für erneuerbare Energien und Abfallwirtschaft. In Zusammenarbeit mit dem Community Environmental Monitoring (CEM) hat GAIA den Bericht „Concrete Troubles“ über die Emissionen von Zementwerken in Indien veröffentlicht, in dem sie die fortlaufende Mitverbrennung von gefährlichen Abfällen anprangert. Der Bericht diente als Grundlage für einen Antrag, den Bürger im September 2015 beim indischen Umweltgericht, dem NGT (National Green Tribunal), eingereicht haben. Mit ihrem Antrag wollen die Bürger die Richtlinien des indischen Central Pollution Control Board anfechten, die eine Mitverbrennung von kommunalen und gefährlichen Abfällen in Zementwerken zulassen.

Änderungsbedarf angezeigt: Die energetische Nutzung von Abfällen darf nicht mehr finanziell gefördert werden.

Auch wenn noch weitere Untersuchungen folgen müssen, geht aus den bisherigen Ergebnissen hervor, dass die GIZ in Partnerschaft mit der Zementindustrie die Förderung von industriellen Praktiken unterstützt, die falsche Lösungen für den Klimaschutz sind. Denn es kommt dadurch unter anderem durch die Freisetzung toxischer Stoffe, zu Luftverschmutzung und damit zu negativen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt und das Klima.

Im Namen des internationalen Netzwerks GAIA und der Bewegung für Klimagerechtigkeit fordern wir einen Strategiewandel in öffentlichen Institutionen und globalen Industrien, die sich immer noch für die Müllverbrennung als „alternativen Brennstoff“ einsetzen. Stattdessen sollten sie in den betroffenen Ländern Maßnahmen für den Schutz der Luftqualität, für Ressourceneffizienz und „Zero-Waste“-Strategien fördern. Diese Maßnahmen leisten einen weitaus positiveren Beitrag für den Klimaschutz, erhöhen die Widerstandsfähigkeit der lokalen Wirtschaft und verbessern die Existenzgrundlagen im Recycling-Sektor.

Die GIZ sollte daher:

  • für ihre Entwicklungszusammenarbeit im Rahmen der Klimafinanzierung den Bereich der Abfallwirtschaft weltweit dahingehend kritisch überprüfen, welche Rolle die von ihr geförderten Maßnahmen im Abfallsektor in den Empfängerländern für Emissionsminderung und nachhaltige Entwicklung spielen.
  • sicherstellen, dass die deutsche Klimafinanzierung zu einer kohlenstoffarmen Entwicklung im Abfallsektor beiträgt. Das heißt, dass sie die „energetische Nutzung“ durch Müllverbrennung nicht länger fördern darf, sondern alternative, saubere und sichere Lösungen finanzieren soll, die auf erneuerbaren Energien, Energieeffizienz und einer mit der Abfall-Hierarchie im Einklang stehenden Abfallwirtschaft beruhen.

Autoren:

Magdalena Donoso, GAIA Lateinamerika
Mariel Vilella, Zero Waste Europe/GAIA
Pratibha Sharma, GAIA Indien
Jane Bremmer, GAIA Asien-Pazifik
Dharmesh Shah, Waste and Toxics Expert

Sabine Minninger, Brot für die Welt
Christine Lottje, Webseite www.deutscheklimafinanzierung.de