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OECD-Bericht zur Klimafinanzierung: Auf gutem Weg zu den 100 Milliarden?
Wenige Wochen vor dem Pariser Klima-Gipfel wächst der Druck auf die reichen Länder, belastbare Aussagen zu machen, wie sie die finanzielle Unterstützung wie versprochen auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben gedenken. Zuletzt hatte sogar der französische Präsident Francois Hollande davor gewarnt, von der Erfüllung des Versprechens auch der Erfolg der Verhandlungen um ein neues Klima-Abkommen abhängt.
Vor dem Hintergrund hatten die Industrieländer die OECD mit einer Analyse zum Zwischenstand bei der Klimafinanzierung beauftragt, um etwa die Behauptung in der Abschlusserklärung des G7-Gipfels zu untermauern, „dass wir und andere auf einem guten Weg sind, das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar zu erreichen“.
Nun hat die OECD ihren Bericht vorgestellt – mit dem zentralen Ergebnis, dass die Klimafinanzierung in den letzten Jahren gewachsen ist, im Durchschnitt der Jahre 2013-2014 ein Niveau von 57 Mrd. US-Dollar erreicht hat und davon 71 Prozent in Form von öffentlichen Mitteln zur Verfügung standen.
So kurz vor dem Pariser UN-Klimagipfel ist so ein Wachstum eine willkommene Nachricht. Auch der relativ hohe Anteil öffentlicher Mittel ist ein ermutigendes Signal. Allerdings: nicht alles, was auf den ersten Blick glänzt, ist auch nach genauerer Betrachtung noch Gold. Einige der Zahlen der OECD-Analyse lassen eine großzügige Anrechnung vermuten, durch die die hinter den Zahlen stehende Unterstützungsleistung für die armen Länder überschätzt wird.
Zum Beispiel schließen die Zahlen auch solche die Finanzhilfen für solche Maßnahmen mit ein, bei denen Klimaschutz oder Anpassung an den Klimawandel nicht eigentlicher Zweck eines Projektes sind, sondern nur als Nebenziele mitverfolgt werden. Es gibt keine international vereinbarte Zählweise für diese Fälle (die den Großteil der bilateralen Klimafinanzierung ausmachen). Deutschland rechnet hier 50 Prozent des Projektvolumens an (und auch das dürfte in vielen Fällen übertrieben sein), andere Länder gleich die gesamte Summe. Die 22,8 Mrd. US-Dollar an jährlicher bilateraler, klima-relevanter Entwicklungszusammenarbeit sind also vermutlich deutlich zu hoch angesetzt. Zählt man nur die Maßnahmen, bei denen Klimaschutz oder Anpassung an den Klimawandel der Hauptzweck der Maßnahme waren, ergeben sich für 2013 nach der OECD-Datenbank nur noch 14,5 Mrd. US-Dollar.
Ein anderes Problem besteht darin, dass der Großteil der 40,7 Mrd. US-Dollar an öffentlichen, bilateralen und multilateralen Mitteln nicht als Zuschüsse geleistet wurde. 2013 waren dies nur knapp 12 Mrd. US-Dollar. Der Rest setzt sich aus Darlehen zusammen, einschließlich solcher zu marktüblichen Zinsen. Sie müssen letztlich zurückgezahlt warden – was also bedeutet, dass nur das Zuschussäquivalent (d.h. der finanzielle Wert von Zinsvergünstigungen gegenüber Marktkrediten) von zinsvergünstigten Darlehen eine tatsächliche Unterstützung darstellt. Absurd ist es zudem, Exportkredite überhaupt anzurechnen (auch wenn sie mit nur 1,6 Mrd. US-Dollar nur gering zu Buche schlagen) – der Erfahrung nach mobilisieren Exportkredite keine zusätzlichen Finanzflüsse, sondern entscheiden darüber, ob beispielsweise ein deutsches oder ein französisches Unternehmen den Zuschlag bei einem Ausschreibungsverfahren in einem Entwicklungs- oder Schwellenland bekommt.
Was die mobilisierte private Finanzierung angeht, hat die OECD ein jährliches Niveau von 14,7 Mrd. US-Dollar ermittelt und dafür jene Projekte angerechnet, bei durch den Einsatz öffentlicher Gelder der Industrieländer private Investitionen mobilisiert wurden. Die OECD hat hier wegen der methodologischen Schwierigkeiten einen eher konservativen Ansatz verfolgt. Das muss auch in Zukunft so bleiben, denn wer durch was zusätzliche private Investitionen erzeugt hat, ist extrem schwer zu bestimmen, da öffentliche Mittel oftmals nur die Balance zugunsten einer Investition verschieben, zahlreiche weitere Faktoren (einschließlich solche, die den Entwicklungsländern zuzuschreiben sind) aber bei der „Mobilisierung“ eine Rolle spielen. Hier muss die tatsächlich geleistete Unterstützung der Industrieländer im Fokus bleiben.
Besonders beunruhigend ist, was der OECD-Bericht fast eher nur am Rande aufzeigt: Die finanzielle Unterstützung zur Anpassung an die klimatischen Veränderungen wird sträflich vernachlässigt. Lediglich ein Sechstel der Klimafinanzierung steht demnach für Anpassung zur Verfügung, jährlich also nicht einmal 10 Mrd. US-Dollar (im Vergleich: die Finanzierungslücke im Bereich Anpassung in den armen Ländern liegt nach einer Analyse von UNEP bei 200-300 Mrd. US-Dollar pro Jahr). Das Problem ist seit Jahren bekannt; seit 2009 die Industrieländer ihr 100-Milliarden-Versprechen gegeben haben, wird für die Anpassung an den Klimawandel zu wenig Geld bereitgestellt, insbesondere in kritischen Bereichen der Nahrungsmittelproduktion oder der Wasserversorgung. Das Bild wird noch düsterer, wenn man nur solche Mittel zählt, die in Form von Zuschüssen die Anpassung als Hauptziel verfolgen: 2013 waren dies lediglich 1,5 Mrd. US-Dollar. Viele Projekte verfolgen Anpassung nur als Nebenziel, oft werden Kredite eingesetzt – das ist nicht die Art Unterstützung, die die Menschen benötigen, etwa um flache Küstengebiete gegen den steigenden Meeresspiegel oder ihre Ernteerträge gegen kommende Dürren zu schützen.
Der Blick auf und hinter die Zahlen zeigt deutlich, wo die Unzulänglichkeiten und die kommenden Herausforderungen liegen. Die Hauptsache ist dabei diese: es wird nicht ausreichend direkte Unterstützung bereitgestellt, um die in Armut lebenden Menschen im Kampf gegen den Klimawandel zu unterstützen, insbesondere in den besonders verwundbaren Ländern.
Nun, da der OECD-Bericht einen Überblick über den Zustand der Klimafinanzierung gestattet, steht der eigentliche Glaubwürdigkeitstest für die Industrieländer bevor: Wie werden sie in den kommenden Jahren bis 2020 die finanzielle Unterstützung – gerade im Bereich Anpassung an den Klimawandel und insbesondere die öffentlichen Mittel – weiter erhöhen? Die Bundesregierung hat bereits angekündigt, dass Deutschland seine Klima-Hilfen verdoppeln wird, darunter insbesondere auch die derzeit etwa 2 Mrd. Euro aus dem Bundeshaushalt auf dann 4 Mrd. Euro im Jahr 2020. Großbritannien hat ebenfalls mehr Geld versprochen – mindestens 1,76 Mrd. Pfund im Jahr 2020. Und Frankreich erhöht bis 2020 auf 5 Mrd. Euro (Achtung aber vor dieser beachtlichen Zahl: dahinter verstecken sich vor allem Kredite, einschließlich solcher zu marktüblichen Zinsen). Sogar China, das keine Finanzierungsverpflichtungen unter der UN-Klimarahmenkonvention hat, sagte kürzlich 3,1 Mrd. US-Dollar an Klima-Hilfen für ärmere Länder zu. Der Rest, insbesondere Japan, Norwegen, Schweiz, Australien, Kanada, den meisten EU-Mitgliedsstaaten und natürlich den Vereinigten Staaten, hüllt sich in Schweigen.
Die Welt also wartet. Auf Ansagen der Geberländer bis spätestens zum Pariser UN-Klimagipfel, damit dort ein robuster Plan zur Erfüllung des 100-Milliarden-Versprechens vorgelegt werden kann.
Jan Kowalzig, Oxfam