Internationale Klimafinanzierung / Anpassung / Transparenz
Neue Analyse: Internationale Anpassungsfinanzierung bleibt ungerecht
Der Climate Adaptation Finance Index (CAFI) offenbart im zweiten Jahr in Folge alarmierende Ergebnisse in Bezug auf die gerechte Verteilung internationaler Klimaanpassungsfinanzierungen. Der Index zeigt auf, inwiefern die internationale Anpassungsfinanzierung risikogerecht und damit klimagerecht auf die Länder des Globalen Südens verteilt wird. Das Ergebnis für den CAFI 2024 ist, dass 90 Prozent der bewerteten Länder weniger Finanzmittel erhalten haben, als ihnen bei einer gerechten Verteilung nach ihrem spezifischen Klimarisiko zustehen würden.
Der Climate Adaptation Finance Index (CAFI 2024) misst die Verteilung der verfügbaren Mittel im Verhältnis zu länderspezifischen Klimarisiken. Dies schafft Transparenz darüber, wie erfolgreich das klimapolitische Ziel umgesetzt wird, die am stärksten gefährdeten Länder vorrangig finanziell zu unterstützen. Damit ist der Index ein wichtiges Bewertungskriterium für die Anpassungsfinanzierung, auch wenn für eine vollständige Bewertung weitere Kriterien herangezogen werden müssten, wie z.B. die absoluten Beträge, die erforderlich wären, um ein Land klimaresilient zu machen.
Der Index wurde für 129 Länder für den Zeitraum 2015-2021 berechnet (Index des Vorjahres: 2014–2020). Dabei werden zwei Faktoren berücksichtigt: das länderspezifische Klimarisiko, basierend auf angepassten Daten des EU Inform Risk Index, und die OEDC-DAC-Datenbank für internationale Anpassungsfinanzierung. In diesem Zeitraum wurden insgesamt fast 173 Milliarden USD zur Unterstützung der Klimaanpassung an die 129 untersuchten Empfängerländer bereitgestellt.
Der Vergleich mit den Ergebnissen des Vorjahresindex ermöglicht es nun, Veränderungen zu messen und sichtbar zu machen, ob es Fortschritte in der Verteilungsgerechtigkeit gibt und ob die am stärksten gefährdeten Länder die besondere finanzielle Unterstützung erhalten, die im Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC) und im Pariser Abkommen vorgesehen ist. Gleichzeitig wird aufgezeigt, welche Länder in der Rangliste des risikogerechten Zugangs zur Klimaanpassungsfinanzierung aufsteigen oder absteigen und wie sich der Anteil der Bevölkerung im Globalen Süden mit angemessen fairem Zugang zur Anpassungsfinanzierung entwickelt hat.
90 Prozent aller Entwicklungsländer sind gemessen am eigenen Klimarisiko unterfinanziert
Der Index zeigt sehr ernüchternde Ergebnisse: 90 Prozent der bewerteten Länder erhielten weniger Mittel aus der internationalen Anpassungsfinanzierung, als ihnen bei einer gerechten Verteilung (pro-Kopf-Bewertung) basierend auf ihrem Klimarisiko zugestanden hätten. 37 Empfängerländer erhielten weniger als die Hälfte ihres risikogerechten Anteils (extrem unterfinanziert), 50 Länder erhielten maximal 64 Prozent (stark unterfinanziert), 29 Länder maximal 80 Prozent (mäßig unterfinanziert), 10 zwischen 81 und 100 Prozent (angemessen finanziert) und drei Inselstaaten erhielten mehr als dies: Palau, Nauru und Tuvalu (siehe auch Abbildung 1).
Pro Kopf betrachtet sind insbesondere Zentral- und Ostafrika sowie Südasien extrem unterfinanziert. Laut dem CAFI 2024 sind die zehn am stärksten unterfinanzierten Länder in dieser Reihenfolge Afghanistan, Tschad, Südsudan, Somalia, Niger, Mali, Jemen, Äthiopien, Uganda und Irak. Im Vergleich zum Vorjahr sind neun Länder in der Liste geblieben, und der Tschad wurde hinzugefügt. Pro Kopf betrachtet sind die größten Absteiger in Bezug auf eine angemessene Finanzierung im Vergleich zum Index des Vorjahres der Tschad, Brasilien sowie São Tomé und Príncipe, während die größten Aufsteiger Palau, Jordanien und der Sudan sind.
Insgesamt gibt es im Vergleich zur letztjährigen Bewertung einen wachsenden Mangel an verteilungsgerechter Klimagerechtigkeit in der internationalen Anpassungsfinanzierung. Die Anzahl der Menschen in den Ländern, die in eine der beiden Kategorien der extremen und starken Unterfinanzierung fallen, ist im Vergleich zum Index 2023 um etwa 230 Millionen gestiegen und beträgt nun insgesamt über sechs Milliarden Menschen. Das sind 96,7 Prozent der Bevölkerung aller untersuchten Länder.
Je höher das Klimarisiko, desto größer die Lücke
Ein weiteres Ergebnis ist, dass die Lücke steig, je höher das Klimarisiko ist. Alle sieben Länder in der höchsten Klimarisikokategorie (Afghanistan, Chad, Südsudan, Somalia, Niger, Mali und Jemen) werden als extrem unterfinanziert eingestuft. Ebenso werden alle 37 Länder in der zweithöchsten Kategorie als entweder extrem oder stark unterfinanziert. Die Mehrheit der Länder mit hohem Klimarisiko gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs), Ländern mit niedrigem Einkommen (LICs) oder fragilen Staaten.
Die Analyse zeigt, dass viele dieser Länder durch mehrdimensionale Verwundbarkeit gekennzeichnet sind und daher dringend besondere Unterstützung benötigen. In der Realität sind sie jedoch besonders benachteiligt, wenn es um den Zugang zu Finanzmitteln geht. Für diese Situation müssen dringend Lösungen gefunden werden. Am stärksten profitieren stabile Staaten mit höherem Einkommen sowie Staaten mit politischem Gewicht von der Anpassungsfinanzierung. Damit wird das Ziel der prioritären Förderung vulnerabler Staaten auf den Kopf gestellt.
Ernüchternde Ergebnisse auch für Deutschland
Der CAFI Index wurde dieses Jahr auch für Deutschlands finanzielle Unterstützung der 129 Länder des Globalen Südens berechnet. Zum ersten Mal wird also berechnet, wie gerecht Deutschlands Unterstützung für die Klimaanpassung auf die Empfängerländer verteilt ist. Dies ermöglicht auch einen Vergleich zwischen Deutschland und der internationalen Gebergemeinschaft in der Verteilung von der Klimaanpassungsfinanzierung – und wo sich Deutschland womöglich unterscheidet.
Deutschland hat 2015-2021 14,7 Mrd. USD an Anpassungsfinanzierung bereitgestellt (7% mehr als in der Vorperiode 2014-2020). Die Verteilung der deutschen Anpassungsfinanzierung für den Globalen Süden zeigt aber ein ähnliches Bild wie die internationalen Ergebnisse. Zwar ist seine Verteilungsgerechtigkeit für Afrika und die LDCs leicht höher als der internationale Vergleich, für die pazifischen Inselstaaten liegt Deutschland jedoch niedriger als die Gruppe der internationalen Geberländer. Und auch in der deutschen Anpassungsfinanzierung schneiden vor allem die Länder mit dem höchsten Klimarisiko, fragile Staaten, afrikanische Staaten und die LDCs besonders schlecht ab, d.h. sie sind besonders stark unterfinanziert.
Handlungsbedarf: Zehn Empfehlungen für gerechte Anpassungsfinanzierung
Die Ergebnisse des CAFI 2024 machen deutlich, dass die Verteilung internationaler Klimaanpassungsfinanzierungen dringend fairer werden muss. Länder mit hohem Klimarisiko, die am stärksten von den Folgen der Klimakrise betroffen sind, dürfen nicht länger benachteiligt werden. Es ist an der Zeit, dass die internationale Gemeinschaft konkrete Schritte unternimmt, um echte Klimagerechtigkeit zu schaffen – für eine Welt, in der die Schwächsten nicht weiter zurückgelassen werden.
Der CAFI 2024 schließt mit zehn wichtigen Empfehlungen, um die Verteilungsgerechtigkeit der Klimaanpassungsfinanzierungen zu verbessern:
- Alle Geberländer sollten Wege finden, den fairen und risikoangemessenen Zugang zu diesen Finanzierungen zu verbessern.
- Länder mit den höchsten Klimarisiken müssen besseren Zugang zu Anpassungsfinanzierungen erhalten. Ein Sondergipfel zu diesem Thema wäre ein erster Schritt.
- Alle kleinen Inselstaaten (SIDS) sollten fairen Zugang zu Klimaanpassungsfinanzierungen erhalten. Auch LICs und Länder mit niedrigem mittlerem Einkommen (UMICs) benötigen Priorität.
- Fragile Staaten müssen durch die Einbindung internationaler und nichtstaatlicher Organisationen besser unterstützt werden.
- Eine Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union ist nötig, um den Zugang zu Finanzierungen für die unterfinanzierten afrikanischen Länder zu verbessern.
- Ein spezifisches Kontingent für Anpassungsfinanzierungen für die LDCs, ähnlich dem Grünen Klimafonds, wäre notwendig.
- Ähnliche Mechanismen sollten für den neuen Fonds für Verlust und Schaden gelten, damit besonders verletzliche Länder nicht wieder benachteiligt werden.
- Verteilungsgerechtigkeit muss bei den Verhandlungen zum neuen Klimafinanzziel stärker berücksichtigt werden.
- Deutschland sollte eine feste Quote seiner Anpassungsfinanzierung für eine definierte Gruppe von Ländern reservieren, wie es bereits bei Klimaschutzprojekten der Fall ist.
Sabine Minninger, Brot für die Welt, und Thomas Hirsch, Climate & Development Advice