Green Climate Fund (GCF) / Umsetzung der Klimafinanzierung
Klima- oder Entwicklungsprojekt: Eine Geschichte von Definitionschwierigkeiten und Doppelmoral
Im Zeitraum vom 13. – 15. Dezember 2016 traf sich das Direktorium (Board) des Green Climate Fund (GCF) zu seiner 15. Sitzung, um über aktuelle Themen sowie Projektanträge zu diskutieren. Dabei wurde deutlich, dass eine Frage besonders kontrovers ist: Was gilt als ein Projekt zur Anpassung an den Klimawandel und damit als förderfähig für den GCF? Lässt sich dies abgrenzen von allgemeinen Entwicklungsprojekten, die dann nicht förderfähig wären?
Diese Diskussion entzündete sich vor allem an einem der neun Projektvorschläge, die dem Direktorium zur Bewilligung vorlagen. Während acht Projekte mit einer Fördersumme von insgesamt 315,2 Millionen US-Dollar bewilligt wurden, wurde dieses Projekt vom Antragsteller zurückgezogen, weil sich abzeichnete, dass die Widerstände bei einigen Direktoriumsmitgliedern zu groß waren. Das Projekt mit dem Titel “Enhancing Women and Girls’ Adaptive Capacity to Climate Change”, welches vom Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) eingereicht wurde, sollte laut Projektbeschreibung Frauen und Mädchen in der stark gefährdeten Küstenregion Bangladeschs bei der Anpassung an den Klimawandel unterstützen. Die Hauptthemenfelder des Projekts sind Wassermanagement, Diversifizierung des Einkommens durch direkte Zahlungen einer sozialen Grundunterstützung für die ärmsten und einkommensschwächsten Frauen in der Region und die strukturelle Stärkung des Ministeriums für Frauen und Kinder. Eine Reihe von Direktoriumsmitgliedern stellte die Frage, ob solche Aktivitäten – insbesondere die Diversifizierung der Einkommensquellen durch soziale Stützungsmaßnahmen – nicht eher klassische entwicklungspolitische Maßnahmen statt Anpassung an den Klimawandel seien. Diese kritische Haltung wurde vor allem von den VertreterInnen der Industriestaaten formuliert, während die RepräsentantInnen der Entwicklungsländer sich vornehmlich für das Projekt aussprachen.
Klimaanpassung vs. Entwicklung?
Der GCF soll Projekte in zwei Bereichen fördern: Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel. Für den ersten Bereich lässt sich relativ einfach sagen, wann ein Projekt ein Klimaschutzprojekt ist. Der gängigste Indikator hierfür ist die Reduktion der in die Atmosphäre eingebrachten Treibhausgase, bzw. die gesteigerte Kapazität eines Ökosystems diese zu absorbieren. Da diese Klimaschutzwirkungen so erzielt werden sollen, dass sie einen transformativen Wandel – in den Worten des Gründungsdokumentes des GCF einen „Paradigmenwechsel zu einer emissionsarmen und klimaresilienten Entwicklung“ – fördern, stellen sich auch hier Fragen nach Kriterien und Definitionen. Dennoch ist es relativ einfach, ein Klimaschutzprojekt zu erkennen.
Für Anpassungsprojekte hingegen gibt es eine Vielzahl von Definitionen (siehe z.B. die Definition des Weltklimarats IPCC im Kasten). In vielen Projektvorschlägen verbinden sich Aspekte traditioneller Entwicklungsmaßnahmen mit Aspekten der Klimaanpassung. Das Argument der Geber lautet dann: Für Entwicklungszusammenarbeit haben wir andere Finanzierungsinstrumente – und für einige Aspekte wie Wasserversorgung oder Geschlechtergerechtigkeit noch mal eigene Programme und Fonds – daher wäre es unangemessen, die knappen Mittel der Klimafinanzierung darauf zu verwenden.
Klimaanpassung gleich Entwicklung?
Doch ist die Abgrenzung von Klimaanpassung und Entwicklung überhaupt sinnvoll? Neben dem Schutz vor punktuellen Extremereignissen z. B. durch entsprechende Infrastruktur, ist die Verwundbarkeit einer Gesellschaft stark durch strukturelle Unterentwicklung bedingt. Solche bereits bestehenden Entwicklungsdefizite intensivieren die Gefährdung bestimmter Bevölkerungsgruppen oder Gemeinschaften im Kontext des Klimawandels zusätzlich. Wenn also Entwicklungsprojekte auf die Reduktion dieser strukturellen Probleme abzielen, wird ebenso ein wichtiger Beitrag zur Steigerung der Anpassungsfähigkeit geleistet.
Während der Bau eines Deiches in einer vom Meeresspiegelanstieg bedrohten Küstenregion als Anpassungsmaßnahme mit starkem Klimabezug einfach zu identifizieren ist, ist dies bei Bildungsprogrammen in einer strukturschwachen vom Klimawandel betroffenen ländlichen Region deutlich schwerer. Bildungsprogramme sind „klassische“ Projekte der Entwicklungszusammenarbeit. Aber sie können auch für eine langfristige, strukturelle Anpassung an den Klimawandel (im Sinne des vom GCF geforderten Paradigmenwechsels) entscheidend sein, wenn durch die gesteigerten Bildungschancen zusätzliche Möglichkeiten für die Bevölkerung geschaffen werden, Einkommen außerhalb der Landwirtschaft (besonders verletzlicher Sektor im Bezug auf Klimaveränderungen) zu erzielen. Im konkreten Fall des von UNDP zurückgezogenen Projekts lassen sich sowohl direkte als auch strukturelle Klimaanpassungsmaßnahmen identifizieren. Während die Komponente des Wassermanagements einen direkten Bezug zur Anpassung an den Klimawandel aufweist, ist die Benachteiligung und höhere Verwundbarkeit von Frauen und Mädchen ein strukturelles Problem. Durch die Stärkung der Kapazitäten des Ministeriums und die Hilfe zur Diversifizierung des Einkommens wird die allgemeine Verwundbarkeit dieser Bevölkerungsgruppe abgemildert, was eine höhere Anpassungsfähigkeit an klimawandelbedingte Risiken schafft. Im UNDP-Antrag waren dafür auch Transferleistungen, also direkte Geldzahlungen an bestimmte Gruppen von Frauen vorgesehen, als Starthilfe für den Aufbau neuer Einkommensquellen. Insbesondere hier knüpften die kritischen Fragen der Geber an. Diese fürchten, dass die Anpassungsfinanzierung perspektivisch sehr teuer werden kann, wenn solche strukturellen Maßnahmen als Klimaanpassung anerkannt werden. Das ändert aber nichts daran, dass Anpassung nicht allein mit dem Bau von ebenfalls häufig sehr kostspieligen Deichen, Brunnen und Schutzräumen bewältigt werden kann und strukturelle Maßnahmen häufig nötig sind.
In diesem Zusammenhang wird es auch auf der kommenden GCF-Direktoriumssitzung Anfang April interessant werden, wie sich die Geberländer hinsichtlich eines Staudammsanierungsprojekts in Tadschikistan positionieren. Dabei argumentiert der Projektentwickler, die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung, nämlich dass die Erneuerung veralteter Turbinen in einem Staudamm aus der Sowjet-Ära die „Klimaresilienz“ des betagten Bauwerks erhöhen soll. Wird also Resilienzbildung für Infrastruktur leichter anerkannt als für die ärmsten Bevölkerungsgruppen?
Generell stellt sich also die Frage, ob es sinnvoll ist, Anpassung und Entwicklung als voneinander trennbare Aspekte zu betrachten, zumal der GCF in seinen Grundstatuten explizit fordert, dass all seine Finanzierungszusagen im Rahmen nachhaltiger Entwicklung erfolgen müssen. Gute Entwicklung muss vor dem Hintergrund des Klimawandels nachhaltig und klimasensibel gedacht und implementiert werden. Gleichzeitig kann Anpassung nur dann effektiv sein, wenn die Ursachen struktureller Unterentwicklung und damit verbundener gesteigerter Verwundbarkeit adressiert werden. Es ist also erforderlich, Maßnahmen der Klimaanpassung in Entwicklungsprojekte mit aufzunehmen und mögliche Folgen des Klimawandels bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten zu berücksichtigen und andersrum gleichermaßen auch nachhaltige Entwicklung, inklusive positive soziale, ökonomische und geschlechtergerechte Auswirkungen, in der Konzipierung und Durchführung von Klimaprojekten zu bedenken.
Wie lassen sich Anpassungsprojekte definieren?
Sollten deswegen alle Entwicklungsprojekte als Anpassungsprojekte gelten? Natürlich nicht. Für die Entscheidung, welche Projekte klimaspezifische Finanzierung erhalten sollten, braucht es Kriterien. Ein Anpassungsprojekt sollte einen eindeutigen Bezug zu bestehenden oder erwarteten Folgen des Klimawandels aufweisen und darauf eine angemessene Antwort formulieren. Diese Antwort kann aber eben auch Instrumente der klassischen Entwicklungszusammenarbeit nutzen. Die Frage, ob ein Projekt (auch) ein Entwicklungsprojekt ist, sollte für den GCF und andere Formen der Klimafinanzierung nicht relevant sein. Die relevante Frage muss sein, ob das Projekt einen Beitrag zur Anpassung leistet.
Um hier mehr Klarheit zu schaffen, wäre beispielsweise die Einigung auf eine eindeutige Definition von Klimaanpassung oder die Übernahme und/oder Anpassung bereits bestehender Definitionen (z. B. IPCC) ein Anfang. Auch gibt es eine Reihe von Fragen, welche bei der Bewertung eines Projekts in Betracht gezogen werden können:
- Adressiert das Projekt direkt die Verwundbarkeit einer Gesellschaft/besonders benachteiligten Gesellschaftsgruppe/Region?
- Sind die Anpassungsmaßnahmen zwingend erforderlich/wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit einer Störung grundlegender Funktionen?
- Wird die Anpassungsfähigkeit der Zielgruppe signifikant gesteigert?
- Sind alle Projektkomponenten „klimasensibel“?
- Gibt es andere Projekte, welche die für den Klimawandel irrelevanten Projektkomponenten adressieren?
Doppelte Standards der Geber
Die Geberländer, die beim zurückgezogenen GCF-Projekt in Bangladesch restriktive Kriterien anlegen wollten, sind bei ihrer eigenen bilateralen Finanzierung deutlich großzügiger. Wenn es um die Frage geht, welche Summen für die eigene Klimafinanzierung angerechnet werden können, sind auf einmal sehr viele Projekte Anpassungsprojekte. Für die Berichterstattung werden diese Projekte mit den sogenannten Rio-Markern gekennzeichnet. Diverse Studien zur Verwendung der Rio-Marker haben gezeigt, dass immer wieder Projekte mit untergeordnetem oder fehlendem Klimabezug trotzdem mit klimarelevanten Rio-Markern versehen werden.
Es stellt sich also die Frage, weshalb Projekte wie beispielsweise der Schutz von archäologischen Stätten oder die Finanzierung eines Liebesfilmfestivals als klimarelevante Projekte kategorisiert werden, die Unterstützung von Frauen und Mädchen in einer vom Klimawandel stark bedrohten Region jedoch als wenig klimarelevant abgelehnt wird.
Die politische Dimension dieser unterschiedlichen Standards liegt auf der Hand. Wenn es darum geht, bei den eigenen Projekten die Zahlen in die Höhe zu treiben, um Klimafinanzierungszusagen auf dem Papier zu erreichen, ohne jedoch die volle Summe an zusätzlichen Geldern bereitzustellen, gilt das eine. Bei der multilateralen Zusammenarbeit, wo Entwicklungsländer ihre eigenen Projekte entwickeln und einreichen, gilt das andere. Diese Doppelmoral der Geberländer schadet ihrer Glaubwürdigkeit auf der internationalen Bühne.
Der Ausweg ist ein einheitlicheres und klares Verständnis von Anpassungsprojekten. Dabei hilft eine schematische Zweiteilung „Anpassung oder Entwicklung“ nicht weiter. Stattdessen muss anerkannt werden, dass Anpassungsprojekte einen klaren Bezug zu Bewältigung von Klimafolgen brauchen, aber diese Bewältigung selbstverständlich auch sozioökonomische und strukturelle Ansätze umfassen kann.
Lutz Weischer und Mario Wetzel, Germanwatch