Deutsche Klimafinanzierung / Umsetzung der Klimafinanzierung
Praxisbeispiel Klimafinanzierung: Wüstenstrom als Motor für nachhaltige Entwicklung in Marokko
Die deutsche Klimafinanzierung wird meist nur daraufhin analysiert, wie hoch die Zusagen sind, die Deutschland an die Entwicklungsländer macht. Aber genauso wichtig ist die Frage, in welche Projekte die Gelder fließen und ob diese eine Beitrag dazu leisten, die Welt auf emissionsarme und nachhaltige Wirtschaftspfade zu lenken. Germanwatch hat über Jahre ein von Deutschland mitfinanziertes Projekt in Marokko begleitet: das Solarkraftwerk Nooro (das kleine „o“ steht für den Standort) in Ouarazate.
Vor den Toren der marokkanischen Sahara zeigt sich, wie der Einstieg in eine nachhaltige Energiezukunft aussehen kann: In Ouarzazate, 200 km süd-östlich von Marrakesch, entsteht auf 3000 Hektar der größte solarthermische Kraftwerkspark der Welt: Das 580 Megawatt (MW) umfassende Noor-Projekt, was auf Arabisch „Licht“ bedeutet, wurde 2009 von König Mohammed VI. ins Leben gerufen.
Wie ein überdimensionales Spiegelkabinett erstrecken sich die gebogenen Parabolspiegel des ersten 160-MW-Teilabschnitts (Noor 1) über die karge Hochebene des Atlasgebirges. Nach Angaben des saudi-arabischen Projektentwicklers ACWA Power soll er schon in wenigen Monaten in Betrieb gehen. Bis 2019 – so der Plan – werden drei weitere Teilabschnitte des Solarkomplexes folgen. Mittels Flüssigsalzspeicher kann die produzierte Energie als Wärme bis zu sieben Stunden gespeichert werden. In den Abendstunden, wenn die Sonne untergegangen und der Strombedarf des Landes am höchsten ist, kann der Strom auf diese Weise weiterhin geliefert werden. So sollen mehr als eine Million Haushalte mit sauberem Strom versorgt und Millionen Tonnen CO2 eingespart werden.
Marokkos Pläne zum Ausbau erneuerbarer Energien
Auch in anderen sonnenreichen Regionen Marokkos sollen in den kommenden Jahren vier Solarkomplexe nach dem Vorbild von Noor gebaut werden und dazu beitragen, dass bis 2020 42% und bis 2030 über die Hälfte der in Marokko installierten Kraftwerksleistung aus Erneuerbaren Energien besteht (siehe Abbildung). Für das Königreich, das über keine nennenswerten Erdöl-, Erdgas- oder Kohlevorkommen verfügt und bisher rund 95 Prozent seiner Energieträger importiert, ist dies eine überlebenswichtige Strategie in Richtung einer klimafreundlichen und modernen Entwicklung.
Weil Marokkos Energiepolitik auch global als vorbildlich gilt, beteiligt sich Deutschland finanziell mit anderen internationalen Partnern an dem Solar-Aushängeschild sowie zahlreichen weiteren grünen Energieprojekten im Land. Insgesamt liegen die Kosten für das Noor-Projekt bei etwa 2.2 Milliarden Euro, wobei der deutsche Beitrag sich auf 834 Millionen Euro beziffert. Im Auftrag des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) wird diese Finanzierung im Rahmen der Internationalen Klimaschutzinitiative (IKI) und der Deutschen Klima- und Technologieinitiative (DKTI) über die KfW als zinsvergünstigtes Darlehen bereitgestellt.
Auch wenn die Stromerzeugungskosten solarthermischer Kraftwerke in den letzten Jahren um mehr als 30 Prozent gesunken sind und höhere Stückzahlen bei den Anlagenkomponenten und die damit verknüpfte Erfahrung einen weiteren Preisverfall erwarten lassen, so kostet die derzeit in Ouarzazate produzierte Kilowattstunde immer noch deutlich mehr als Strom aus konventionellen Kraftwerken. Damit sich die Investitionen in Ouarzazate dennoch für Marokko lohnen, hat die zuständige Marokkanische Agentur für Solarenergie (MASEN) ein entsprechendes Rahmenwerk geschaffen. Dieses hat zum Ziel den Ausbau Erneuerbarer Energien auch als Teil eines Wirtschaftsförderungsprogramms auf dem Weg in eine kohlenstoffarme Zukunft zu nutzen.
Entwicklungspolitische Begleitmaßnahmen sind essentiell
Gezielt flankiert durch entwicklungsfördernde Maßnahmen wird dabei in Ouarzazate erprobt, wie Klimaschutz und nachhaltige Entwicklung im Rahmen solarthermischer Großkraftwerke zusammengebracht werden und gesamtwirtschaftlichen Nutzen bringen können. So beabsichtigt Marokko mit der Realisierung des Kraftwerkkomplexes nicht nur seine starke Abhängigkeit von ausländischen Energieimporten und somit sein Außenhandelsdefizit zu verringern, sondern rückt vor allem auch entwicklungsfördernde Aspekte in den Fokus seiner energiepolitischen Bestrebungen. Wichtige Eckpunkte der marokkanischen Energiestrategie sind dabei:
- Arbeitsplätze und lokale Wertschöpfung: Allein während der Bauphase des ersten Teilabschnitts in Ouarzazate konnten über 2,5 Jahre in der Spitze rund 2000 Arbeitsplätze geschaffen werden, die überwiegend aus der Region und zu fast 90 Prozent aus Marokko stammten. Zudem wurden etwa 30 Prozent der verbauten Komponenten des Kraftwerks in Marokko hergestellt.
- Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen: Obgleich weitaus weniger Arbeitskräfte für den Kraftwerksbetrieb benötigt werden, sollen vor allem heimische Betriebe bei Wartungsmaßnahmen einbezogen und die erworbenen Erfahrungen und Kompetenzen auch beim Bau weiterer Solarprojekte in Marokko genutzt werden. Um die dafür benötigten Fachkräfte zu schulen und wettbewerbsfähige Wertschöpfungsketten mitaufzubauen, wurden verschiedene Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen im Umfeld von Ouarzazate, aber auch in anderen Teilen des Landes lanciert.
- Kompensation für beschränkte Landnutzungsrechte: Trotz des großen Flächenbedarfs des Kraftwerks mussten keine Bewohner umgesiedelt werden. Allerdings wurde die wirtschaftliche Nutzung der Fläche eingeschränkt, zum Beispiel dürfen kein Feuerholz oder medizinische Kräuter gesammelt und keine Viehwirtschaft betrieben werden. Die betroffenen Gemeinden wurden jedoch mit Geld zur Verbesserung kommunaler Wohlfahrts,- Bildungs-, und Gesundheitseinrichtungen kompensiert.
Ungeachtet der Bestrebungen der marokkanischen Regierung, ein Geschäftsmodell für solarthermische Großprojekte zu entwickeln, welches auch einen entwicklungspolitischen Anspruch verfolgt, gilt es weitere Investitionen in eine kohlenstoffarme Zukunft vermehrt auch als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wahrzunehmen und entsprechend mit der Bevölkerung umzusetzen. Gerade angesichts der ambitionierten Ausbauziele, welche noch zahlreiche weitere Großprojekte notwendig machen, wird deshalb für die erfolgreiche Umsetzung der marokkanischen Energiewende neben den entwicklungspolitischen Wirkungen auch entscheidend sein, ob es dem Königreich gelingt geeignete Rahmenbedingungen für zivilgesellschaftliche Mitsprache bei Planungs- und Entscheidungsprozessen zu schaffen. Diese – auch für europäische Länder – anspruchsvolle Aufgabe gilt es in Zukunft in Marokko noch zu verbessern. Marokko kann somit als gegenwärtig größtes Empfängerland internationaler Klimafinanzierung auch weiterhin als Vorbild für andere Länder des Globalen Südens dienen und Maßstäbe für eine nachhaltige Ausgestaltung internationaler Klimafinanzierungsprojekte setzen.
Boris Schinke / Germanwatch
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