Internationale Klimafinanzierung
Die Klimafinanzierung im Abkommen von Paris
Gemessen an den niedrigen Erwartungen an die 21. UN-Klimakonferenz COP21 ist die Verabschiedung des Pariser Klimaabkommens als historischer Moment zu werten. Der Klimavertrag, der nach 2020 in Kraft tritt, verankert das 2-Grad-Ziel fest im Völkerrecht und spricht sogar von Anstrengungen, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen (der Schwellenwert, der einigen stark gefährdeten Ländern das Überleben sichern würde). Darüber hinaus verpflichtet es sämtliche Länder, alle fünf Jahre neue Minderungsziele zu formulieren. Allerdings sind nur wenige Regierungen, darunter keine der großen Emittenten, bereit, die Reduzierung des Treibhausgasausstoßes entschieden und schnell genug in Angriff zu nehmen. Mit den derzeitig von den Ländern zugesagten Minderungszielen bewegt sich die Welt in Richtung einer Erderwärmung von etwa 3 Grad. Ob sich Paris tatsächlich als Wendepunkt in der internationalen Zusammenarbeit gegen den Klimawandel erweisen wird, hängt maßgeblich von der Bereitschaft der Länder ab, sich selbst ehrgeizigere Ziele zu stecken und armen Ländern die benötigten Finanzhilfen bereitzustellen.
Es ist daher wenig verwunderlich, dass die Finanzen wie schon auf vorhergehenden COPs auch dieses Mal wieder Dreh- und Angelpunkt für ein erfolgreiches Abkommen waren. Das galt umso mehr, als viele Entwicklungsländer ihre angestrebten nationalen Beiträge (INDCs) zum Teil von internationaler finanzieller Unterstützung abhängig machten. Andere wiesen dagegen vor allem auf die Notwendigkeit hin, Geldmittel für Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels bereitzustellen.
Der Stolperstein: das 100-Milliarden-Dollar-Versprechen
Ein Stolperstein auf dem Weg nach Paris war natürlich, dass die Industrieländer noch weit von ihrem in Kopenhagen gemachten Versprechen entfernt sind, die Klimafinanzierung für Entwicklungsländer aufzustocken, um bis 2020, also noch vor Inkrafttreten des neuen Abkommens, 100 Milliarden Dollar pro Jahr zu erreichen. Direkt vor der Pariser COP veröffentlichte die OECD, der Club der Geberländer, seinen richtungsweisenden Bericht, um zu beweisen, dass die Industrieländer auf einem guten Weg sind, ihre Versprechen einzuhalten. Der Bericht ist auf erhebliche Kritik gestoßen (hier sind einige unserer Kritikpunkte nachzulesen), da er in kreativer Weise alle möglichen Finanzflüsse mit einrechnet: beispielsweise Exportkredite und Darlehen zu marktüblichen Zinsen oder Aktivitäten im Rahmen bilateraler Zusammenarbeit, bei denen das Klima nur eines von vielen Zielen ist.
Im Vorfeld von Paris wurde deutlich: Zu den Voraussetzungen für einen erfolgreichen Konferenzabschluss gehörte, dass Fortschritte in Richtung der Einhaltung des 100-Milliaren-Versprechens zu erkennen sind. Dies führte dazu, dass mehrere Industrieländer eine Aufstockung der Klimafinanzierung über die nächsten Jahre ankündigten. Deutschland brach im Mai als erstes Land das Schweigen (was andere Länder in Zugzwang brachte) und erklärte, die Zahlungen aus dem Bundeshaushalt bis 2020 auf 4 Milliarden Euro pro Jahr zu verdoppeln. Frankreich und Großbritannien zogen sofort nach (mit einer Erhöhung von 2 Milliarden jährlich bis 2020 bzw. 1,76 Milliarden Pfund [2,38 Milliarden Euro]), während andere Länder sich bis kurz vor der COP Zeit ließen, wie etwa Australien und Norwegen, deren Ankündigungen aber keine Steigerung des jetzigen Niveaus darstellen. Selbst die USA ließen verlauten, sie würden ihre Unterstützung für Anpassungsmaßnahmen verdoppeln, was sich bei näherem Hinsehen aber auch nur als eine Wiederholung bereits gemachter Zusagen für den Grünen Klimafonds (GCF) entpuppte. Insgesamt sorgten diese neuen oder erneuerten Zusagen in Paris für ein gewisses Maß an Vertrauen, aber sie reichen noch längst nicht aus, um das 100-Milliarden-Versprechen bis 2020 zu erfüllen. Immerhin wird in der begleitenden Entscheidung zum Abkommen über „Verstärkte Maßnahmen vor 2020“ („Enhanced Action Prior to 2020“) eingestanden, dass in der langfristigen Finanzierung eine Lücke klafft. Und die Industrieländer werden aufgefordert, die finanzielle Unterstützung dringend zu erhöhen.
Eines der größten Probleme ist die unzureichende Finanzierung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel – der größte Teil der Klimafinanzierung ist auf die Emissionsreduzierung ausgerichtet, und es fließt viel zu wenig Geld in Anpassungsmaßnahmen im Bereich gefährdeter Lebensgrundlagen wie Ernährungssicherheit und Wasserversorgung oder auch in die Minderung und das Management des Katastrophenrisikos. Laut OECD beläuft sich die Anpassungsfinanzierung auf etwa 10 Milliarden Dollar jährlich (im Jahr 2014), aber dieser Betrag reduziert sich erheblich, wenn man einen genaueren Blick auf die Art der Maßnahmen und der Finanzierung wirft: Zählt man nur die Mittel für Maßnahmen, in denen die Anpassung das Hauptziel ist, und rechnet man nur Zuschüsse oder Zuschussäquivalente (für zinsgünstige Kredite) beträgt die Nettounterstützung höchstens 3-5 Milliarden Dollar im Jahr. Auf der Grundlage der von den Ländern im Vorfeld oder während der COP21 gemachten Zusagen schätzen wir, dass sich diese Zahl bis 2020 nicht drastisch erhöhen wird, möglicherweise auf 5-8 Milliarden Dollar.
Daher hatten die Entwicklungsländer, allen voran die Gruppe der afrikanischen Länder mit Unterstützung des philippinischen Ministers an den letzten Verhandlungsabenden der COP21 ein Unterziel gefordert, dass von den zugesagten 100 Milliarden Dollar ein fester Anteil für Anpassungsmaßnahmen vorzusehen ist. Aber dagegen setzten sich die Industrieländer mit Erfolg zur Wehr. In den abschließenden Entscheidungen von Paris wird von den Industrieländer lediglich „eine erhebliche Erhöhung der Anpassungsfinanzierung vom gegenwärtigen Niveau“ gefordert sowie „ein größeres Gleichgewicht zwischen Finanzhilfen für Emissionsminderung und Anpassung“. Zu beachten ist allerdings, dass der Wortlaut hier sehr unverbindlich ist und wahrscheinlich nur dazu führt, dass die Geberländer die Forderungen nach eigenem Gutdünken auslegen.
Klimafinanzierung im Abkommen von Paris: ein Fehlschlag
In Bezug auf den Klimavertrag von Paris, also für die Zeit nach 2020, hatten die Industrie- und Entwicklungsländer sehr unterschiedliche Erwartungen. Die Industrieländer hatten nicht die Absicht, höhere Verpflichtungen einzugehen oder eine zuverlässigere Bereitstellung ihrer Finanzhilfen zu garantieren, sondern zielten bei der zukünftigen Klimafinanzierung vielmehr auf eine Erweiterung des Geberkreises ab und forderten von den Entwicklungsländern, selbst mehr für die Mobilisierung privater Investitionen zu tun. Die Entwicklungsländer pochten dagegen auf feste Zusagen der reichen Länder und eine Neufestsetzung von Zielen der Klimafinanzierung in einem Fünf-Jahres-Zyklus mit einer Erhöhung der Mittel ab 2020 über die 100-Milliarden-Untergrenze hinaus.
In puncto Klimafinanzierung ist das Abkommen von Paris äußerst schwach. Es enthält eine interessante, allgemeine Bestimmung zu Finanzflüssen, in der es heißt, die Finanzflüsse sollten „im Einklang mit einem emissionsarmen Pfad und einer klimaresilienten Entwicklung“ stehen. Gestrichen wurde hingegen die ausdrückliche Forderung an alle Regierungen, ihre finanzielle Unterstützung für internationale Investitionen in fossile Brennstoffe zu reduzieren, die in einem früheren Entwurf noch enthalten war.
In Bezug auf die Leistung von Finanzhilfen hat das Abkommen kaum etwas Neues zu bieten. Die reichen Länder müssen weiterhin Finanzressourcen bereitstellen (nichts weiter als eine Neuauflage ihrer schon bestehenden Verpflichtungen unter der UNFCCC). Aber im Abkommen von Paris wurden in dem Artikel über Finanzen jegliche genaueren Bestimmungen zu diesen Zahlungsverpflichtungen beseitigt. Die Industrieländer werden lediglich dazu angehalten, „die Führungsrolle bei der Mobilisierung der Klimafinanzierung zu übernehmen“, und die Entwicklungsländer werden „ermutigt, Unterstützung dieser Art freiwillig zu leisten bzw. weiterhin zu leisten“.
Letzteres war der wichtigste Knackpunkt in den beiden Verhandlungswochen, wobei die Entwicklungsländer fest entschlossen waren, die Verantwortung der historischen Verursacher in der Konvention festzuhalten, und den Industrieländern eher daran gelegen war, den Kreis der Geberländer zu erweitern und auch Entwicklungsländer mit einzubinden, die in der Lage sind, Finanzhilfen zu leisten („position to do so“). Andere Länder waren bereit, sich auf die Formulierung „bereit zu Finanzhilfen“ („willing to contribute“) zu einigen, zumal mehrere Entwicklungsländer schon freiwillige Zahlungen in den Grünen Klimafonds zugesagt haben, darunter Südkorea, Chile und Mexiko. Viele Entwicklungsländer waren aber auch gegen Verpflichtungen dieser Art im Abkommen von Paris, seien sie freiwilliger Art oder nicht, und fürchteten, dass die Industrieländer nur versuchten, damit ihre Verpflichtungen unter der UNFCCC zu verwässern.
Auch in anderer Hinsicht gelang es den reichen Ländern, die Entwicklungsländer über den Tisch zu ziehen. Im Abkommen steht nur die sehr allgemein gehaltene Bestimmung, dass „die Mobilisierung der Klimafinanzierung einen Fortschritt zu vorhergehenden Anstrengungen“ darstellen sollte – was so ungenau ist, dass es gleichzeitig alles oder nichts bedeuten kann und vor allem keinerlei Vorhersehbarkeit oder Angemessenheit zukünftiger Unterstützung für die bedürftigen Länder garantiert. Den Industrieländern gelang es, jegliche Formulierungen zu vermeiden, die dazu verpflichten würden, regelmäßig die Zahlungsziele für die Klimafinanzierung zu erhöhen, wie es von den Entwicklungsländern gefordert wurde. Stattdessen wird in den das Abkommen von Paris begleitenden Entscheidungen der Zeitraum für das 100-Mrd.-Versprechen bis 2025 verlängert und lediglich festgehalten, dass für die Zeit nach 2025 ein neues (einmaliges) Ziel gesetzt wird – vermutlich im Zusammenhang mit der ersten weltweiten Bestandsaufnahme (Global Stocktake), die im neuen Abkommen für das Jahr 2023 vorgesehen ist.
Das Fehlen genauerer Bestimmungen für zukünftige Finanzhilfen kommt einer allgemeinen Schwächung der bestehenden Verpflichtungen der Industrieländer unter der UNFCCC gleich. Zwar wird die Rolle von öffentlichen Mitteln als bedeutsam bezeichnet, aber die Finanzhilfen zu äußerst günstigen Bedingungen (in Form von öffentlichen Zuschüssen oder subventionierten Krediten) werden nur im Zusammenhang von „auf Zuschüssen basierende Ressourcen für Anpassungsmaßnahmen“ („grant-based resources for adaptation“) genannt. Nicht vergünstigte, nicht-staatliche Finanzflüsse spielen somit eine größere Rolle bei der Bereitstellung der unter dem Abkommen von Paris akzeptierten Klimafinanzierung. Dieser Trend wird noch dadurch verstärkt, dass im Abkommen nicht festgelegt wurde, dass die Industrieländer ihre öffentlichen Finanzhilfen über den UNFCCC-Finanzmechanismus und seine operativen Einheiten, die Globale Umweltfazilität (GEF) und den Grünen Klimafonds, abwickeln sollten.
Wie geht es weiter?
In Bezug auf die Klimafinanzierung ist Paris als verpasste Gelegenheit anzusehen, ein Abkommen zu schließen, das auf ehrgeizigen Maßnahmen verbunden mit Solidarität und Unterstützung für die armen Länder beruht. Die Industrieländer sperrten sich dagegen, Forderungen dieser Art fest im Abkommen zu verankern. Das wird sich auf den Ehrgeiz (und die Fähigkeit) auswirken, mit dem die Länder in Zukunft ihre Maßnahmen zu Emissionsminderung und Anpassung an den Klimawandel verfolgen. Die nächste Gelegenheit, dieses Problem in Angriff zu nehmen, ergibt sich im Jahr 2018 mit der Überprüfung der gemachten Fortschritte („facilitative dialogue“) bei den langfristigen Minderungszielen des Abkommens von Paris. Dieser Anlass ist auch gleichzeitig die Gelegenheit, die Finanzierungslücken der Entwicklungsländer für ihre „Verstärkung der Maßnahmen“ anzusprechen.
Liane Schalatek & Lili Fuhr, Heinrich-Böll-Stiftung
Jan Kowalzig, Oxfam