Internationale Klimafinanzierung
Klimafinanzierung beim G20-Gipfel in Los Cabos
Führende Politikerinnen und Politiker der G20 treffen sich am 18. und 19. Juni in Los Cabos, Mexiko, unter anderem, um Möglichkeiten zum Umgang mit den aktuellen ökonomischen und finanziellen Herausforderungen, etwa der Krise der Eurozone, zu diskutieren. Was die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs der 20 mächtigsten Nationen dieses Planeten tatsächlich während dieser zwei Tage konkret besprechen werden, ist nur wenigen Insiderinnen und Insidern bekannt, sowie denjenigen Teilen der Gesellschaft, die besonderen Zugang haben, etwa die B20, die Lobbyorganisation der Wirtschaft, denn die G20 ist weiterhin derjenige globale Governance-Prozess mit der größten Intransparenz und der geringsten Bereitschaft, öffentlich Rechenschaft abzulegen. Klimawandel und nachhaltige Entwicklung sollten weit oben auf der Agenda stehen – schließlich findet der G20-Gipfel nur wenige Tage vor Beginn des Rio+20-Gipfels statt. Die G20-Website weist auf Folgendes hin (und dies ist tatsächlich eine der sehr spärlichen dort verfügbaren Informationen zum Gipfel): Das Wetter in Los Cabos, einem der Haupturlaubsziele Mexikos, ist „sehr trocken, trocken und halbtrocken“. Hoffen wir, dass dies unsere Führungspersönlichkeiten dazu inspirieren wird, darüber nachzudenken, wie sie Entwicklungsländern beim Umgang mit dem Klimawandel helfen können, indem sie langfristige Klimafinanzierung zur Verfügung stellen…
Klimafinanzierung auf der Agenda der G20
Obwohl die G20 bislang keine konkreten Versprechungen zur Klimafinanzierung gemacht hat, hat sie ein paar Schritte im Zusammenhang mit der Klimafinanzierung unternommen und in einem Fall eine wichtige Zusage gegeben, die – im Falle ihrer Einhaltung – erhebliche zusätzliche Mittel für die Finanzierung von Klimamaßnahmen bedeuten würde.
Beginnen wir mit der Zusage: Beim Pittsburgh-Gipfel 2009 hat sich die G20 verpflichtet, Subventionen für fossile Energieträger abzubauen. Im Falle ihrer Umsetzung würde dies erhebliche Mengen öffentlicher Finanzmittel i für CO2-arme Investitionen in ärmeren Ländern freimachen. Beispielsweise sind allein die weiterhin gezahlten Subventionen der entwickelten Länder für die Förderung fossiler Energieträger mindestens doppelt so hoch wie die über drei Jahre gemäß der Verpflichtung der reichen Länder zu zahlende Fast-Start-Finanzierung (mehr als US$60 Mrd.). Entwickelte Länder haben außerdem in Verhandlungsvorlagen im Rahmen der Klimarahmenkonvention anerkannt, dass eine Beendigung ihrer Zahlungen für fossile Energieträger ehrgeizigere Verpflichtungen zur Emissionsreduzierung ermöglichen könnte. Ein Abbau der Subventionen der entwickelten Länder für die Förderung fossiler Energieträger ist eine klare Win-Win-Situation für Klima und Entwicklung.
Die G20 hat unter der französischen Präsidentschaft zwei Berichte zur Klimafinanzierung in Auftrag gegeben. Der erste, Mobilizing Climate Finance, wurde beim G20-Gipfel in Cannes vorgestellt. Er wurde von der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds, der OECD und verschiedenen regionalen Entwicklungsbanken verfasst und bestätigte die Schlussfolgerungen eines früheren Berichts der Hochrangigen Beratergruppe der UNO zur Frage der Finanzierung des Klimawandels, nämlich dass das Erreichen des Klimafinanzierungsziels von USD 100 Mrd. pro Jahr bis 2020 „eine Herausforderung, aber machbar“ sei. Beide Berichte betonten die Rolle öffentlicher Finanzierungsbeiträge und das Potential neuer, innovativer Finanzierungsquellen. Ein zweiter Bericht für die G20 von der Gates Foundation zum Thema Finanzierung für Entwicklung unterstrich ebenfalls das Potential innovativer öffentlicher Finanzierungsquellen für Entwicklungs- und Klimafinanzierung, etwa einer Finanztransaktionssteuer sowie Gebühren für die CO2-Emissionen des Schiffs- und Luftverkehrs. Luft- und Schiffsverkehrsemissionen, die sogenannten Bunkeremissionen, werden gegenwärtig von der Klimarahmenkonvention nicht abgedeckt.
Schließlich hat die aktuelle mexikanische G20-Präsidentschaft eine Arbeitsgruppe Klimafinanzierung unter französischem Vorsitz eingerichtet. Sie soll untersuchen, wie die benötigten Ressourcen am besten mobilisiert werden können, die dann unter anderem gewährleisten würden, dass der Grüne Klimafonds operationalisiert wird und zügig damit beginnen kann, Gelder an Entwicklungsländer auszuzahlen.
Erwartungen an Los Cabos
Hinsichtlich der Klimafinanzierung war das Cannes Kommuniqué des Gipfels von 2011 eine Enttäuschung. Die Führungspersönlichkeiten der G20 nahmen die beiden Berichte lediglich zur Kenntnis, haben jedoch keine konkreten Schritte empfohlen, um die Klimafinanzierungsagenda voranzubringen, etwa durch Vorschläge zur Einrichtung einer konkreten innovativen Finanzierungsquelle, z.B. einer Finanztransaktionssteuer. Stattdessen blieben die Politikerinnen und Politiker unverbindlich und bestätigten nur, dass neue Finanzierungsquellen für Entwicklung und Klimafinanzierung „im Laufe der Zeit“ entstehen sollten, jedoch ohne konkrete Finanzzusagen oder Zeitvorgaben.
In Los Cabos könnte die G20 als ersten Schritt ihre Zusage von Pittsburgh wiederholen und bekräftigen, indem sie einen konkreten Aktionsplan mit Zeitvorgaben vorschlägt, um Subventionen für fossile Energieträger so schnell wie möglich auslaufen zu lassen. Außerdem könnten die entwickelten Länder in der G20 jetzt konkrete Summen für die Klimafinanzierung zusagen, darunter Beträge zur Kapitalisierung des Grünen Klimafonds, um zu gewährleisten, dass nach dem Ende der Fast-Start-Finanzierung die Mittel für Klimamaßnahmen in Entwicklungsländern hochskaliert werden , um das langfristige Finanzierungsziel für 2020 zu erreichen – und zu vermeiden, dass die Klimamittel stagnieren oder schlimmstenfalls gar zurückgehen. Die G20 könnte auch dabei helfen, eine Vereinbarung zu den erfolgversprechendsten Quellen innovativer Finanzierung, die auf die Unterstützung der G20-Mitglieder bauen könnte, zu treffen, sowie klare Vorgaben für die Ziele der Arbeitsgruppe Klimafinanzierung zu definieren. Die G20 kann und sollte mittels solcher konkreten Zusagen und Maßnahmen das politische Signal für Fortschritt bei der Klimafinanzierung geben.
Die G20 und der Klimarahmenkonvention-Prozess
Die G20 ist nicht nur der Klub der 20 ökonomisch mächtigsten Nationen der Erde; sie ist auch der Klub der größten Umweltverschmutzer: ihre Mitgliedschaft umfasst mit den G7-Ländern diejenigen, die historisch betrachtet den größten Beitrag zum Klimawandel geleistet haben. Daher ist es von großer Bedeutung, ob und wie die G20 den Klimawandel und die finanziellen Ressourcen, die für dringende Klimaschutz- und -anpassungsmaßnahmen benötigt werden, diskutiert.
Allerdings muss sie respektieren, dass der Rahmen für Entscheidungen zur Klimafinanzierung, auch über Quellen und Zusammensetzung langfristiger Klimafinanzierung, unter der Klimarahmenkonvention multilateral zu vereinbaren ist. Zu deren 194 Parteien gehören auch „die übrigen 174 Länder“, die in der G20 nicht offiziell über Sitz und Stimme verfügen. Solches Handeln würde das in Durban verabschiedete Arbeitsprogramm der Klimarahmenkonvention zu Klimafinanzierung unterstützen und gewährleisten, dass der nächste Klimagipfel in Doha/Qatar Ende 2012 weitere Fortschritte machen kann.
Auch deshalb kann die Art und Weise, wie die G20 das Thema Klimafinanzierung diskutiert, helfen, ein politisches Signal zur Überwindung des Vertrauensdefizits zwischen entwickelten und Entwicklungsländern zu setzen, welches die offiziellen Klimaverhandlungen belastet und außerdem in der Art und Weise, in der der Rio+20-Diskurs geführt wird, evident ist.
Während also die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der britische Premierminister David Cameron, der US-Präsident Barack Obama und andere G20-Regierungschefs entschieden haben, der Rio+20-Konferenz fernzubleiben (vermutlich, um CO2-Emissionen einzusparen?), erwarten wir von ihnen, dass sie in Los Cabos konkrete Klimafinanzierungszusagen machen und endlich ihre Versprechungen Wirklichkeit werden lassen.
Liane Schalatek & Lili Fuhr, Heinrich Böll Stiftung