Internationale Klimafinanzierung / Transparenz

Leistet die Schweiz ihren angemessenen Beitrag an die internationale Klimafinanzierung?

In den letzten Jahren haben verschiedene Studien zivilgesellschaftlicher Organisationen die internationale Klimafinanzierung kritisch unter die Lupe genommen. Hier reiht sich eine kürzlich veröffentliche Studie zur Schweizer Klimafinanzierung von Alliance Sud ein. Die Studie greift zentrale Fragestellungen auf, die bereits mehrfach auf www.deutscheklimafinanzierung.de für die deutsche Klimafinanzierung thematisiert wurden. Hierzu gehört einerseits wie ein Land, in diesem Fall die Schweiz, ihren Beitrag an das 100 Milliarden-Dollar-Versprechen leistet und ob eine echte Zunahme der Klimafinanzierung festzustellen ist. Anderseits wird die strategische Ausrichtung der Mittel für Anpassungsmassnahmen an den Klimawandel auf die Situation der Empfängerländer untersucht. Im Vordergrund steht dabei die Frage nach der zunehmenden Vulnerabilität durch die Klimaveränderung, und ob und wie Entwicklungs- und Klimafinanzierung miteinander verknüpft werden.

Der Anstieg der Schweizer Klimafinanzierung ist mit wenig neuen Geldern unterlegt

Die ausgewiesene Klimafinanzierung der Schweiz hat sich seit 2011 gesamthaft verdreifacht – auf insgesamt über 440 Millionen CHF im Jahr 2018 (siehe Abb. 1). Mit jährlich 300 bis 330 Millionen CHF stammte der Löwenanteil aus öffentlichen Quellen; und zwar zu 99% aus den Budgets der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) und dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO).

Eigene Darstellung auf Basis von UNFCCC Statistiken; Bundesrat 2017

Der deutliche Anstieg in der Schweizer Klimafinanzierung von 2011 bis 2018 ist aber nur zum Teil auf tatsächlich zusätzliche für die Klimafinanzierung bereitgestellte (Entwicklungs-)Gelder zurückzuführen – wie beispielsweise die Zahlungen 2015-2017 an den Green Climate Fund (GCF). Der größere Teil der ausgewiesenen Zunahme geht auf Veränderungen in der Anrechnungspraxis zurück: Zum einen wurden ab 2013 erstmals die Kernbeiträge an multilaterale Entwicklungsbanken anteilsmäßig als Klimafinanzierung ausgewiesen. Zum andern berichtet die Schweiz seit ein paar Jahren zusätzliche Beiträge aus «mobilisierten privaten Quellen» an die Klimarahmenkonvention der Uno (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC). 2018 stiegen diese sprunghaft auf knapp über 100 Millionen CHF an und machten so fast ein Viertel der gesamten ausgewiesenen Schweizer Klimafinanzierung aus. Die bilaterale Klimafinanzierung ist demgegenüber vergleichsweise moderat angestiegen. Machte sie 2011 noch drei Viertel der gesamten ausgewiesenen Schweizer Klimafinanzierung aus, so reduzierte sich ihr relativer Anteil bis 2018 auf die Hälfte.

Starker Fokus auf Anpassung, aber kaum auf die ärmsten Entwicklungsländer

Die Schweiz ist eines der wenigen Länder, die das Ziel einer Gleichverteilung von Anpassung (adaptation) und Minderung (mitigation) für die öffentliche bilaterale Klimafinanzierung klar priorisieren und gar übererfüllen. Mit bilateralen Mitteln wurden seit 2011 mehr Anpassungs- als Emissionsminderungs-Maßnahmen finanziert; allerdings mit sinkender Tendenz. 2017 und 2018 flossen lediglich noch 50% der Schweizer Klimafinanzierung in Anpassungsmaßnahmen. Betrachtet man die gesamte Klimafinanzierung, also inklusive der als Klimafinanzierung ausgewiesenen Kernbeiträge an multilaterale Institutionen, so macht der Anteil explizit für Anpassungsprojekte eingesetzter Klimafinanzierung nur noch rund ein Drittel (35%) aus.

Allerdings ist die Klimafinanzierung der Schweiz – und selbst die Anpassungsfinanzierung – nur zum Teil auf besonders verletzliche Länder ausgerichtet. Die Schweiz fokussiert ihre Klimamaßnahmen zu einem großen Teil auf Länder mit mittlerem Einkommen. Im Schnitt floss nur gerade ein Achtel der gesamten bilateralen Schweizer Klimafinanzierung explizit in bedürftigste Entwicklungsländer: Gemessen am Entwicklungsstand (least developed countries – LDCs) waren es 13%; gemessen am durchschnittlichen Einkommen (low income countries – LICs) 12%. Rund 40% der Klimafinanzierung kam in länderunspezifischen, globalen oder regionalen Programmen zum Einsatz. Fast die Hälfte der gesamten Schweizer Klimafinanzierung kam Ländern mittleren Einkommens (middle income countries – MIC) zugute. – Mit einem Anteil von 12 bis 13% liegt die Schweiz hier klar hinter Ländern wie Norwegen, das seine Klimafinanzierung zu 24% in LDCs oder LICs einsetzt; und auch hinter dem internationalen Durchschnitt (18%).

Zielkonflikte von Klima- und Entwicklungsfinanzierung

In der Praxis ist es sinnvoll, Klimaschutz- und Anpassungsmaßnahmen in Entwicklungsländern stets im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit durchzuführen. Die inhaltliche Verknüpfung zwischen Klimaveränderung und Entwicklung ist aber nicht gleichzusetzen mit der automatischen Erfüllung der entsprechenden internationalen Verpflichtungen.

Von den 186 Klimaanpassungsprojekten mit öffentlich verfügbaren Projektbeschrieben qualifizieren weniger als ein Drittel (29%) nachweislich für «Anpassungsfinanzierung» nach den Kriterien der OECD (3-step approach von 2016). Beim Rest der Projekte scheint es sich um mehr oder minder klimaangepasste Entwicklungsprojekte zu handeln. Von der länderspezifischen (also nicht global oder regional eingesetzten) Anpassungsfinanzierung floss nur rund ein Viertel in Länder mit geringem Entwicklungsindex (Human Development Index HDI) oder mit einer Armutsrate von über 20%. Die meisten Klimaanpassungsgelder (44%) kamen Ländern mit der geringsten Armutsrate zugute. Immerhin 41% der analysierten Anpassungsprojekte wurde in Ländern mit ernster bis sehr ernster Hungersituation eingesetzt, worunter vor allem afrikanische Staaten fallen. Hingegen floss lediglich 15% der Anpassungsfinanzierung in Länder mit dem höchsten Klima-Risiko-Index (CRI > 100), der zeigt, wie stark Länder von Wetterextremen wie Überschwemmungen, Stürmen, Hitzewellen etc. betroffen sind. Je ein Viertel floss in Länder mit mittlerem oder geringem CRI.

Von den 89 Emissionsminderungsprojekten mit öffentlich verfügbaren Projektbeschrieben nennen ebenfalls nur rund ein Drittel (31%) explizit einen Fokus auf arme Zielgruppen oder Armutsbekämpfung. Bei länderspezifischen (also nicht global oder regional eingesetzten) Entwicklungsprojekten, die zur Reduktion von Treibhausgasen (Mitigation) ausgelegt waren, flossen nur gerade 11% der so ausgewiesenen Klimafinanzierung in Länder mit hoher Armutsrate. 90% der ausgewiesenen, länderspezifischen Mitigationsfinanzierung kamen in Ländern mit mittlerem bis hohem Entwicklungsindex zur Anwendung.

Die Ergebnisse verdeutlichen, dass Klima- und Entwicklungsaufgaben nicht deckungsgleich sind. Synergien sind möglich und immer auch anzustreben, aber nicht ohne weiteres gegeben. Daher sind zusätzliche Mittel zur Erfüllung der Klimafinanzierungsverpflichtung im Rahmen des Pariser Abkommens notwendig. Nur so kann die Entwicklungsfinanzierung als ebenbürtige Pflicht (u.a. im Rahmen der Uno-Agenda 2030) und unabhängig davon erfüllt werden. Wenn ohne entsprechende Aufstockung von Mitteln beide Bereiche gleichzeitig abgedeckt werden sollen, stellen sich unweigerlich Zielkonflikte ein.

Licht und Schatten bei der Berichterstattung

Wie die meisten anderen Länder überschätzt die Schweiz die Klimafinanzierungsanteile in ihrer bilateralen Entwicklungszusammenarbeit, weil sie dafür auf die sogenannten Rio-Marker zurückgreift. Dieser Ansatz wird von zivilgesellschaftlicher Seite seit langem kritisiert, weil Rio-Marker als Indikator für die Klimarelevanz von Entwicklungsprojekten entwickelt wurden. Sie stellen daher kein geeignetes Instrument für eine monetäre Abschätzung der Klimafinanzierungsbeiträge dar. Allerdings nimmt die Schweiz mittels Ausdifferenzierung immerhin eine konservative Gewichtung und stärkere Abstufung vor, was zu einer genaueren Abschätzung der Klimarelevanz und des monetären Wertes von entsprechenden Maßnahmen innerhalb der bilateralen Projekten führt als es in Deutschland der Fall ist (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Anrechnung der Klimafinanzierung auf Basis der Rio-Marker, Quelle: DEZA

Ein deutliches Defizit in der Schweizer Berichterstattung ist hingegen der Verzicht auf eine projektebasierte Darstellung, aus der erkennbar wäre, für welche Maßnahmen und Vorhaben die Ressourcen eingesetzt werden. Dies wurde auch schon vom UN-Klimasekretariat bemängelt. Die Projektliste, die der Berechnung der bilateralen Klimafinanzierung zugrunde liegt, welche die Schweiz in den letzten beiden Berichten an die UNFCCC beigelegt hat, ist ein erster Schritt zur Verbesserung der Transparenz. Sie lässt aber keinen genauen Abgleich zu den ausgewiesenen Werten zu. Auch sind bei der «mobilisierten privaten Klimafinanzierung» zwar die jeweiligen Fonds oder Akteure aus dem Privatsektor und die genutzten Instrumente wie Beteiligungen oder Kredite aufgeführt. Was hingegen fehlt sind Angaben über konkrete finanzierte Investitionen, deren Beitrag zu Klimaschutz und -anpassung, über den spezifischen Beitrag der öffentlichen Mittel zur Realisierung dieser Maßnahmen (Hebelung), sowie die Konditionen für die Empfänger der Investitionen.

Perspektiven für den Ausbau: Mehr private statt neuer öffentlicher Mittel

Für die Zukunft setzt die Schweiz neben einer noch verstärkten Umwidmung der bestehenden, stagnierenden bilateralen Budgets zugunsten von Klimamaßnahmen besonders auf zunehmende Anrechnung von Klimaanteilen der Finanzflüsse multilateraler Entwicklungsbanken und anderer Institutionen. Somit steuert sie auf eine rein rechnerische Erhöhung der ausgewiesenen Klimafinanzierung aufgrund ausgeweiterter Anrechnungsmethoden zu, anstatt zusätzliche finanzielle Mittel bereitzustellen. Ferner hofft sie auf einen starken Ausbau der Mobilisierung privater Investitionen. Zudem macht sich die Schweiz für eine verstärkte Anrechenbarkeit der multilateralen und der indirekten mobilisierten privaten Klimafinanzierung stark. Sie propagiert somit die Verwendung von öffentlichem Mitteln zur Verbesserung von Rahmenbedingungen und Anschubfinanzierung für private Investitionen. Bei robuster und transparenter Erfassung stellen sich hier viele methodische Herausforderungen. Die zentrale Frage hierbei lautet, zu welchem Anteil private Klimainvestitionen tatsächlich auf Interventionen der Schweiz zurückgeführt werden können, oder auch (bzw. vor allem) deswegen stattfinden, weil in den Zielländern Märkte dafür existieren. Hierfür gibt es zum heutigen Zeitpunkt zu wenig öffentliche Informationen.

Die Schweiz nutzt bisher noch keine zusätzlichen Finanzierungsquellen außerhalb der Budgets für die Entwicklungszusammenarbeit (DEZA und SECO) und für „Globale Umwelt“ (BAFU). Dabei stünden verursachergerechte Quellen theoretisch zur Verfügung. So z.B. Erlöse aus dem Emissionshandel, Einnahmen aus Klimasanktionszahlungen der Fahrzeug- und Treibstoffimporteure oder Erträge der bestehenden CO2– und künftigen Flugticketabgabe. Der Einbezug solcher Finanzquellen würde nicht nur zu einer Entlastung des Enzwicklungsbudgets, sondern auch zu einer längerfristigen Planungssicherheit der Schweizer Klimafinanzierungsbeiträge führen.

Verbesserungspotential für die Klimafinanzierung

Aus der Studie lassen sich folgende Schlussfolgerungen ziehen, die auch für deutsche Klimafinanzierung relevant sind:

  1. Ein fairer Anteil am 100 Milliarden-Dollar-Ziel sollte über zusätzliche öffentliche Mittel finanziert werden. Hierzu sollten auch neue und verursachergerechte Finanzquellen erschlossen werden, mit denen die öffentliche Klimafinanzierung über die nächsten Jahre erhöht werden kann.
  2. Die Balance zwischen Anpassung und Minderung sollte für die gesamte angerechnete Klimafinanzierung, also über bilaterale Massnahmen hinaus, erreicht werden. Dabei sollte die Unterstützung klarer auf Vulnerabilität, insbesondere in ärmsten und verletzlichsten Entwicklungsländern, fokussieren, die ansonsten wenig Zugang zu Finanzierung haben.
  3. Eine Verbindung zwischen Klima- und Entwicklungsmassnahmen und insbesondere deren gleichzeitige Finanzierung brauchen klare Kriterien, um den strategischen Vorgaben des Pariser Abkommens und der Agenda 2030 gerecht zu werden.
  4. Die mobilisierte private Klimafinanzierung sollte zusätzlich zum fairen, öffentlich zu finanzierenden Anteil am 100 Milliarden-Dollar-Ziel eingesetzt werden und nur direkt mobilisierte Mittel umfassen. Indirekt und multilateral mobilisierte Mittel sollten als Teil der globalen Umlenkung der Finanzströme (Art. 2 des Pariser Klimaübereinkommens) verstanden und daher nicht als Teil der Klimafinanzierung (Art. 9) angerechnet werden.
  1. Eine transparente Berichterstattung braucht projektgenaue Informationen für die öffentliche und mobilisierte private Klimafinanzierung. Für die privat mobilisierte Klimafinanzierung sollten der Anteil öffentlicher Gelder, der Beitrag, den diese Gelder zur Hebelung der privaten Mittel leisten, und die Konditionen für die Empfänger transparenter dargestellt werden.
  1. Die Kriterien für die Vergabe der Rio-Marker in der Anrechnungspraxis sollten nachgebessert werden. Im Bereich Anpassung sollte der von der OECD empfohlene 3 step approach genutzt werden und sich auch in den öffentlichen Projektbeschreibungen widerspiegeln.

Gastbeitrag von Jürg Staudenmann, Alliance Sud / Christine Lottje, FAKT

Weiterlesen: Die vollständige Studie ist hier verfügbar.