Internationale Klimafinanzierung / 100 Milliarden / UNFCCC

COP26: hat die Kasse geklingelt?

Hat die Klimakonferenz in Punkto Finanzen geliefert? Photo: www.flickr.com

Wie so oft war auch auf der diesjährigen UN-Klimakonferenz COP26 in Glasgow die Klimafinanzierung eines der Schlüsselthemen, um die bis zuletzt gerungen wurde. Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

100-Milliarden-Versprechen

Jahrelang hatten die Industrieländer beteuert, auf gutem Wege zu sein, ihr 2009 gegebenes Versprechen zu halten, die finanzielle Unterstützung für ärmere Länder bis 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr anzuheben, und dieses Niveau (wie 2015 in Paris beschlossen) dann bis einschließlich 2025 zu halten. 2019 lag das erreichte Niveau bei nicht ganz 80 Milliarden US-Dollar – auf Basis einer sehr günstigen Zählweise, die es den Geberländern erlaubt, die Klimarelevanz geförderter Programme deutlich zu übertreiben, und so die Zahlen schönt. Dass 2020 das Niveau von 100 Milliarden erreicht wurde, gilt als praktisch ausgeschlossen (offizielle Zahlen dazu gibt es erst nächstes Jahr), dasselbe gilt wohl auch für 2021.

Rechtzeitig vor der COP26 legten die Industrieländer ihren ‚Delivery Plan‘ vor, der auf Basis neuer Zusagen mehrerer Industrieländer schätzt, dass das Niveau von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr nunmehr 2023 erreicht werden soll. Die COP26 hat diesen Plan nun zur Kenntnis genommen, nicht aber ohne ihr tiefes Bedauern auszudrücken, dass die Industrieländer ihr ursprüngliches Versprechen nicht gehalten haben. Gegen den Widerstand der Industrieländer konnte die COP26 sie nicht dazu verpflichten, über die Jahre 2020-2025 einen Durchschnitt von 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu erreichen, so dass Untererfüllung in früheren Jahren durch Übererfüllung in späteren Jahren ausgeglichen werden – auch wenn dies eigentlich nur den Inhalt des 2009 gegebenen und 2015 erweiterten Versprechens der Industrieländer wiedergibt.

Immerhin hat es auf der CO26 noch weitere Zusagen gegeben (hier die offizielle Übersicht), von denen einige noch nicht in den ‚Delivery Plan‘ eingepreist wurden. Es ist also möglich, dass das 100-Milliarden-Niveau nun schon vor 2023 erreicht wird, sicher ist das aber nicht, weil der ‚Delivery Plan‘ mit Annahmen zur Mobilisierung privater Mittel arbeitet, die nicht durch konkrete Zusagen von Ländern gedeckt sind.

Finanzielle Unterstützung für Anpassung

Seit Jahren beklagen vor allem die ärmeren und von der Klimakrise stark betroffenen Länder, dass nur ein kleinerer Anteil der Klimafinanzierung für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen zur Verfügung gestellt wird. 2019 war es rund ein Viertel der bereitgestellten Mittel. Die COP26 hat nun die Gruppe der Industrieländer aufgefordert, die Mittel für Anpassung insgesamt bis 2025 gegenüber 2019 zu verdoppeln. Formal handelt es sich um einen Aufruf, aber da die Industrieländer diesen Aufruf mitgetragen haben, kommt er letztlich einer kollektiven Zusage der Industrieländer gleich. In einem weiteren Beschluss wird zudem jedes einzelne Industrieland zur signifikanten Erhöhung bzw. Verdoppelung seiner Mittel für den Bereich Anpassung aufgefordert.

Parallel dazu gab es Einzelzusagen mehrerer Länder für den Adaptation Fund über zusammen 356 Millionen US-Dollar sowie 413 Millionen US-Dollar für den Least Developed Countries Fund. Das sind beachtliche Summe für diese beiden Fonds, muss aber natürlich im weiteren Kontext der 100-Milliarden-Zusage gesehen werden. Zudem handelt es sich bei den Zusagen generell um einmalige und nicht mehrjährige Zusagen, was die Planungssicherheit der Fonds weiterhin einschränkt. Erstmals haben auch die USA in den Adaptation Fund eingezahlt – bisher unmöglich, weil der Fonds früher Teil des Kyoto-Protokolls war. Auch Deutschland sagte Mittel zu: 100 Millionen Euro für den Least Developed Countreis Fund (LDCF) aus Mitteln des BMZ, und 50 Millionen Euro für den Anpassungsfonds (AF) aus Mitteln des BMU. Beide Instrumente haben sich etabliert, und die fortgesetzte Unterstützung durch die Ministerien, in Arbeitsteilung, stärkt Deutschlands Ansehen im Verhandlungsprozess.

Zusätzlich könnte in Zukunft ein stetiger (wenn auch im Umfang vermutlich begrenzter) Strom von finanziellen Mitteln entstehen, wenn Länder unter dem Artikel 6 des Pariser Abkommens in Klimaschutzprojekte in anderen Ländern investieren, um sich den erreichten Klimaschutz auf die eigenen Ziele anzurechnen. Der potenzielle Beitrag zur Anpassungsfinanzierung aus den Kohlenstoffmärkten wurde aber geschmälert, indem der zwischenstaatliche Handel unter 6.2 trotz deutlicher Forderungen nur auf freiwilliger Basis zur Anpassungsfinanzierung beiträgt. Die USA widersetzten sich, da sie es als eine Besteuerung interpretierten und diese Zustimmung durch den Kongress erfordern. Immerhin sieht der Beschluss von Glasgow vor, dass eine auf unter dem 6.4-Mechanismus gehandelte Emissionszertifikate erhobene 5 % Gebühr in den Anpassungsfonds fließen soll.

Neues Ziel für die Klimafinanzierung ab 2025

Ein passables, wenn auch wenig ambitioniertes Ergebnis hat die COP26 bei den kommenden Verhandlungen über ein neues Ziel zur Klimafinanzierung für die Zeit nach 2025 erreicht. Nach den Beschlüssen von Paris 2015 soll dieses neue Ziel auf den 100 Milliarden aufbauen und die Bedarfe der ärmeren Länder berücksichtigen – was insofern eine Neuerung ist, als dass das 100-Milliarden-Ziel damals als politisches Ziel gesetzt wurde mit wenig Bezug zum tatsächlichen Unterstützungsbedarf.

Die COP26 war der Startschuss für diese Verhandlungen und technische Arbeitstreffen, die nun bis 2024 eine Beschlussvorlage für das neue Ziel ergeben sollen. Jetzt kommt es darauf an, dass das anstehende Arbeitsprogramm tatsächlich aus den Erfahrungen mit dem 100-Milliarden-Ziel lernt – und nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholt. Wichtig wäre dafür etwa, dass man sich darauf einigt, was eigentlich als Klimafinanzierung im Sinne des neuen Ziels gelten soll, um das Schönen der Zahlen zu unterbinden und sich auf tatsächliche Unterstützungsleistungen konzentriert, dass über mögliche Unterziele etwa für den Bereich Anpassung nachdenkt, um dessen fortgesetzte Unterfinanzierung zu verhindern, dass das Ziel auch die finanzielle Unterstützung für die Bewältigung von unvermeidlichen Verlusten und Schäden umfasst, und dass das Ziel (bzw. eine Zielmatrix) auch ganz allgemein die Umschichtung der globalen privaten und öffentlichen Finanzflüsse befördert.

Finanzierung für Klimaschäden? Trotz hohen öffentlichen Drucks vertagt

Die Forderungen der Entwicklungsländer und weiter Teile der Zivilgesellschaft, endlich beim Thema Finanzierung für den Umgang mit Verlusten und Schäden konkrete Fortschritte zu erzielen, blockten die Industrieländer weitestgehend ab. Die Entwicklungsländer spitzten die Forderungen gegen Ende der Konferenz durch den vorgeschlagenen Beschluss einer Glasgow Loss and Damage Facility (und weiterer Ausarbeitung danach) unter dem Dach des UNFCCC-Finanzmechanismus zu. Die COP26-Präsidentschaft verzichtete aber schließlich darauf, diese in den finalen Text aufzunehmen, was für deutliche Kritik sorgte.

Was schließlich vereinbart wurde, ist ein vager „Dialog“ zu den Finanzierungsarrangements zu Klimaschäden, der im Juni bei den Bonner Klimaverhandlungen beginnen und sich über zwei Jahre ziehen soll – mit ungewissem Ausgang. Allerdings bietet dies eine Gelegenheit, den Vorschlag der Entwicklungsländer wieder konkret auf den Tisch zu legen und auch die Industrieländer dazu zu drängen, sich nicht weiter der Debatte über neue Finanzquellen und deren zielgerichtete Verwendung zu verweigern. Die ägyptische Präsidentschaft für COP27 hätte durchaus Möglichkeiten, dann für die Konferenz in Ägypten auf einen weitergehenden Beschluss hinzuwirken.

Eine interessante Dynamik brachte auch die Zusage der schottischen Regierung von 2 Millionen Pfund für Schäden und Verluste durch den Klimawandel und ergänzend einer Gruppe von Philanthropie-Organisationen, die 3 Millionen Pfund zugesagt hatte zur Unterstützung eines Beschlusses für eine Loss and Damage Facility. Das ist angesichts der Bedarfe nur ein geringer Betrag, aber eine wichtige symbolische Geste – Schottland geht hier als erstes Industrieland voran.

Umlenkung der Finanzen in Klimamaßnahmen bleibt eine wichtige Baustelle

Weiterhin wenig Raum bieten die Verhandlungen für Diskussionen um das dritte Langfristziel des Pariser Abkommens: Die Finanzströme mit einem Weg zu niedrigen Treibhausgasemissionen und einer klimaresistenten Entwicklung in Einklang zu bringen. Trotz eines eigenständigen Kapitels im zweijährigen Bericht des Ständigen Finanzausschusses bleibt unklar, wo die Welt hinsichtlich dieses Ziels steht. Während es bei Klimaschutz das 1.5°-Limit gibt, bei Anpassung ein neues globales Ziel in den nächsten zwei Jahren diskutiert werden soll, ist in Bezug auf das Umschichten der Finanzströme ein solches globales Ziel noch nicht in Vorbereitung. Dies ist mit Blick auf die erste globale Bestandsaufnahme in 2023 eine ernstzunehmende Lücke. Insbesondere auch weil einerseits die Abschlusserklärung zum Abbau ineffizienter Subventionen für fossile Brennstoffe aufruft und andererseits außerhalb des UNFCCC-Prozesses zu Beginn der Verhandlungen weitreichende Ankündigungen des Finanzsektors, darunter die „Glasgow Financial Alliance for Net Zero“ (GFANZ) – eine globale Koalition von Finanzinstitutionen, die sich für die Beschleunigung der Dekarbonisierung der Wirtschaft einsetzt – gemacht wurden. Doch ohne Kriterien für die Umsetzung des Ziels fehlt es an einem Rahmen, diese Ankündigungen wirkungsvoll zu operationalisieren.

Außerhalb der Verhandlungen

Auch außerhalb des formalen Verhandlungskontexts gab es einige relevante Entwicklungen im Bereich der Klimafinanzierung, darunter die neue Partnerschaft über rund 8,5 Milliarden US-Dollar, in der Deutschland, Großbritannien, Frankreich und die EU mit Südafrika bei dessen Abkehr von der Kohlekraft zusammenarbeiten wollen, oder die zwölf Milliarden US-Dollar für den Waldschutz über den Zeitraum 2021-2025 – beides wichtige Initiativen, die allerdings innerhalb der 100-Milliarden-Zusage spielen, nicht darüber hinaus.

Wirklich interessant hingegen ist die gemeinsame Erklärung zahlreicher Länder, die Finanzierung internationaler fossiler Energieprojekte zu beenden. Deutschland ist der Initiative mit einer Woche Verspätung beigetreten und auch nur, weil die Erklärung noch Schlupflöcher offenlässt – das spricht nicht gerade für Führungsstärke, trotzdem ist der Beitritt Deutschlands wichtig. Hinsichtlich der Schlupflöcher wies Staatssekretär Jochen Flasbarth bei der Finanzierung von Gas auf die begrenzten und klar definierten Fälle hin, die mit der Begrenzung der Erwärmung auf 1,5°C und damit den Zielen des Pariser Abkommens vereinbar sind.  Tatsächlich fehlt es aber an Klarheit und Definition.

Was daraus für die neue Bundesregierung folgt

Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung sieht vor, die Zusagen zur Klimafinanzierung aus Deutschland nicht nur zu erfüllen, sondern perspektivisch zu erhöhen. Wird das wie formuliert umgesetzt, könnte die Ampelkoalition tatsächlich einen echten Schritt nach vorne tun. Dafür wäre nun eine zeitnahe Festlegung hinsichtlich der geplanten Steigerung nötig, um über die derzeit geltende Zusage hinauszugehen, die jährlichen Haushaltsmittel für die Klimafinanzierung bis 2025 auf sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Angemessen wäre wenigstens eine Steigerung auf acht Milliarden Euro jährlich bis 2025. Damit würde Deutschland auch zu einem früheren Erreichen des 100-Milliarden-Ziels der Industrieländer beitragen.

Nur knapp ein Fünftel der derzeitigen öffentlichen Klimafinanzierung aus Deutschland findet im Bereich Anpassung statt. Den Aufruf an alle Industrieländer, innerhalb der Klimafinanzierung die Mittel für die Anpassung an die klimatischen Veränderungen bis 2025 zu verdoppeln, sollte die neue Bundesregierung direkt auch für die Klimafinanzierung aus Deutschland umsetzen – und sich nicht durch Interpretationsversuche oder kreative Darstellung der derzeitigen Mittel aus Deutschland aus der Affäre ziehen.

Zu hoffen ist auch, dass Deutschland in der kommenden Debatte um die bestehenden Arrangements zur Finanzierung des Umgangs mit Verlusten und Schäden nicht nur eine konstruktive Rolle einnimmt, sondern auch Führungsstärke zeigt. Immerhin hatten die Grünen in ihrem Wahlprogramm einen eigenen Fonds zum Umgang mit Verlusten und Schäden gefordert – und die künftige Außenministerin Annalena Baerbock hat soeben die internationale Klimapolitik in ihr Ministerium geholt.

Schon während der anstehenden deutschen G7 Präsidentschaft sollte Deutschland helfen, die Informationslücke bei den tatsächlichen Klimafinanzierungsbedarfen der Entwicklungsländer zu schließen. Aus dem ersten Bericht des Ständigen Finanzausschusses (SCF) ging hervor, dass es hier noch großen Nachholbedarf gibt. Gleichzeitig ist diese Information essentiell für das neue Klimafinanzierungsziel für die Zeit nach 2025. Deutschland könnte mit G7 Partnern Finanzierung bereitstellen, damit Entwicklungsländer über die nächsten zwei Jahre diese Informationen erarbeiten.

Jan Kowalzig, Oxfam
Sven Harmeling, CARE
David Ryfisch und David Eckstein, Germanwatch