100 Milliarden / Deutsche Klimafinanzierung / Zusagen

Jamaika oder Ampel: Fairer Beitrag zur Klimafinanzierung mit neuer Bundesregierung?

Wahlergebnis

Ergebnis der Bundestagswahl. „Ampel“ könnte einen Schub für die Klimafinanzierung bringen, „Jamaika“ eher eine Bremse. © Deutscher Bundestag

Vor den Koalitionsverhandlungen: Welche Parteien wollen durch deutliche Steigerung fair zur Klimafinanzierung beitragen, wer will sich drücken? Wir haben mal explizit nachgefragt.

Nach der Bundestagswahl sind gleich mehrere Koalitionen zur Bildung einer neuen Bundesregierung möglich. Wenn die Koalitionsverhandlungen beginnen, wer mit wem auch immer, dürfte die Klimapolitik eine der wichtigen Baustelle werden, denn die kommenden Jahre werden entscheiden, ob die Welt die Klimakrise noch in den Griff bekommt – und ob Deutschland fair dazu beiträgt oder sich wie bisher nur halbherzig um seine globale Verantwortung kümmert.

Es steht zu hoffen, dass die Koalitionsverhandlungen auch die internationale Klimapolitik in den Blick nehmen werden und hier insbesondere die finanzielle Unterstützung der ärmeren Länder bei Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen – dazu sind Deutschland und die übrigen Industrieländer völkerrechtlich verpflichtet und erfüllen dennoch weiterhin nicht das schon 2009 gegebene Versprechen, die Klimafinanzierung bis 2020 auf jährlich 100 Milliarden US-Dollar zu steigern.

Wie sehen das die Parteien? Wir hatten uns die Wahlprogramme ja schon angesehen. Darüber hinaus hatte Oxfam vor der Wahl den im Bundestag vertretenen Parteien (mit Ausnahme der AfD, siehe unten) diese Frage gestellt:

Frage von Oxfam
„Welche Position vertritt Ihre Partei gegenüber der Forderung (u.a. von UN-Generalsekretär António Guterres), dass auch Deutschland seine jährliche finanzielle Unterstützung zur Bewältigung der Klimakrise in den Ländern des Globalen Südens bis 2025 gegenüber heute verdoppeln solle?“

An Antworten haben wir bekommen (Hervorhebungen von uns):

Antwort der SPD
„Deutschland hat beim letzten G7 Gipfel im Juni zugesagt, als weiteren Schritt seinen Beitrag bis 2025 auf jährlich 6 Mrd. Euro zu erhöhen. Perspektivisch sollten wir unsere Anstrengungen weiter aufstocken, auch im Sinne der Nord-Süd-Gerechtigkeit.“

Damit beantwortet die SPD die Frage nicht direkt – allerdings kann man sich eine Antwort einigermaßen ableiten. Immerhin bekräftigt sie die kürzliche Zusage Deutschlands, die Klimafinanzierung bis 2025 auf jährlich sechs Milliarden Euro zu steigern. Die Klima-Hilfen „perspektivisch“ weiter aufzustocken, bezieht sich, so lesen wir das jedenfalls, wohl eher auf die Zeit nach 2025. Also: steigern ja, aber bis 2025 nicht über die derzeitige Zusage hinaus. Gerade weil die SPD hier noch einmal das Stichwort Nord-Süd-Gerechtigkeit bemüht, hätten wir mehr erwartet. Bleibt zu hoffen, dass die Grünen die SPD an dieses Stichwort erinnern, sollte es zu Koalitionsgesprächen kommen.

Antwort der CDU/CSU
Die unionsgeführte Bundesregierung hat im Juni 2021 zugesagt, die jährlichen Mittel aus dem Bundeshaushalt für die Klimafinanzierung von derzeit rund vier Milliarden Euro bis spätestens 2025 auf jährlich sechs Milliarden Euro zu erhöhen. Deutschland hat bereits seinen Beitrag in den letzten sechs Jahren schon verdoppelt. Unser Land leistet damit mehr als viele andere Länder, um ärmere Länder bei Klimaschutz und Anpassung an die klimatischen Veränderungen zu unterstützen. Nun kommt es darauf an, dass andere Industrienationen und der Privatsektor ebenfalls entsprechende Beiträge liefern.“

Der Verweis auf andere Länder und den Privatsektor deutet wohl eher darauf hin, dass CDU/CSU die jüngste Zusage als Obergrenze betrachtet. Einziger Lichtblick: Die CDU/CSU will die darin zugesagte Steigerung durch Mittel aus dem Bundeshaushalt erfüllen. Die Zusage lässt sich zwar eigentlich gar nicht anders interpretieren, aber dennoch hatte die Bundesregierung kürzlich erklärt (siehe hier, Seite 2), dass noch nicht festgelegt sei, ob auch KfW-Kredite und andere Mittel (die eigentlich neben der Zusage zusätzlich bereitstünden) kreativ auf die Zusage angerechnet werden sollen. Mit einer CDU/CSU-geführten Regierung wäre solcher Unsinn zumindest dieser Antwort nach vom Tisch.

Antwort von Bündnis 90 / Die Grünen
Ja, wir GRÜNE halten diese Forderung für richtig, sehen sogar noch weitergehenden Bedarf. In der internationalen Klimafinanzierung wollen wir daher als fairen Beitrag bis spätestens 2025 jährlich mindestens 10 Mrd. Euro für die internationale Klimafinanzierung erreichen und dafür entsprechend zusätzlich ODA-fähige zusätzliche Haushaltsmittel bereitstellen. In Bezug auf Fragen zu Verlusten und Schäden braucht es darüber hinaus zusätzlich zur gemachten Klima-Zusage von Kopenhagen weitere Klärung und finanzielle Mittel. Dies muss beim nächsten Klima-Gipfel auf den Tisch. Darüber hinaus müssen auch bestehende Instrumente wir Klimarisikoversicherungen für den Globalen Süden gemeinwohlorientierter ausgestaltet werden.“

Erfrischend: Nicht nur wird die Frage eindeutig beantwortet, sondern die Grünen wollen sogar noch weitergehen und die Haushaltsmittel für die Klimafinanzierung bis 2025 auf jährlich mindestens 10 Milliarden Euro anheben – und dies durch zusätzliche Mittel, wohl um das Geld nicht bei anderen Themen der Entwicklungsfinanzierung einsparen zu müssen. Es wird noch besser: Zusätzlich zum 100-Milliarden-Versprechen („Klima-Zusage von Kopenhagen“) wollen die Grünen weitere finanzielle Mittel, für die Bewältigung von Verlusten und Schäden infolge des Klimawandels. Es verwundert nicht, dass die Grünen zur Klimafinanzierung in möglichen Koalitionsgesprächen (in welcher Konstellation auch immer) also die weitestgehenden Vorstellungen haben.

Antwort von DIE LINKE
„DIE LINKE unterstützt diese Forderung nach Verdopplung der finanziellen Unterstützung Deutschlands für die Länder des Globalen Südens. Konkret fordern wir einen Kompensationsfonds für die Folgen von Klimawandel und Kolonialismus auf UN-Ebene, der von den Industriestaaten finanziert wird. Außerdem setzen wir uns dafür ein, dass Klimageflüchtete ein Recht auf Asyl in der EU erhalten. Über eine direkte finanzielle Unterstützung hinaus nehmen wir die ungerechte Handels- und Rohstoffpolitik der EU und deren Folgen für den Globalen Süden in den Blick. Wir wollen einen Kurswechsel hin zu fairen Handelsabkommen mit verbindlichen Umwelt- und Arbeitsschutzstandards, eine Agrarwende hin zu ökologischem Anbau und Ernährungssouveränität, ein starkes Lieferkettengesetz und den Aufbau eigener Wertschöpfung in den Ländern des Globalen Südens, die heute vom Rohstoffexport abhängig sind.“

DIE LINKE wird zwar wohl nicht Teilnehmerin irgendwelcher Koalitionsgespräche sein – aber sie hat zum Thema Gutes beizutragen. Nicht nur beantwortet DIE LINKE unsere Frage eindeutig – sie tut es zudem mit einem klaren Ja. Wie auch die Grünen geht DIE LINKE sogar noch einen Schritt weiter: Ein Fonds zur Kompensation von Klimaschäden wäre eine klare Anerkennung der Rolle der Industrieländer bei der Verursachung der Klimakrise. Darüber hinaus stellt DIE LINKE die Klimafinanzierung in einen weiteren Kontext globaler Gerechtigkeit, etwa bei der Handels- und Rohstoffpolitik. Das berührt die Klimafinanzierung nicht direkt, aber Deutschlands bzw. Europas Verantwortung in der Welt im Gesamtzusammenhang zu sehen ist ein wichtiger Impuls auch für künftige Koalitionäre.

Antwort der FDP
„Wir Freien Demokraten stehen zu den Verpflichtungen Deutschlands aus dem Pariser Abkommen. Jedoch sind wir der Überzeugung, dass die Bewältigung der Folgen des Klimawandels mehr als eine Frage der finanziellen Mittel ist. Wir fordern in erster Linie wirksame Maßnahmen, die geeignet sind, die wirtschaftliche Resilienz der betroffenen Menschen zu erhöhen. Daher muss die finanzielle Unterstützung regelmäßig hinsichtlich ihrer Wirksamkeit evaluiert werden.“

Hmja. Die FDP redet sich um ein „Nein“ herum – so jedenfalls lesen wir die Antwort. Es ist schon richtig (aber ein Allgemeinplatz), dass es bei der Bewältigung der Klimakrise um mehr geht als nur um Geld. So sehen es wohl alle Beteiligten, ob Geberländer, Empfängerländer oder Zivilgesellschaft. Dasselbe gilt für die regelmäßige Bewertung der Wirksamkeit eingesetzter Gelder. Da ist in der Tat noch viel zu tun – aber: begleitend und nicht als Ersatz für steigende Mittel, denn der Bedarf ist weitaus größer als die derzeit global bereitgestellten Mittel. Uns fällt ansonsten auf, dass vor allem die wirtschaftliche Resilienz der Menschen erhöht werden soll – so gehört sich das vermutlich im Blick der FDP auf die Welt. Wir nehmen optimistisch an, dass die FDP auch nichts gegen andere Ausprägungen von Resilienz gegenüber den klimatischen Veränderungen hat.

Die AfD hatten wir nicht gefragt. Sie leugnet die wissenschaftlich robust belegte Rolle des Menschen in der Klimakrise und möchte das Pariser Abkommen aufkündigen – Impulse zur Klimafinanzierung seitens dieser Partei hatten wir daher für wenig wahrscheinlich gehalten.

Es verwundert nicht, dass in einer Koalition von SPD, Grüne und FDP („Ampel“) die Aussichten für die Klimafinanzierung deutlich besser sind als in einer Koalition von CDU, CSU, Grüne und FDP. In beiden Fällen dürfte die FDP als Bremser auftreten, aber in der „Ampel“ ließe sich die SPD von den Grünen womöglich mit Verweis auf die oben genutzte Vokabel der Nord-Süd-Gerechtigkeit (die man im Kanon einer echt sozialdemokratischen Partei ja auch erwarten würde) für einen stärkeren Beitrag Deutschlands für die Klimafinanzierung auch schon bis 2025 gewinnen. Unter „Jamaika“ wären die Grünen mit ihrer positiven Haltung (die sich nicht nur oben, sondern auch im Wahlprogramm wiederfindet) zwischen zwei Parteien eingeklemmt, für die „globale Gerechtigkeit“ zumindest in der Vergangenheit eher eine rhethorische Klausel als ein programmatischer Schwerpunkt war. Da dürfte es schwierig werden, in den kommenden Jahren Fortschritte jenseits der kürzlichen 6-Milliarden-Zusage der Bundesregierung zu erzielen – obwohl auch das natürlich nicht unmöglich wäre, je nach Verhandlungsgeschick und für die Koalitionsvehandlungen gesetzten Prioritäten der Grünen.

Jan Kowalzig, Oxfam