Internationale Klimafinanzierung

EU-Präsidentschaft: Wie weiter mit Klimafinanzierung für Afrika?

Am 1. Juli 2020 übernimmt die deutsche Bundesregierung für ein halbes Jahr die EU-Präsidentschaft. Für Bundeskanzlerin Angela Merkel ist dies bereits der zweite Vorsitz nach 2007. In einer Regierungserklärung stellte sie am 17. Juni wesentliche Schwerpunkte der EU-Präsidentschaft vor.

Klimaschutz in der deutschen EU-Präsidentschaft

Dazu gehört der Klimaschutz und der Übergang zu einer klimaneutralen Wirtschaft, wo man „die Beratungen für ein europäisches Klimaschutzgesetz intensiv fortführen“ werde und „das Ziel sei, Europas Klimaneutralität bis 2050 verbindlich festzuschreiben und die Ziele für 2030 anzupassen.“ Die EU sollte noch 2020 einen ambitionierteren „Nationalen Klimabeitrag“ (NDC) unter dem Paris-Abkommen beschließen. Während die EU-Kommission hier bisher nur Vorschläge in der Größenordnung 50-55% CO2-Verringerung in den Diskussionsraum gestellt hat, liegt im EU-Parlament ein Gesetzesvorschlag für 65%-Verringerung vor, die auch von vielen NRO wie dem Climate Action Network Europe gefordert werden (bei einer Klimaneutralität schon um 2040). Eine neue Studie des ThinkTanks ClimAct unterstreicht die Machbarkeit dieses ambitionierteren Ziels. Der Welt zu zeigen, dass die EU das 1,5°C-Limit aus dem Paris-Abkommen ernst nimmt, ist zentral für die klimapolitische Glaubwürdigkeit Europas auch in Nachbarstaaten wie dem afrikanischen Kontinent. Dieses Argument wird z.B. auch von afrikanischen Nichtregierungsorganisationen in Konsultationen zur EU-Präsidentschaft aufgebracht.

Afrika als außenpolitischer Schwerpunkt

Ein zweiter wichtiger Themenstrang der deutschen EU-Präsidentschaft ist „mehr globale Verantwortung für Europa“. Afrika werde laut Merkel ein außenpolitischer Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft sein. Dies ist auch aus klimapolitischer Sicht zu begrüßen, sind viele Menschen in Afrika doch massiv von den Folgen des Klimawandels betroffen. Dies ist gerade auch im Kontext der COVID-19-Krise zu sehen, wo sich die Konsequenzen der Pandemie und die Klimafolgen gegenseitig verstärken. Trockenheit, Wasserknappheit und Überschwemmungen im südlichen Afrika, aber auch die Heuschreckenplage eher in Ostafrika werden wissenschaftlich bereits als miteinander verknüpfte Risiken der nächsten Monate eingestuft.

Einer der schlimmsten Kaskadeneffekte von COVID-19 wird voraussichtlich eine schwere Nahrungsmittelkrise in den Entwicklungsländern sein, worauf CARE auch in einem Briefing zu COVID-19 hinweist. Aus diesem Grund besteht dringender Handlungsbedarf. Nationale Regierungen, Geberregierungen und die internationale Gemeinschaft müssen vor allem die Unterstützung für klimaresiliente landwirtschaftliche Existenzen, insbesondere für Kleinbauern und vor allem Kleinbäuerinnen, aufrechterhalten und weiterhin in die Bekämpfung von Unter- und Fehlernährung investieren. Maßnahmen, die gleichzeitig Arbeitsplätze und Einkommen für Bevölkerungsgruppen schaffen können, die von COVID-19 besonders schwer betroffen sind, sollten Vorrang haben. Hierbei sind Klimaresilienz und Klimaschutzprioritäten der Länder entsprechend ihren national festgelegten Beiträgen zu berücksichtigen.

Klimarelevante Entwicklungsfinanzierung der EU für Afrika: ausbaufähig!

Die EU in ihrer Gesamtheit ist der wichtigste Geldgeber für Klimafinanzierung an Afrika. Insbesondere die EU-Institutionen jenseits der Mitgliedstaaten haben in den letzten Jahren ihre Klimafinanzierung erhöht. Angesichts der großen historischen Verantwortung für die Ursachen des Klimawandels und auch Europas Leistungsfähigkeit ist hier eine maßgebliche Rolle natürlich zwingend. Die Auswertung, klimarelevanter Entwicklungsfinanzierung der EU an Afrika auf Basis neuester Zahlen der OECD zeigt, dass zwar insgesamt ein deutlicher Anstieg zwischen 2015 und 2017 zu verzeichnen war (siehe Abbildung 1, inkl. Großbritannien). 2018 sind die Zahlen allerdings deutlich zurückgegangen, um knapp eine Milliarde USD auf etwa das Niveau von 2016. Dabei nehmen Projekte, die Klimaanpassung nur als Nebenziel verfolgen (Marker 1), den Löwenanteil ein. Der größte Teil der Mittel geht an Sub-Sahara-Afrika (in allen Jahren kumuliert etwa zehnmal soviel wie an Afrika nördlich der Sahara). Gerade bei „reinen“ Anpassungsprojekten (Marker 2) ist der Rückgang in 2018 besonders signifikant.

EU-Entwicklungsfinanzierung für Klimaanpassung an Afrika. Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von OECD Daten

Auch wenn sich die Zahlen grundsätzlich von Jahr zu Jahr unterscheiden können und die OECD-Zahlen nicht vollständig mit der offiziell alle zwei Jahre an UNFCCC berichteten Klimafinanzierung übereinstimmen, ist ein derart signifikanter Rückgang der Mittel in 2018 ein alarmierendes Signal, während der Klimawandel gleichzeitig weiter massiv fortschreitet. Und dabei handelt es sich noch nicht einmal um zusätzliche Mittel speziell für Anpassung, sondern „nur“ um die Summe der Projekte, die auch eine Anpassungskomponente haben. Anwendungsprobleme der Rio-Marker wie eine signifikante Überschätzung der Anpassungsdimension sind an anderer Stelle erörtert worden.

Der im Jahr 2015 veröffentlichte Bericht „Africa’s Adaptation Gap Report 2“ schätzte damals schon die spezifischen Anpassungskosten in Afrika, die alleine aus den bis dahin getätigten globalen Treibhausgasemissionen resultieren, auf 7-15 Mrd. USD pro Jahr in 2020. In 2030 bis 2050 könnten dabei auch trotz Anpassung nicht vermiedene Schäden (Loss & Damage) in doppelter Höhe der Anpassungskosten hinzukommen.

Im Bereich Minderung – also Klimaschutz zum Beispiel durch erneuerbare Energien oder Verminderung der Entwaldung – gab es in den letzten Jahren zwar einen Wachstumstrend, aber mit deutlich kleineren Steigerungen (siehe Abbildung 2). Von einem deutlichen Wachstumspfad kann nicht wirklich die Rede sein.

EU-Entwicklungsfinanzierung für Minderung an Afrika. Quelle: eigene Berechnungen auf Basis von OECD Daten

Es braucht in jedem Fall einen stärkeren Ausbau. Viele afrikanische Länder arbeiten an ihren neuen nationalen Klimaplänen (NDC). Ruanda beispielsweise hat vor kurzem eine überarbeitete und auch verbesserte NDC vorgelegt, nun erstmals mit einem relativen Reduktionsziel. Europa als Nachbarkontinent sollte gerade die Umsetzung besonders ambitionierter NDC stärker unterstützen.

EU-Haushalt braucht starke Entwicklungs- und Klimakomponente

Neben der Klimafinanzierung durch die einzelnen Mitgliedstaaten wird ein zentraler Meilenstein für die Entwicklungs- und Klimafinanzierung der EU während der deutschen EU-Präsidentschaft die Verabschiedung des mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) der EU 2021-2017 sein. Das neue „Nachbarschafts-, Entwicklungs- und internationale Kooperationsinstruments (NDICI)“ wird für die Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern das Hauptvehikel werden. CARE unterstützt zwar insgesamt den Vorschlag der Europäischen Kommission für den MFR 2021-2027 und den Next Generation EU Aufbaufonds. Eine Erweiterung der finanziellen Mittel für Maßnahmen außerhalb der EU ist allerdings dringend erforderlich. Zudem sollte die NDICI von einem 50%-Ziel für Klima- und Umweltausgaben bestimmt werden, um den Europäischen „Green Deal“ und die Ratsvereinbarung hinsichtlich COVID-19 für einen besseren und grünen Wiederaufbau („build back better and greener“) zu erfüllen. Als Teil dieser Bemühungen sollten mehr Investitionen in die Katastrophenvorsorge auf kommunaler Ebene (DRR) in Entwicklungsländern, die auch maßgeblich zur Klimaanpassung beitragen können, getätigt werden. Denn die Vorbereitung auf eine Katastrophe und die Verringerung ihrer Auswirkungen sollte erfolgen, bevor sie sich ereignet. Hiermit wird eine weitaus höhere Wirksamkeit erreicht (1 € für die Vorbereitung spart 7 € für die Reaktion). Der MFR sollte zudem einen dringend benötigten zusätzlichen Impuls zur Förderung der Gleichstellung der Geschlechter innerhalb und außerhalb der EU geben.

EU-Afrika-Gipfel als Klimafinanzierungs-Moment?

In den vergangenen Jahren war die UN-Klimakonferenz häufig ein Moment für neue Finanzzusagen. Dieses Moment fällt durch die Verschiebung von COP26 dieses Jahr bekanntlich weg. Bei der Bewältigung der eigenen Hausaufgaben – Klimaschutz in der EU – sollte spätestens beim EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am 10./11. Dezember ein deutlich ambitionierteres Klimaschutzziel von 65% CO2-Minderung für 2030 beschlossen werden, passend zum 5. Geburtstags des Paris-Abkommen am 12. Dezember. Das wäre auch ein starkes Signal an die afrikanischen Partnerländer, dass die EU das 1,5°C-Ziel des Paris-Abkommens ernst nimmt.

Der EU-Afrika-Gipfel – bisher für Oktober noch als physisches Treffen geplant, allerdings noch nicht konkret terminiert – wird zumindest nach den bisherigen Planungen einer der entwicklungspolitischen Höhepunkte während der deutschen EU-Präsidentschaft sein. Die deutsche Zivilgesellschaft bringt sich unter anderem über Aktivitäten von VENRO zur Präsidentschaft in den Vorbereitungsprozess ein. Der EU-Afrika-Gipfel könnte durch eine Reihe von Elementen an klimapolitischer Bedeutung gewinnen. Besonders ambitionierte, überarbeitete NDCs und auch Nationale Anpassungspläne (NAP) aus afrikanischen Ländern sollten hier besondere Würdigung und Unterstützung erfahren. Die EU muss sich in die Lage versetzen, weiter steigende Klimafinanzierung für Afrika, insbesondere die LDCs dort, über 2020 hinaus zuzusagen. Es sollte auch geprüft werden, wo die Umsetzung genuin afrikanischer Initiativen wie der African Adaptation Initiative , der African Risk Capacity oder African Renewable Energy Initiative aus Sicht afrikanischer Akteure steht, und welche Maßnahmen gegebenenfalls bei der Bewältigung existierender Hindernisse von Seiten Europas unterstützt werden können, um diese zu überwinden. Die Bedürfnisse der besonders betroffenen Bevölkerungsschichten und auch Zugang der Zivilgesellschaft sind dabei zentrale Parameter. Auch Fragen der Entschuldung könnten klimapolitisch an Bedeutung gewinnen.

Insgesamt bietet der EU-Afrika-Gipfel und die Diskussionen über die zukünftige Partnerschaft Möglichkeiten für die EU, ihre Klimafinanzierung für Afrika auch trotz oder gerade wegen COVID-19 weiter auszubauen, als Schlüsselelement und quasi zweite Säule der Klimagerechtigkeit neben dem eigenen Klimaschutz.

Sven Harmeling, CARE