Deutsche Klimafinanzierung / Loss & Damage

Versichern gegen den Klimawandel

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Fidschi leidet schon heute schwer unter den Folgen des Klimawandels. Photo: B. von Brackel

Werden arme Länder durch Dürren, Wirbelstürme oder Überschwemmungen getroffen, brauchen sie manchmal Jahre, um sich wirtschaftlich wieder zu erholen. Klimarisiko-Versicherungen sollen das nun ändern und werden durch deutsche Klimagelder inzwischen stark gefördert. Nur: Nicht alle können oder wollen sich das leisten.

Anfang November kommt die Südsee nach Deutschland: In diesem Jahr leitet Fidschi die Weltklimakonferenz – die allerdings aus Kapazitätsgründen in Bonn stattfinden wird, dem Sitz des Klimasekretariats der Vereinten Nationen. Den Klimadiplomaten aus Fidschi fällt eine schwere Aufgabe zu: Sie müssen die Verhandlungen leiten, um den Pariser Klimavertrag in ein Regelwerk zu übersetzen, damit sich ersteres überhaupt umsetzen lässt. Einer der weiteren Knackpunkte wird die Klimafinanzierung sein. Die Industrieländer haben versprochen, die Klimagelder für die Entwicklungsländer bis zum  Jahr 2020 auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu steigern, etwa durch den Grünen Klimafonds (GCF), für den die Industrieländer bislang aber gerade mal zehn Milliarden Dollar zugesagt haben.

Als Sprachrohr der kleinen Inselstaaten muss Fidschi ganz nebenbei dafür sorgen, dass im speziellen jene Staaten im Südpazifik genug Mittel bekommen, um sich an veränderte Wettermuster, Meeresspiegelanstieg und Zyklone anpassen zu können sowie für Schäden und Verluste durch den Klimawandel entschädigt werden.

Deutschland steht noch verhältnismäßig gut da, was die Beiträge etwa zum Grünen Klimafonds oder dem Anpassungsfonds angeht oder die Initiativen für neue Finanzinstrumente wie der Klimarisikoversicherung. Allerdings geht bei den abstrakten Diskussionen und Schachereien um Klimagelder vor allem auf den Weltklimagipfeln oft in Vergessenheit, um wen es am Ende geht, nämlich um die Menschen, die sich vor den klimawandelbedingten Katastrophen schützen müssen, aber das von allein nicht können, und deswegen auf Hilfe angewiesen sind. Wie auf Fidschi selbst.

Ein Dorf in den Bergen im Nordwesten von Viti Levu, der größten Insel des Pazifikstaats Fidschi. Schweißperlen rinnen den Menschen in der Sonne von den Gesichtern, aber in der Holzhütte von Ela Lotawa ist es angenehm kühl. Den Raum, in dem sie Spinat, Maniok und Rindfleisch serviert, trennt nur ein Vorhang vom Schlafbereich, wo ihr Mann nach der Feldarbeit gerade ein Nickerchen einlegt.

Eigentlich könnte ihr Ort Abaca ein wahres Paradies sein. Vor den offenen Türen sieht man einen Hahn vorbeistaksen, Kinder rennen lachend vorbei, Wasser plätschert von irgendwoher, dichtes Grün überzieht die Berghänge. Hier müssen sich die Dorfbewohner nicht der Hektik, dem Lärm und Gestank der Städte ausliefern, sie müssen sich nicht um Rechnungen kümmern, sondern können auf dem fruchtbaren Boden anbauen, was sie zum Leben brauchen.

Eingeschlagen in dieses kleine Paradies hat allerdings im vergangenen Jahr „Winston“, der erste aufgezeichnete Wirbelsturm der Kategorie Fünf, der in dem Inselstaat an Land ging. Ela Lotawa nennt ihn nur „den Winston“. Bevor er übers Dorf zog, habe sie die Wäsche und alle Kinder, Hühner und Hunde in ihre Hütte geschafft und Türen, Fenster und Dach mit einem Seil umbunden. Am nächsten Tag lag alles wild verteilt in der Gegend, Kleidung, Bäume, Äste, Hausteile. Ein Haus hatte es weggeweht; die Familie lebt heute in einem blauen Zelt mit der Aufschrift „P. R. China“.

Alle Felder waren zerstört, auf denen sie Maniok und anderes angebaut hatten. Eine ganze Saison lang gaben die Felder ihnen keine Nahrung mehr. Zahllosen Dörfern auf den Fidschi-Inseln erging es genauso. 44 Menschen starben, Tausende Familien verloren ihr Zuhause, ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts wurde vernichtet.

In Zukunft müssen sich Inselstaaten wie Fidschi auf solche Zyklone der Kategorie Fünf einstellen. Klimaforscher prophezeien im Zuge der Erderwärmung zwar nicht mehr, aber ungleich heftigere Wirbelstürme. Denn je wärmer die Meeresoberfläche wird, desto mehr Energie speist die Wirbel.

Vorbereitet sind die Fidschi-Inseln darauf kaum. Noch immer reagieren die Behörden meist nur, wenn schon etwas passiert ist, statt sich vorbeugend zu wappnen. Und ein Instrument, das sich in den Entwicklungsländern immer größerer Beliebtheit erfreut, nutzt die Regierung noch gar nicht: Klimarisikoversicherungen. Wer eine Prämie einzahlt, der wird innerhalb kürzester Zeit entschädigt, wenn Dürren, Wirbelstürme oder Tsunamis das Land treffen. Und zwar mit Geld oder praktischen Hilfen wie Saatgut.

2015 riefen die Industriestaaten auf dem G7-Gipfel die Initiative InsuResilience im oberbayerischen Elmau ins Leben. Das Ziel: Bis zum Jahr 2020 sollen in den ärmsten Ländern 400 Millionen Menschen Zugang zu Klimaversicherungen bekommen. Im Rahmen seiner Klimafinanzierung hat Deutschland zu dieser Initiative bisher 190 Millionen Euro beigesteuert. Das Ziel: Ein Staat im Ganzen oder seine Einwohner sollen sich über eine von mehreren Versicherungen direkt verischern können. Zunächst wird in den Staaten das jeweilige Risiko bewertet, etwa auf Grundlage von Klima- und Wetterdaten. Danach werden Notfallpläne ausgearbeitet, um dafür zu sorgen, dass die Finanzhilfe im Katastrophenfall schnell dorthin gelangt, wo sie gebraucht wird. „Der Vorteil von Klimarisikoversicherungen ist, dass die Versicherungssummen sehr schnell ausgezahlt werden“, sagt ein Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums. „Eine schnelle Auszahlung rettet Leben und Besitz und hilft, Folgeschäden zu vermeiden.“

Insgesamt sind bis heute über 100 Millionen Menschen in Entwicklungsländern gegen Klimarisiken versichert. Im Katastrophenfall zahlt etwa die Pacific Catastrophe Risk Assessment and Financing Initiative (PCRAFI) das Zwölffache des Prämienbeitrags aus – um nach Starkregen, Erdbeben oder Tropenstürmen zum Beispiel Brücken oder Flughäfen wiederaufzubauen. Gegründet wurde die PCRAFI unter anderem von Deutschland, das etwa 16 Millionen US-Dollar zusteuert, knapp die Hälfte des G7-Beitrags für die PCRAFI. Auch die Weltbank gibt Zuschüsse.

Der Großteil der  Versicherungsauszahlungen fließen nach Afrika. Auch einige der extrem verletzlichen Inselstaaten im Südpazifik – etwa Vanuatu oder die Marshallinseln – sind versichert. Fidschi wiederum kann oder will sich die Prämie nicht leisten. „Es gibt drei oder vier Initiativen, bei denen wir gefragt wurden, ob wir dazugehören wollen“, erklärt Fidschis Landwirtschaftsminister und Klimabotschafter Inia Seruiratu. „Wir prüfen gerade, was für uns im Pazifik am besten funktioniert.“

Die Klimaexpertin Sabine Minninger von Brot für die Welt vermutet, dass der Regierung der Fidschi-Inseln das Vertrauen fehlt, dass im Fall der Fälle tatsächlich Gelder fließen. Hinzu kommt, dass viele in den ärmsten Ländern nicht einsehen, warum sie überhaupt zahlen müssen – zum Klimawandel haben sie ja so gut wie gar nicht beigetragen. Die Versicherungen decken außerdem nicht alles ab: Plötzlich eintretende Naturkatastrophen zwar schon, nicht aber schleichende Veränderungen wie die Versalzung des Bodens und Grundwassers oder den Anstieg des Meeresspiegels, weshalb sie für Minninger nur ein Teil der Lösung sein können.

Auch Ela Lotawa kann in ihrem Bergdorf von solchen schleichenden Veränderungen berichten. Die Inselbewohner können sich nicht mehr auf die Wettermuster verlassen – die Trockenzeit, die Regenzeit. „Wir konnten all das viele Jahrhunderte vorhersagen“, sagt Lotawa. „Jetzt ist alles durcheinander.“

Das Problem sei vor allem der Regen – wenn er nach langer Dürrezeit plötzlich und heftig herunterkommt und die Feldpflanzen zerstört. Aber auch die Monate, in denen normalerweise Stürme auftauchen, sind nicht mehr eindeutig, sagt Ela Lotawa. „Auch die Wirbelstürme kommen nun in der falschen Zeit.“ Gegen die zumindest kann man sich versichern.

Gastbeitrag von Benjamin von Brackel, klimaretter.info