Loss & Damage

Abgesichert gegen Klimaschäden?

 

Besonders die arme Bevölkerung leidet unter den Schäden, Photo: Brot für die Welt

Besonders die arme Bevölkerung leidet unter den Schäden, wie hier in den Philippinen. Photo: J. Grossmann, Brot für die Welt

Im Herbst 2015 beschloss die internationale Staatengemeinschaft 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Auf nationaler Ebene werden nun nationale Aktionspläne entwickelt, um diese Ziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Doch der Klimawandel steht ihnen im Weg. Das gilt vor allem für die ärmsten Menschen in Hochrisikoländern des Klimawandels. Klimabedingte Extremereignisse wie Tropenstürme, Dürren und Überschwemmungen bedrohen ihre Ernten, ihr Einkommen und ihre Existenz.

Keine finanzielle Unterstützung von klimabedingten Schäden und Verluste

Die internationale Politik beschäftigt sich, insbesondere unter dem Dach der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen, seit über zwanzig Jahren mit den Folgen des Klimawandels. Erst mit dem Klimaabkommen von Paris ist es 2015 gelungen, einen institutionellen Rahmen für den Umgang mit Klimarisiken und hieraus resultierenden Schäden zu vereinbaren, der global gilt und alle Staaten einbezieht. Zuvor hatten die Industrieländer die Verhandlungen darüber immer wieder hinausgezögert, aus Angst vor möglichen Schadenersatzforderungen.

Doch das Pariser Abkommen hat Lücken: Zwar erkennt es klimabedingte Schäden als Gegenstandsbereich an und hat den Internationalen Warschau-Mechanismus beauftragt, Lösungen zu erarbeiten. Jedoch beinhaltet das Abkommen keine Zusagen über den finanziellen Umfang für die Umsetzung dieses Auftrags. Noch dazu schreibt Paragraph 52 des Pariser Beschlusses, der das Abkommen ergänzt, fest, dass das Klimaabkommen keine Grundlage für Haftungs- und Kompensationsansprüche bietet.

Klimagerechtigkeit im Kontext von klimabedingten Schäden und Verluste

Angesichts der Verantwortung und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Staaten, die zu den Hauptverursachern des Klimawandels zählen, ist das nicht akzeptabel. Klimageschädigte auf der ganzen Welt und Nichtregierungsorganisationen fordern seit Jahren, dass die hauptsächlich für die weltweiten CO2-Emissionen verantwortlichen Staaten und Unternehmen dem Vorsorgeprinzip entsprechend für Klimaschäden geradestehen sollten. Klimagerechtigkeit bedeutet, dass diese Staaten und Unternehmen dazu verpflichtet sind, zumindest die ärmsten und verletzlichsten Staaten finanziell bei der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten zu unterstützen. Gut geeignet wäre dafür ein Fonds, ähnlich dem Grünen Klimafonds. Dass besonders die ärmsten und verletzlichsten Menschen und Staaten weder ausreichend vor den Folgen des Klimawandels geschützt sind noch bei klimabedingten Schäden von den Verursachern entlastet werden, ist ein Gerechtigkeitsskandal.

Klimarisikoversicherungen initiiert durch die deutsche G7/G20 Präsidentschaft

Wir begrüßen daher, dass die deutsche Bundesregierung die politische Initiative ergriffen hat und dem Thema Klimarisikominderung und -transfer zunächst im Rahmen ihrer letzten G7-Präsidentschaft, wie auch jetzt wieder anlässlich ihrer G20-Präsidentschaft, einen hohen Stellenwert einräumt. Dabei sollen ausdrücklich die vulnerabelsten Bevölkerungsgruppen und Länder berücksichtigt werden. Die Einführung von Klimarisikoversicherungen wird in der Zivilgesellschaft durchaus kritisch diskutiert. Für sich allein können sie gewiss keine Klimagerechtigkeit schaffen, allerdings können sie dazu beitragen, wachsende Armut in Folge klimabedingter Schäden und Verluste zu bekämpfen und Schutzlücken zu schließen. Dazu müssen sie jedoch Teil einer breit angelegten Resilienz-Strategie sein und soziale Sicherungssysteme und humanitäre Hilfe sinnvoll ergänzen, aber nicht ersetzen.

Staatliche Leitplanken bei der Kooperation mit der Privatwirtschaft

Bei Klimarisikoversicherungen gibt es die Notwendigkeit von staatlichen Leitplanken, Versicherungsaufsicht und unabhängigem Monitoring zur Sicherstellung der Gemeinwohlorientierung, ähnlich bei anderen existenzsicherenden Instrumenten wie beispielsweise Sozialversicherungssystemen. Die Erfahrungen mit Versicherungen im Armutsbereich zeigen, dass es immer eine starke staatliche Flankierung und Rahmensetzung geben muss, damit überhaupt marginalisierte Gruppen erreicht werden.

Klimarisikoversicherungen müssen auf die Bedürfnisse der ärmsten Menschen abgestimmt sein

Oberstes Prinzip muss sein, dass Klimarisikoversicherungen auf die Bedürfnisse der Ärmsten zugeschnitten werden. Ihre Finanzierung muss sichergestellt und fair geregelt sein. Die Klimarisikoversicherungs-Initiative „InsuResilience“ ebenso wie die jetzt angestrebte „Globale Partnerschaft für Risikofinanzierung und Risikoversicherung“ sind erste Schritte dahin. Klimarisikoversicherungen können dazu beitragen, ihre Verwundbarkeit zu verringern. Geschädigte können so im Katastrophenfall schnell Gelder erhalten, die ihnen bei der Bewältigung ihrer Notsituation helfen, außerdem können Klimaversicherungen eingesetzt werden, um Nothilfe oder soziale Sicherungssysteme zu stärken.

Klimarisikoversicherungen sind jedoch bislang in Entwicklungsländern kaum verbreitet. Vielerorts fehlt das Risikobewusstsein, die Idee von Versicherungen ist weitgehend unbekannt, diese gelten als zu teuer oder es mangelt an den regulatorischen Rahmenbedingungen. Die unter deutscher G7-Präsidentschaft 2015 gegründete Initiative InsuResilience ist ein Versuch, dies zu ändern. Sie will bis zum Jahr 2020 400 Millionen arme und vulnerable Menschen versichern. So wird Risikotransfer zum festen Bestandteil von Resilienzstrategien. Unter deutscher G20-Präsidentschaft könnte InsuResilience jetzt um weitere Akteure und Instrumente erweitert werden – als eine Globale Partnerschaft für Klimarisikofinanzierung und Versicherungslösungen.

Damit Klimarisikoversicherungen tatsächlich die Ärmsten und Vulnerabelsten schützen, müssen sie bedarfsorientiert, leicht zugänglich und vor allem bezahlbar sein. Die Frage der Bezahlbarkeit ist eng verbunden mit der Frage nach Klimagerechtigkeit: Wer haftet beziehungsweise trägt die Kosten – die Verursacher oder die Geschädigten? Bislang findet das Verursacherprinzip keine Anwendung bei der Bewältigung von klimabedingten Schäden und Verlusten. Verbreitet ist bislang, auch in der InsuResilience, das Solidarprinzip beim Transfer von Klimarisiken, also das Tragen der Risiken im Fall von Extremwetterereignissen von allen versicherten Staaten. InsuResilience hat sich den Prinzipien der Armutsorientierung
verpflichtet und erprobt einen „Smart Support“, um Versicherungen bezahlbar für die Armen zu machen.

Dieser Fokus auf die Ärmsten könnte allerdings verloren gehen, wenn die geplante Ausweitung auf eine globale Partnerschaft unvorsichtig umgesetzt wird. Die deutsche Bundesregierung sowie die G20 sollten dies bei der Ausgestaltung der InsuResilience berücksichtigen, durch:

  1. starke Gewichtung von versicherungsbezogener Bewusstseinsbildung, rechtlicher Regulierung, Kapazitätsaufbau und Transparenz,
  2. Integration von Versicherungen in Klimarisiko-Management-Strategien,
  3. Armutsorientierung und Vulnerabilitätsfokus als Leitprinzipien,
  4. Senkung der Risikofinanzierungskosten,
  5. schrittweise Umstellung der Risikoversicherung auf das Solidar- und Verursacherprinzip,
  6. Förderung von Innovation über Pilotprojekte,
  7. Ownership vulnerabler Staaten und zivilgesellschaftliche Partizipation,
  8. langfristige finanzielle Förderung von InsuResilience,
  9. keine Förderung von Risikoversicherungen, welche die Ernährungssicherheit gefährden,
  10. armutsorientierte Leitplanken für die Kooperation mit dem Privatsektor,
  11. Ansätze zum Umgang mit der Schutzlücke, die durch Versicherungen nicht zu schließen ist.

Nur so können Versicherungen zu einem wirkungsvollen Instrument gemacht werden, das arme und vulnerable Bevölkerungsgruppen besser gegen Klimarisiken schützt. Dies ist eine immer wichtiger werdende Debatte, die die Bedeutung von Klimarisikoversicherungen hervorhebt und ihre Chancen und Risiken insbesondere im Lichte von Klimagerechtigkeit und Armutsbekämpfung sowie der Debatten um Vulnerabilität und Resilienz abwägt.

Sabine Minninger / Brot für die Welt

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